Snowboarderin Anna Gasser (AUT)
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Snowboard

Gasser greift auch im Slopestyle an

Bevor Olympiasiegerin Anna Gasser auf der Big-Air-Rampe bei den Olympischen Spielen in Peking als Titelverteidigerin antritt, steht für die Kärntnerin der Slopestyle-Bewerb auf dem Programm. Der Slopestyle, ihr gewissermaßen zweites Standbein, soll aber kein Aufwärmen für ihre Paradedisziplin sein, sondern auch in dieser Disziplin ist sie im Angriffsmodus. Die 30-Jährige will es am Samstag durch die Qualifikation (3.45 Uhr MEZ, live in ORF1) ins Finale (Sonntag 2.30 Uhr, live in ORF1) schaffen, dabei in der Quali aber noch nicht alle Trümpfe ausspielen.

Olympiasiegerin ist sie, Olympiasiegerin bleibt sie. Dass die Goldmission bereits erfolgreich war, lässt Gasser die Olympischen Spiele sogar erstmals genießen. „Alles, was kommt, ist ein Bonus“, sagte die Snowboard-Freestylerin nach dem Training für den Slopestyle-Bewerb. Dick eingemummt mit „sieben Schichten“ bei minus 19 Grad trickste sie fast gänzlich nach ihrem Geschmack. „Bissl wärmer noch würde stimmungsmäßig einen Riesenunterschied für mich machen.“

Am Samstag wartet auf Gasser in den verlassenen Bergen von Zhangjiakou ein beeindruckender Parcours aus Kickern (Sprünge), Rails (Geländer) und Obstacles (Hindernisse). Auch Routiniers wie Gasser lernen noch dazu. „Ich habe gedacht, es kommen acht Mädels ins Finale, aber es sind zwölf.“ Das eröffnet für den Taktikpoker neue Möglichkeiten. Die 30-Jährige will in der Quali nicht alle Trümpfe ausspielen. „Ich glaube, wenn man einen sauberen Run runterbringt, noch nicht die höchste Schwierigkeitsstufe, dann sollte es für das Finale reichen. Aber das ist leichter gesagt als getan.“

Zoi Sadowski Synnott (NZL), Anna Gasser (AUT) und Jamie Anderson (USA)
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Bei Olympia 2018 gewann Gasser (M.) Gold im Big-Air-Bewerb vor der US-Amerikanerin Jamie Anderson (r.) und Zoi Sadowski-Synnott aus Neuseeland (l.)

Slopestyle ist etwas für Taktikfüchse

Der Slopestyle ist etwas für Taktikfüchse. „Ich habe meinen Run so aufgebaut, dass ich hoffentlich bei jedem Sprung was drauflegen kann.“ Insbesondere die schiefen Sprünge, die sie seit Pyeongchang nirgends mehr erlebt habe, erfordern besonders Augenmaß. „Die sind eher wie ein Halfpipe-Absprung.“ Auf „Speedkontrolle“ kommt es bei der Flugshow an. „Bei diesem Kurs fährt man nicht komplett gerade, man muss Speed rausnehmen und die richtige Mischung finden.“

Vorhandene Ambitionen abseits des Wettkampf-Snowboardens sind aktuell beiseitegeschoben. Ihr Wettkampfgen ist ausgeprägt. „Es war heuer die ganze Saison voll da. Ich war motiviert bei den Wettkämpfen, habe Spaß gehabt. Ich denke noch gar nicht viel daran, was danach ist.“

Gasser peilt zweite Olympiamedaille an

Im Jetzt ist eine zweite Olympiamedaille nach Gold im Big Air 2018 das Ziel. Im Slopestyle hätte sie etwas nachzuholen. „Auch wenn das die Presse nicht so gesehen hat: Ich habe mir vor vier Jahren gedacht, dass ich eine Medaille mache. Und dann hat es ja gar nicht hingehaut.“ In der viel kritisierten Windveranstaltung blieb Gasser nur Rang 15. „Für mich ist damals eine kleine Welt zusammengebrochen, wie das von den Verhältnissen war.“

Die Peking-Veranstalter bauten nun seitlich vom Kurs als Windschutz die Chinesische Mauer nach. „Wo möchtest du bei windigen Bedingungen sein? Hinter der Mauer, oder? So kommt die chinesische Mauer ins Spiel“, meinte Dirk Scheumann, der CEO von Kursgestalter Schneestern. Gasser sieht Parallelen zu 2018, noch ist sie skeptisch. „Ob die Mauer wirklich hilft – wenn wir springen, sind wir höher, und bei den Kickern hört die Mauer auf –, ist die Frage.“

Anderson übt Kritik an der Piste

Die zweifache Olympiasiegerin Jamie Anderson kritisierte unterdessen die pickelharte Piste. „Du willst da auf keinen Fall hinfallen. Es fühlt sich an wie kugelsicheres Eis“, sagte die 31-jährige US-Amerikanerin und ergänzte, sie habe auf dem Kunstschnee „ängstlich“ trainiert. Prompt schlug am Donnerstag die Japanerin Rina Yoshika schwer auf, blieb kurz regungslos liegen, ehe sie unter Schmerzensschreien abtransportiert wurde. Der Verletzungsgrad der 20-Jährigen ist noch unklar.

Snowboarderin Jamie Anderson (USA)
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Slopestyle-Olympiasiegerin Anderson kritisierte die harte Piste bei Olympia

„Es ist einfach schon gefährlich, wenn es kalt, eisig und windig ist“, sagte Gasser. „Aber wir sind es in unserem Sport gewohnt, Risiken einzugehen, und deshalb habe ich schon eine gewisse Routine, wie ich damit umgehe, wenn ich einmal eingeschüchtert bin.“ Respekt sei auf der gewaltigen Anlage jedenfalls auch von den „Jungs“ zu spüren. „Normalerweise springen die den Kurs gleich.“

Noch gehöre sie „auf jeden Fall zu den Top Ten“ im Slopestyle, stellte sie klar und umriss damit auch den Medaillenanwärterinnenkreis aus ihrer Sicht. Mit der Nummer eins der Welt, Zoi Sadowski Synnott aus Neuseeland, der Australierin Tess Coady und Anderson ist der gesamte WM-Medaillensatz von Aspen 2021 versammelt. Gasser wurde damals Sechste. In Sachen Edelmetall sei sie diesmal Realistin. „Es ist möglich, aber es wird nicht leicht.“