Chinesische Mitarbeiter in Peking
ORF/Christian Russegger
Hintergrund

Leben im „Closed Loop“ von Peking

Christian Russegger von der ORF-TV-Sportredaktion ist seit zwei Wochen in China, um von den XXIV. Winterspielen in Peking zu berichten. Seine folgenden Eindrücke von den ungewöhnlichsten Olympischen Winterspielen aller Zeiten sind geprägt vom abgeschotteten Leben im „Closed Loop“ mit seinen strengen Vorgaben, aber auch von der Herzlichkeit aller Beteiligten.

„Ni hao.“ – „Hallo.“ Der Tag beginnt mit einem Lächeln, das selbst unter den dicken Schutzanzügen der Damen in der Coronavirus-Teststraße in der Lobby zu erkennen ist. Der täglich vorgeschriebene PCR-Test am Morgen im Hotel in Zhangjiakou gehört mittlerweile zur Routine, so wie Zähneputzen. Man gewöhnt sich an den Rachenabstrich. Alles halb so wild.

Selbst die Ängste vor einem möglichen positiven Ergebnis und der damit verbundenen harten Quarantäne schwinden mit der Zeit. Das Leben im „Closed Loop“, dem geschlossenen Kreislauf also, der eigens für diese ganz besonderen Spiele eingerichtet wurde, erinnert an Science-Fiction. Es gibt Checkpoints und hohe Zäune. Was sich dahinter befindet, kann man nur erahnen.

Kein Kontakt zur Außenwelt

Denn der Kontakt mit der Außenwelt ist strengstens verboten. Unser Spielraum ist begrenzt, sehr begrenzt. Wir befinden uns in einer strikt abgeriegelten „Olympiablase“. Eine unwirkliche Scheinwelt, matrixmäßig. Doch in Zeiten des Coronavirus wohl alternativlos. Und alle, die hier sind, haben sich freiwillig darauf eingelassen.

Aufschrift auf einem Tor
ORF/Christian Russegger
Das Leben bei den Olympischen Spielen in Peking erfolgt in vorgegebenen Grenzen

Die Anziehungskraft von Olympia funktioniert selbst in einem Überwachungsstaat. Olympia „made in China“ bedeutet perfekte Organisation. Olympia in China bedeutet allerdings auch, dass alles, wirklich alles, seine Ordnung haben muss. So ist es verboten, die 100 Meter vom Mountain Press Center zur Sprungschanze zu Fuß zu gehen, weil es dafür eine eigene Buslinie gibt.

Ein Formular für die Frühstücksente

Der Bus fährt dann eine fünfminütige Schleife. Sinnlos, das zu hinterfragen. Es ist, wie es ist. Noch ein Beispiel, wie China funktioniert: das Frühstücksbuffet. Da biegen sich die Tische. Von der Frühlingsrolle bis zur Pekingente ist alles vorhanden, was das Herz begehrt.

Wer so frech ist, Speisen in den Rucksack zu packen, weil die Ente am frühen Morgen möglicherweise zu schwer ist, muss ein Formular unterschreiben und bestätigen, dass alles auf eigene Verantwortung passiert und die Nahrungsmittel ordnungsgemäß gelagert werden.

Ein Buffet für die Teilnehmer der Olympischen Spiele in Peking
AP/Ashley Landis
Das Frühstück bei Olympia bietet alles – wenn man ein Formular hat

Vergleiche mit früheren Winterspielen, mit vollen Rängen und grenzenloser Freiheit, führen zu nichts. Aber wenn man die seltsamen Rahmenbedingungen ausblendet, kann man ihn auch hier spüren, den Geist von Olympia. Langsam nähern wir uns einander an, die Chinesen und wir. Im „Closed Loop“ sind nämlich alle gleich.