Big Air Shougang
Reuters/Fabrizio Bensch
Hintergrund

Spiele 2026 sollen nachhaltiger sein

Nach dem Ende der Olympischen Spiele in China droht den Wettkampfstätten in den Bergen nördlich von Peking ein Ende als Milliardengrab. Einige der durchaus spektakulären und extra neu gebauten Anlagen werden die ausländischen Sportler nie wieder sehen. Anders soll es hingegen bei den nächsten Olympischen Spielen 2026 werden, denn Mailand und Cortina d’Ampezzo wollen auf Nachhaltigkeit setzen und kaum neue Wettkampfstätten bauen.

„Es ist sehr wichtig, künftig Weltcups und Weltmeisterschaften in diesen prachtvollen Sportstätten auszutragen. Es ist sehr wichtig, dass China und die internationalen Verbände sich da austauschen“, sagte IOC-Olympiadirektor Christophe Dubi. Doch das Erbe der Spiele wird eher ein nationales. Auf der offiziellen Olympiawebsite findet man für viele Sportstätten dieselbe Zukunft: Trainingsstätte der chinesischen Nationalmannschaft und Touristenort.

Vor allem zwei Wettkampfstätten ragen bei den Neubauten heraus: die Bob- und Rodelbahn in Yanqing sowie die futuristische Schanzenanlage in Zhangjiakou etwa 120 Kilometer weiter westlich. In unmittelbarer Nähe der Schanzen ist auch noch die nagelneue Biathlon-Anlage zu finden. „Der Gigantismus ist wirklich krass. Die Anlagen sind einfach geisteskrank. Die Skisprunganlage – wie riesig, wie heftig das ist“, meinte der deutsche Biathlet Erik Lesser. „Das Stadiongebäude in unserem Biathlon-Stadion ist riesig. Das alles dafür, dass danach hier nichts mehr stattfindet als chinesische Meisterschaften.“

Nationale Biathlon Center in Zhangjiakou, China
Reuters/Kim Hong-Ji
Die Anlage der Biathleten liegt etwa 180 km nordwestlich von Peking

So drastisch könnte es tatsächlich kommen. Zumindest bis 2026 sind viele Weltcups und fast alle Weltmeisterschaften bereits vergeben. Allerdings ist eine Diskrepanz zwischen den durchaus vorhandenen Wünschen der Internationalen Sportverbände und denen der Athleten festzustellen. Viele Sportler sind künftigen Wettbewerben in China eher abgeneigt. Dabei geht es neben politischen und menschenrechtlichen Vorbehalten auch um logistische Themen. China ist für den europäisch zentrierten Weltcup-Zirkus eine wahre Weltreise und ein logistischer Alptraum.

Keine Transparenz bezüglich der Kosten

„Gerne nicht“, sagte der Tiroler DSV-Skisprungtrainer Stefan Horngacher auf die Frage, ob man gerne zurückkommen wolle an die Schanze, die aussieht wie ein gewaltiger Donut. „Es ist ziemlich weit weg und ziemlich kalt hier. Aber wenn’s sein muss, komme ich auch wieder her.“

Nationale Skisprung Center in Zhangjiakou
Reuters/Carlos Garcia Rawlins
Nachhaltig sieht anders aus: Die gigantische Skisprungschanze in Zhangjiakou

Den Wettkampfstätten in den Bergen nördlich von Peking droht ein Ende als Milliardengrab, wie bei vielen anderen Spielen auch. Dabei ist die chinesische Regierung nicht gerade transparent, was die Kosten betrifft. Offiziell ist die Rede von Gesamtkosten von 3,9 Milliarden Dollar für die Spiele. Manche Experten schätzen die Summe allerdings auf das Zehnfache, zumal China offenbar Kosten für Infrastruktur aus der Gleichung nimmt und nur einige der neuen Sportstätten betrachtet.

Wintersport sollte die Chinesen überzeugen

Allein die Projekte am Skisprung- und Biathlon-Standort Zhangjiakou sollen fünf Milliarden Dollar verschlungen haben. Für den Eiskanal in Yanqing variieren die Schätzungen zwischen 170 Millionen für die reine Bahn und 500 Millionen Dollar für das gesamte Objekt. Allein der neue über 300 km/h schnelle Hochgeschwindigkeitszug, der Peking mit den Bergen verbindet, soll neun Milliarden Dollar gekostet haben. 15 Milliarden entfallen Schätzungen zufolge auf neue Autobahnen.

Man darf bei der Kostenrechnung allerdings nicht aus den Augen verlieren, warum China diese Winterspiele wollte. Es ging der Partei um Präsident Xi Jinping nicht darum, der Welt zu gefallen. Es ging auch darum, den Chinesen den Wintersport schmackhaft zu machen und einen bisher nahezu brachliegenden Wirtschaftszweig aufleben zu lassen. Das Potenzial des Marktes wird auf gut 150 Milliarden Euro geschätzt. Aus dem Blickwinkel könnten sich die Investitionen womöglich gelohnt haben. Volkssport dürften Skifahren, Rennrodeln oder Skispringen dennoch nicht werden.

