Marcel Hirscher
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Ski alpin

Hirscher hat Zenit noch nicht erreicht

Trotz seiner sieben großen Kristallkugeln ist der Wille von Marcel Hirscher ungebrochen. „Ich habe mein bestes Ich noch nicht erreicht. Es geht nicht mehr viel drüber, aber ein bisschen was geht noch, das spüre ich“, sagte der 29-Jährige am Mittwoch bei einem Sponsortermin in Salzburg.

In ungewöhnlicher Location – der alten Halleiner Saline – gab der weltbeste Skifahrer Einblick in sein Vorbereitungsprogramm auf den Winter. Die Botschaft: Die Grundlage für eine erfolgreiche Skisaison wird jenseits von Bergen und verschneiten Rennstrecken gelegt. Bei einem einstündigen Showtraining, veranstaltet von Hirscher-Sponsor und Sportartikelhersteller Under Armour, präsentierte sich Hirscher bei teils spektakulären Übungen als Paradeathlet.

Der abgelaufene Winter war mit 13 Weltcup-Siegen, zwei Olympiagoldmedaillen (Kombination und RTL), der großen sowie zwei kleinen Kristallkugeln (für den Slalom- und Riesentorlauf-Weltcup) sein bisher bester. „Es war danach wahrscheinlich der optimale Zeitpunkt, um aufzuhören“, erklärte Hirscher. Der Erfolgshunger und die Freude am Skifahren sei aber noch immer groß genug. „Es geht immer schneller, besser, höher, und es muss Spaß machen. Das ist der Antrieb. Wenn ich nicht mehr daran glauben würde, dass es besser geht, dann höre ich auf. Wenn es keinen Spaß mehr macht, höre ich auf.“

Zehn gute Trainingstage zur Perfektion

Im Vorjahr trübte Hirschers finale Saisonvorbereitung noch eine Knöchelverletzung. Heuer hat er vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden am 28. Oktober bereits sechs „sehr gute“ Tage am Gletscher hinter sich. Dass er zehn gute Tage Schneetraining brauche, „um halbwegs an das alte Niveau heranzukommen“, könnte auch als Ansage an die Konkurrenz gedeutet werden. Er müsse aber auch ständig besser werden. „Die anderen ziehen immer nach. Es ist die Kunst, wieder ein Stück nachzulegen.“

Marcel Hirscher
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Die Trophäensammlung von Hirscher könnte im anstehenden Winter noch einmal anwachsen

Längst geht es für den Perfektionisten Hirscher wieder darum, die beste Abstimmung zwischen Ski, Schuh und Läufer herauszutüfteln. „Das Potenzial im Materialsektor ist unerschöpflich. Wenn man in den 1980er Jahren in der Formel 1 den Glauben verloren hätte, dass man die Autos noch schneller machen kann, dann würde es die Boliden in der heutigen Form nicht geben. So ist es bei uns auch. Wir im Team sind der Meinung, dass es noch schneller geht.“

Qualität vor Quantität als Erfolgsrezept

Mit flexibler Trainings- und Wettkampfsteuerung plant der Technikspezialist seine nächsten Coups. Ein „strikter, militärischer Trainingsplan“ ist für ihn die „Hölle“. An schönen Tagen wird das Fitnessprogramm kurzerhand ins Freie verlegt. Hirscher ist ein Trainingsweltmeister, der Perfektion auch von seinem Umfeld einfordert. Da muss selbst das Wetter mitspielen. Als es am Dienstag nicht gut aussah, zog er frühzeitig die Handbremse, das Gletschertraining wurde abgebrochen. „Ich kann nur besser werden, wenn ich einen Reiz setzen kann. Das geht nur bei optimalen Bedingungen.“

Ein Teil seines Erfolgsrezepts lautet Qualität vor Quantität – auch im Training. Eines will er in elf Jahren Weltcup gelernt haben: „Sesselliftfahren bis dir schwindlig wird, bringt nichts.“ Das Nordamerika-Rennen in Beaver-Creek auszulassen sei noch immer eine Option. „Daran überhaupt zu denken, wäre vor ein paar Jahren unmöglich gewesen. Aber wenn ich das Gefühl haben sollte, nicht so weit zu sein, dann lasse ich es aus.“

Der inzwischen 29-Jährige wirkt gelöst, wenn er über Motivation und Ziele für die kommende Saison spricht. „Ich habe nicht mehr das Gefühl, zu müssen. Ich muss niemandem beweisen, dass ich Skifahren kann. Und ich bin darüber hinweg, es mir selbst beweisen zu müssen.“ Nach dem Gewinn der siebenten Gesamtweltcup-Kugel habe sich sein Leben nicht verändert. „Ich bin noch immer der gleiche Marcel. Es wird meine Karriere auch nicht verändern, ob ich jetzt noch eine Kugel gewinne, oder nicht.“