Spielszene eines Eishockeyspiels
Reuters/David W. Cerny
Eishockey

NHL-Rückzieher sorgt für Ausgeglichenheit

Das Turnier der Männer in Peking hätte ursprünglich das Comeback der Stars aus der National Hockey League (NHL) auf der olympischen Bühne sein sollen. Doch das Coronavirus machte dem Plan einen Strich durch die Rechnung. Als Alternative zum Schaulaufen der Superstars dürfen sich die Fans so wie vor vier Jahren auf ein ausgeglichenes Turnier mit konkurrenzfähigen kleineren europäischen Eishockey-Ländern freuen. Als Favorit geht neuerlich Russland ins Rennen.

Zum zweiten Mal hintereinander ist Olympia um einen Starauflauf umgefallen. Im Gegensatz zu Pyeongchang 2018 hatte sich die National Hockey League ursprünglich dazu durchgerungen, eine Pause einzulegen, um ihren Spielern die Olympiateilnahme zu ermöglichen. Kurz vor Weihnachten entschloss sich die NHL aufgrund der Coronavirus-Situation aber doch zur Absage, um die ausgefallenen Spieltage wieder aufzuholen.

Das Fehlen der NHL-Stars schmälert nicht nur die Aussichten von Kanada. Auch Schweden, Finnland, die USA oder Tschechien können bei Weitem nicht in Bestbesetzung antreten. Der Weg zu Gold führt daher neuerlich über die „Sbornaja“, die vor vier Jahren mit Altstars wie Ilja Kowaltschuk und Pawel Dazjuk für Russland den ersten Olympiasieg als eigenständiger Staat holte. 1992 in Albertville gewann man noch als Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Gold. Sechs Olympiasieger von 2018 sind auch wieder dabei, zudem ehemalige NHL-Spieler und mit Wadim Schipatschjow der Topscorer der russisch-dominierten Kontinental Hockey League (KHL), die nach der NHL als beste Liga der Welt gilt.

Spieler der russischen Eishockeynationalmannschaft jubeln
AP/Jae C. Hong
Vor vier Jahren in Pyeongchang beendete die Auswahl Russlands seine lange Durststrecke

Neben Schweden, Finnland und Tschechien wollen auch Kanada und die USA mit einer Mischung aus Routiniers von europäischen Clubs und Toptalenten aus Nachwuchsligen der „Sbornaja“ in den Kampf um die Medaillen eingreifen. Kanada wird vom 37-jährigen Eric Staal angeführt. Der Kapitän hat in 17 NHL-Saisonen über 1.000 Scorerpunkten erzielt und brachte sich in den vergangenen Wochen als Teamkollege von Marco Rossi beim AHL-Club Iowa Wild in Form. Von den Talenten ragt Verteidiger Owen Powers, 2021 die Nummer eins im NHL-Draft, heraus.

Deutschland hofft auf Wiederholung

In Pyeongchang half das Fehlen der NHL-Spieler bei den großen Eishockey-Nationen vor allem Deutschland. Denn die Deutschen nutzten die Gunst der Stunde und stießen bis ins Finale vor. Dort fehlten gegen Russland nur 56 Sekunden zur Sensation. Nach Siegen gegen Schweden (Viertelfinale) und Kanada (Halbfinale) kassierte das DEB-Team im Finale erst in der Schlussminute in Überzahl den Ausgleichstreffer und musste sich in der Verlängerung mit 3:4 geschlagen geben.

Die halbe deutsche Mannschaft von damals bzw. fast das gesamte Team, das im Vorjahr das WM-Halbfinale erreichen konnte, will auch in Peking für Furore sorgen. „Die Jungs sind bereit für den nächsten Schritt, um etwas Großes zu erreichen. Die Hoffnung und das Ziel ist sicherlich, dass wir unter die Top Vier kommen und um Medaillen kämpfen“, legte sich Teamchef Toni Söderholm die Latte hoch.

Auch die Schweiz, der Vizeweltmeister von 2013 und 2018, spekuliert aufgrund der namhaften Ausfälle bei der Konkurrenz mit einer Medaille. In jedem Fall soll es besser laufen als vor vier Jahren. In Südkorea war für die „Nati“ bereits im Achtelfinale Endstation gewesen. „Wir sind nicht nur erfahren, sondern auch spielstark, schnell und robust. Vor vier Jahren litten wir sehr. Nun sind wir bereit, das zu korrigieren“, erklärte Teamchef Patrick Fischer.

Gastgeber setzt auf „falsche“ Chinesen

Ein großes Fragezeichen stand lange hinter der Konkurrenzfähigkeit von Team China. Weltverbandspräsident Luc Tardif hatte im September sogar gemeint, man könnte China wegen des unzureichenden sportlichen Standards vor einer Teilnahme schützen. Erst Anfang Dezember wurde das chinesische Team bestätigt. Durch die NHL-Absage wird die Kluft zwischen dem chinesischen Team und der Konkurrenz nun nicht so groß sein.

Zudem ruhen die Hoffnungen auf Kunlun Red Star. Der Club aus Peking spielt in der KHL mit und stellt das Gros der Mannschaft, in der 19 eingebürgerte Spieler – elf Kanadier, sieben US-Amerikaner, ein Russe – nominiert sind. In der Kaderliste fällt das weniger auf, wurden die Spieler doch großteils mit chinesischen Namen ausgestattet. Aus Jake Chelios, Sohn von US-Verteidigerlegende Chris Chelios, wurde etwa Jieke Kailiaosi, der ehemalige NHL-Torhüter Jeremy Smith heißt nun Simisi Jieruimi.