Italien setzt 2026 auf Nachhaltigkeit

Für die nächsten Olympischen Spiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo werden hingegen kaum neue Anlagen gebaut. Nach den künstlichen Spielen von Sotschi, Pyeongchang und Peking will Italien mit Wintersporttradition statt neuer Märkte, bekannte Pisten und Anlagen statt Einwegbauten bei der Olympiarückkehr nach Mitteleuropa überzeugen. Dieser Fokus auf Nachhaltigkeit hat aber seinen Preis, etwa mit extremen Entfernungen zwischen den einzelnen Wettkampfstätten und gleich drei olympischen Dörfern.

Cortina d’Ampezzo in Italien
Reuters/Denis Balibouse
In Cortina d’Ampezzo fand 2021 die alpine Ski-WM statt

Die Events in Norditalien sollten beispielhaft sein für die zukünftigen Olympischen Winterspiele, hofft das IOC. Gemeint ist vor allem die Nutzung bereits vorhandener Wettkampfstätten: Die Skirennfahrer rasen auf den etablierten Weltcup-Strecken von Bormio und Cortina den Berg hinunter, die nordischen Ski-Asse wetteifern in Val di Fiemme. Die Biathleten treten in Antholz an, für Eiskunstlauf wird eine Halle in Mailand bezogen. Die Schlussfeier der Spiele soll in der weltberühmten Arena von Verona steigen. Das antike Amphitheater wurde vor zwei Jahrtausenden von den Römern erbaut – viel nachhaltiger geht es kaum.

Zweifel bleiben

„Es wäre doch absurd, Orte vorzuschlagen, wo es die meisten Anlagen noch gar nicht gibt“, sagte Vanda Bonardo von der Internationalen Alpenschutzkommission (CIPRA). Die Nutzung von meist vorhandenen Anlagen sei zu begrüßen. Im Hinblick auf den Neubau der Bobbahn von Cortina und der Überdachung der Eisschnelllaufbahn in Baselga di Pine aber hat sie „große Zweifel, ob dies wirtschaftlich und umwelttechnisch nachhaltig ist“, wie die Naturschützerin der dpa sagt.

CIPRA rief das IOC und die italienischen Organisatoren im Jänner in einem offenen Brief auf, ihre Olympiapläne anzupassen und etwa den Eiskanal von Innsbruck-Igls für Rodeln, Bob und Skeleton zu nutzen. Die Kunsteisbahn in Tirol ist 400 Kilometer von Mailand entfernt und damit noch weiter als das Biathlon-Zentrum von Antholz mit mehr als 350 Kilometern. Das ist die Kehrseite der Nachhaltigkeitsmedaille: Noch nie waren die wichtigsten Sportstätten bei Winterspielen so weit voneinander entfernt, ein Pendeln dazwischen ist kaum möglich.

Olympia Eiskanal Innsbruck
GEPA/Simona Donko
Der Eiskanal von Innsbruck-Igls könnte 2026 eventuell für die Rodel-, Bob- und Skeleton-Bewerbe genutzt werden

Brignone erwartet keinen olympischen Geist

Das trübt selbst bei Italienern die Vorfreude: Skirennläuferin Federica Brignone sorgte in dieser Woche für Aufsehen mit der Prognose, dass sie in vier Jahren keinen olympischen Geist erwarte bei den zerstückelten Spielen mit der Aufteilung der Sportler auf drei olympische Dörfer. Nicht einmal alle alpinen Skisportler werden an einem Ort sein: Die Männer fahren in Bormio, die Frauen in Cortina.

Wäre bei der Vergabe Stockholm/Aare zum Zug gekommen, so wären die Entfernungen noch größer gewesen: Zwischen den beiden Orten in Schweden liegen mehr als 600 Kilometer. Der Wintersport muss sich auch künftig auf weit verzerrte Spiele einstellen. Barcelona etwa prüft eine Bewerbung für Olympia 2030 mit Bob- und Rodelevents in den französischen Alpen rund 800 Kilometer entfernt. Der Bau einer Eisbahn komme in Spanien nicht infrage.

Logistische und meteorologische Herausforderungen

Dass zu den logistischen Herausforderungen auch noch meteorologische kommen, erschwert die Suche nach Gastgebern. Durch die Folgen des Klimawandels drohen immer mehr Orte auszuscheiden. Jüngst errechnete eine internationale Studie, dass wegen des aktuellen CO2-Anstiegs von den bisherigen 21 Winterspielorten im Jahr 2050 nur noch vier (Lillehammer, Oslo, Lake Placid und Sapporo) auf verlässlich faire Bedingungen hoffen könnten.

Sapporo gehört auch zum Kandidatenkreis für die Spiele 2030. Die Japaner machen sich große Hoffnungen, sind schon tief in den Planungen. Auch Salt Lake City in den USA und das kanadische Vancouver gelten als mögliche Bewerber. Kärnten kann sich eine gemeinsame Bewerbung für 2034 mit Friaul und Slowenien vorstellen. Um angebliche Interessenten aus Buenos Aires, der Ukraine und Georgien ist es hingegen ruhig geworden.