Shakehand zwischen Milos Raonic und Jürgen Melzer
GEPA/Walter Luger
Tennis

Melzer trumpft gegen Raonic auf

19 Jahre nach seiner Premiere absolviert Jürgen Melzer in diesen Tagen bei den Erste Bank Open in Wien sein letztes Tennisprofiturnier im Einzel. Doch statt der vermeintlichen Abschiedsvorstellung lieferte der 37-Jährige am Montag eine Sensation ab. Melzer bezwang den Weltranglisten-22. Milos Raonic aus Kanada mit 7:6 (8/6) 7:5.

Der Niederösterreicher zeigte sich bei seinem völlig unerwarteten Triumph von seiner besten Seite. „Gegen Raonic bist du oft nur Passagier. Wenn der gut serviert, schaust halt sehr oft zu“, hatte Melzer vor dem Match gesagt. Doch diesmal hatte der Österreicher, im ATP-Ranking mittlerweile auf Platz 426 abgerutscht ist, das richtige Rezept gegen den eindimensional spielenden Kanadier und agierte wie zu seinen besten Zeiten, vielleicht sogar besser, weil er nur sehr wenige Eigenfehler beging.

Kaum in Worte zu fassen

„Es ist schwierig, Worte zu finden. Es war vielleicht spielerisch nicht das beste Spiel, aber unglaublich schön", meinte Melzer in einer ersten Stellungnahme im ORF. „Ich habe von Anfang gemerkt: ‚Außer aufschlagen tut der heute nicht viel‘, und ich habe gewusst, wenn ich meinen Aufschlag halten kann, dann kann er mir nichts tun“, meinte Melzer über sein Duell mit dem Aufschlagsspezialisten Raonic.

Melzer hat noch nicht genug

Die Einzelkarriere von Jürgen Melzer geht weiter: Der 37-Jährige setzt sich in der Wiener Stadthalle gegen den Kanadier Milos Raonic in zwei Sätzen mit 7:6 (8/6) und 7:5 durch.

Die Befürchtungen seiner Fans und der meisten Zuschauer in der Stadthalle, darunter seine Eltern und Ehefrau Fabienne (die ehemalige Spitzenschwimmerin Nadarajah, Anm.) und viele Wegbegleiter, es könnte der letzte Auftritt auf der großen Tennisbühne sein, teilte er nicht. „Wenn man im Match drinnen ist, denkt man nicht ans Genießen. Ich habe keine Gedanken daran verschwendet, dass das heute mein letztes Match sein könnte.“

Melzer findet seinen Rhythmus

Der Routinier des Österreichischen Tennisverbands (ÖTV), der 2012 in Memphis beim vierten seiner fünf ATP-Turniersiege im Endspiel Raonic bezwungen hatte, war zu Beginn bei den starken Aufschlagspielen des Kanadiers nur in einer Zuschauerrolle, hielt aber mit seinem Service immer mit. Mit der Fortdauer des ersten Satzes schien sich Melzer jedoch „frei zu spielen.“

Auch ihm gelang ein Zu-null-Spiel, in dem er sogar seinen „Signature Shot“, den Grundlinienstoppball, unterbrachte. Raonic ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken und legte ein weiteres Love-Game nach. Doch dann, beim Stand von 5:5 und nach 29 Minuten, war es so weit: Mit einem herrlichen Rückhandreturn gelang Melzer sein erster Punkt bei Service Raonic.

Tiebreakkrimi an den Lokalmatador

Das war so etwas wie der Knackpunkt der Partie. Melzer hatte Raonic zum Nachdenken gebracht und hielt dem großen Druck stand. Mit etwas Bauchweh und via Einstand erreichte Melzer das Tiebreak, in dem er sich gleich ein Minibreak sicherte. Der Paris-Halbfinalist von 2010 schaffte sogar das 2:0, kassierte dann aber das Rebreak. Dieses Spielchen wiederholte sich zwei weitere Male, bei 5:5 erarbeitete sich Melzer dann seinen ersten Satzball, der abgewehrt wurde.

Melzer holt Satz eins im Tiebreak

Jürgen Melzer sichert sich den ersten Durchgang gegen Milos Raonic im Tiebreak.

Melzer riskierte in der Folge alles, setzte Raonic einen hauchdünn über die Netzkante gespielten Return vor die Füße und holte sich mit dem nachfolgenden Longline-Passierball das 7:6 und den zweiten Satzball – diesmal mit eigenem Aufschlag. Diese Chance ließ sich der Linkshänder nicht entgehen. Nach 50 Minuten wies ihn die Anzeigetafel als 7:6-Gewinner des ersten Durchgangs aus. „Jürgen, Jürgen“-Rufe des begeisterten Publikums waren der Lohn für die konzentrierte Leistung des Lokalmatadors.

