Snowboard

Gasser fliegt ohne Druck in neue Sphären

Anna Gasser hat am Dienstag ihren Ehrenplatz in der österreichischen Sportgeschichte fester einzementiert. Die 30-jährige Snowboarderin wiederholte bei den Spielen in Peking mit einem davor noch nie gezeigten Trick ihren Olympiasieg im Big Air und flog damit in neue sportliche Sphären. Trotz zahlreicher Widerstände gelang der Kärntnerin neuerlich der Coup, auch weil sie im Vergleich zum Bewerb 2018 befreit drauflostricksen konnte. „Ich war gar nicht nervös, ich wollte einfach nur mein Bestes geben“, sagte Gasser.

Die Frage, wie dieser Erfolg an jenem 15. Februar 2022 vor der Kulisse der früheren Stahlhütte der Shougang Group in Peking möglich war, beantwortete Gasser immer gleich: „Ich dachte nicht ans Resultat, und deshalb war es mir möglich, diesen Titel zu verteidigen. Ich liebe Snowboarden, liebe den Fortschritt und die Mädels, die mich dazu zwingen, mich weiterzuentwickeln.“ Daher durfte sich Gasser auch vier Jahre nach ihrem Triumph bei der olympischen Premiere des Big-Air-Bewerbes, als sie als große Favoritin am Start gestanden war, als Siegerin feiern lassen.

Ihr eigener Anspruch sei heuer ebenfalls nicht so hoch gewesen wie noch 2018. „Ich wäre auch mit einem zweiten oder dritten Platz glücklich gewesen. Dass die Arbeit nun mit einem Sieg belohnt wird, freut mich so sehr. Die Medaille gehört mir nicht alleine. Wir haben so viele Stunden trainiert und gearbeitet. Alleine und ohne Team geht gar nichts“, sagte Gasser im ORF-Interview, nachdem sie sich mit dem davor in einem Wettbewerb nie gezeigten Cab Double Cork 1260 auf eine Stufe mit den bisherigen österreichischen Doppelolympiasiegerinnen Trude Jochum-Beiser, Petra Kronberger und Michaela Dorfmeister gestellt hatte.

Gassers Sprung zu Gold

Anna Gasser hat im Big Air der Snowboarderinnen wieder die Goldmedaille gewonnen. Die Österreicherin wiederholte am Dienstag bei den Olympischen Winterspielen von Peking ihren Triumph von Pyeongchang 2018. Die Kärntnerin zeigte drei lupenreine Sprünge und fing mit 185,5 Punkten am Ende auch noch die neuseeländische Favoritin Zoi Sadowski-Synnott ab.

Dank Gasser hält Österreich nun bereits bei sechs Goldmedaillen und insgesamt 16-mal Edelmetall in Peking. Dank des ersten Olympiasieges einer Frau bei den Spielen in Chinas Hauptstadt egalisierte die österreichische Abordnung die Goldbilanz von 1992 in Albertville. Auch damals hatte es sechs Olympiasiege für Österreich gegeben. Nur in Turnin 2006 waren es mit neun mehr.

Sieg gegen viele Widerstände

Es war ein Sieg gegen viele Widerstände. Da war die junge Garde um die 20-jährige Slopestyle-Olympiasiegerin Sadowski-Synnott aus Neuseeland, die als Favoritin gegolten hatte und deren Sprung im dritten Versuch misslang. Dazu kam die unberechenbare Großwetterlage dieser Tage im Raum Peking. Denn Schneefall hatte die Anlaufspur verlangsamt, wodurch Gasser ihren späteren Goldsprung im Training nicht auf den Prüfstand stellen konnte. Zum Drüberstreuen musste Gasser auch noch die Verletzung ihres Freundes Clemens Millauer verdauen, der sich im Training den Knöchel gebrochen und beim Goldsprung in der Heimat vor dem Fernsehgerät die Daumen drücken musste.

„Es war heute wirkliches Freestyle-Snowboarden, weil alles sehr spontan entschieden worden ist“, sagte Gasser. Sogar die Dramaturgie ihrer drei Versuche stellte sie um, weil zu Beginn für den Cab Double Cork 1260, einen Sprung mit dreieinhalb Drehungen, noch Gegenwind herrschte. So zeigte die Kärntnerin ihren neuen Trick erst im letzten Versuch und stand diesen perfekt. Mit 95,50 Punkten setzte sie die bis dahin führende Slopestyle-Olympiasiegerin Sadowski-Synnott derart unter Druck, dass diese bei ihrem letzten Sprung alles riskieren musste und die Landung verhaute.

Anna Gasser
APA/AFP/Manan Vatsyayana
Gasser stellte ihr Programm aufgrund der Windverhältnisse kurz vor dem Start noch auf den Kopf

Start 2026 nicht ausgeschlossen

Am Höhepunkt abzutreten, kommt Gasser aber auch dieses Mal nicht in den Sinn. „Es macht mir nach wie vor so viel Spaß und Freude – es ist meine Leidenschaft. Solange ich sehe, dass ich mich weiterentwickle, dass ich besser werde, ist es schwer aufzuhören. Ich sehe, dass meine Tricks heuer besser sind als letztes Jahr“, sagte Gasser, die auch angesichts von unzähligen Verletzungen in ihrer Karriere weiß: „Ich muss natürlich auch gesund bleiben, es kann mit einem Sprung alles vorbei sein.“ Sie wolle nun einfach „freestyle weitermachen“ und nach Lust und Laune entscheiden.

Sogar einen weiteren Olympiastart schließt Österreichs nun vierte Doppelolympiasiegerin – die erste, die nicht aus dem alpinen Skisport kommt – nicht aus. 2026 finden die Winterspiele in Mailand und Cortina d’Ampezzo statt. „Ich wäre so gern einmal in Europa bei Olympischen Spielen. Jetzt war ich in Russland, Korea und China – ist auch schön –, aber dass einmal meine Eltern und Lieben in der Nähe wären und nicht um zwei Uhr in der Früh aufstehen müssen, um meinen Bewerb zu schauen, das wäre der einzige Grund, warum ich es noch einmal durchziehen würde.“ Dann wäre sie 34, im Snowboard-Freestyle ein ambitioniertes, aber machbares Alter. Zumal die frühere Leistungsturnerin erst mit 18 Jahren so richtig aufs Snowboard gekommen ist.

Die 1,67 m große Athletin ist längst ein Weltstar in ihrem Sport. Als Big-Air-Olympiasiegerin 2018, Big-Air-Weltmeisterin 2017, zweifache Freestyle-Gesamtsiegerin (2017, 2021), Weltcup-Seriensiegerin und zweifache österreichische Sportlerin des Jahres (2017, 2018) war Gasser nach Peking gereist. Sie verlässt die größte Sportbühne mit einem weiteren Triumph, der der starken Konkurrenz Respekt abringt. „Sie ist der Grund, warum Snowboarden so krass abgeht und dass es so eine Progression ist“, meinte die deutsche Freestylerin Annika Morgan. „Sie überschreitet immer das Limit, das ist richtig cool zu sehen.“

Snowboard Big Air

Damen

1. Anna Gasser AUT 185,50
2. Zoi Sadowski Synnott NZL 177,00
3. Kokomo Murase JPN 171,50
4. Reira Iwabuchi JPN 166,00
5. Ge Rong CHN 160,00
6. Melissa Peperkamp NED 141,75
7. Jasmine Baird CAN 130,00
8. Laurie Blouin CAN 115,00
9. Tess Coady AUS 114,75
10. Annika Morgan GER 88,00