Konzentration lässt nach

Nach dieser emotionalen Hochschaubahn gingen es beide Akteure in den nächsten Games etwas ruhiger an, wobei Melzer zwischendurch mit einem perfekten Lob über den 1,96-m-Mann Raonic für ein Glanzlicht sorgte. Bei 1:2 ließ sich der gebürtige Montenegriner am lädierten rechten Fuß behandeln, um danach locker auf 2:2 zu stellen. Melzer war im nächsten Game kurz nicht voll konzentriert, prompt stand es 30:40. Doch mit drei Punkten hintereinander holte er sich das 3:2.

Milos Raonic im Spiel gegen Jürgen Melzer
APA/Hans Punz
Milos Raonic gingen mit Fortdauer des Spiels immer mehr die Ideen und die Luft aus

Jetzt war es Raonic, der offenbar mit Konzentrationsschwierigkeiten zu kämpfen hatte und mit einem Breakball Melzer eine Chance zum Break eröffnete. Aber auch er zog sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf und stellte auf 3:3. Melzer erhöhte sodann auf 4:3, wobei er die nächste Breakchance abzuwehren hatte, ehe Raonic ein Zu-null-Game einstreute und in der Ass-Bilanz auf 17:3 erhöhte.

Endspurt von Melzer

Doch bei 5:6 zeigte Melzer seine gesammelte Routine aus 19 Jahren Spitzentennis. Er hielt den Ball immer wieder geschickt im Spiel und wartete auf die Fehler des Kanadiers. Diese kamen prompt, und nach 1:39 Stunden gab es zwei Matchbälle. Gleich der erste saß: Ein Grundlinienschlag des Weltranglisten-22. landete im Out. Damit verlängerte Melzer seine Abschiedstour am Vogelweidplatz zumindest um ein Match.

Noch nicht die Zeit zum Partymachen

An eine Feier nach seinem Überraschungserfolg wollte Melzer nicht denken: „Solange ich noch im Turnier bin, passt eine Party nicht rein." Auch eine mögliche Fortsetzung seiner Einzelkarriere aufgrund der glanzvollen Vorstellung war für den 37-Jährigen kein Thema: „Ich glaube, dass es der richtige Moment ist, aufzuhören. Wer weiß, ob ich nächstes Jahr noch auf diesem Niveau spielen kann. Und ich wollte immer mein letztes Spiel in Wien bestreiten."

Jürgen Melzer im Spiel gegen Milos Raonic
APA/Hans Punz
Melzer erwischte nicht nur einen besonders guten Tag, sondern im richtigen Augenblick auch die Bälle des Gegners

Die Gegner in Wien werden jedoch nicht leichter. Im Achtelfinale geht es gegen den als Nummer zwei gesetzten Kevin Anderson. Gegen den Südafrikaner hatte Melzer 2011 in Wien im Viertelfinale verloren. „Kevin Anderson spielt von hinten besser heraus als Raonic. Da reicht so eine Leistung wie heute nicht“, sagte Melzer.

ATP-500-Turnier in Wien

(Österreich, Hartplatz)

Erstrundentableau:
Dominic Thiem (AUT/1) Ruben Bemelmans (BEL) 7:5 7:6 (7/5)
Sam Querrey (USA) Jo-Wilfried Tsonga (FRA) 6:3 3:6 6:3
Karen Chatschanow (RUS) Dennis Novak (AUT) 6:3 7:5
Kei Nishikori (JPN/5) Frances Tiafoe (USA) 7:6 (7/3) 5:7 6:2
Michail Kukuschkin (KAZ) Grigor Dimitrow (BUL/3) 6:4 4:6 6:4
Andrej Rublew (RUS) Denis Kudla (USA) 7:6 (7/3) 6:0
Marton Fucsovics (HUN) Felix Auger-Aliassime (CAN) 1:6 6:0 7:5
Fabio Fognini (ITA/7) Damir Dzumhur (BIH) 6:4 6:3
Kyle Edmund (GBR/8) Diego Schwartzman (ARG) 6:3 7:6 (7/3)
Fernando Verdasco (ESP) Pierre-Hughues Herbert (FRA) 6:7 (6/8) 6:3 6:4
Gael Monfils (FRA) Steve Johnson (USA) 4:6 6:3 6:2
John Isner (USA/4) Cameron Norrie (GBR) 6:7 (1/7) 6:4 7:6 (9/7)
Borna Coric (CRO/6) Albert Ramos-Vinolas (ESP) 6:7 (5/7) 6:0 6:4
Lucas Pouille (FRA) Philipp Kohlschreiber (GER) 6:4 6:7 (5/7) 6:4
Jürgen Melzer (AUT) Milos Raonic (CAN) 7:6 (8/6) 7:5
Kevin Anderson (RSA/2) Nikolos Basilaschwili (GEO) 4:6 7:6 (8/6) 6:3