Boli Bolingoli und Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer
GEPA/Christian Ort
Europa League

Hoffnung statt „Herzstich“ für Rapid

Kein Tor erzielt, auf den letzten Platz zurückgefallen – und dennoch ist man bei Rapid nach der Nullnummer gegen Villarreal am vierten Europa-League-Spieltag zufrieden. Das Rückspiel nach dem 0:5-Desaster in Spanien hat nicht nur die Tür zum Sechzehntelfinale, sondern auch andere Perspektiven geöffnet.

Die Schlüsselszene des Spiels ereignete sich am Donnerstag knapp vor 20.55 Uhr: In der fünften Minute der Nachspielzeit brachte Villarreal-Rekordeinkauf Karl Toko Ekambi den Ball scharf und platziert in den Fünfmeterraum von Rapid zu den einschussbereiten Teamkollegen. Unter Aufbietung der letzten Kräfte und in unfreiwilliger Teamarbeit bewahrten Mert Müldür und Marvin Potzmann mit einer Grätsche und einer Rettungsaktion Rapid vor dem 0:1. Sekunden später stand das Unentschieden fest – und im Weststadion atmeten 22.100 Zuschauerinnen und Zuschauer kollektiv auf.

„Dieses Tor hätte uns echt erwischt. Das wäre ein Herzstich gewesen“, sagte Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer im Anschluss an sein erstes Europa-League-Heimspiel als Rapid-Trainer. „Was dann in den Köpfen passiert wäre, die Jungs danach wieder aufzurichten, das wäre ganz schwierig geworden.“ Weil der Treffer aber ausblieb, ist Rapid nicht nur zum zwölften Mal in Folge in der Europa-League-Gruppenphase zu Hause ungeschlagen geblieben. Die Hütteldorfer können in den letzten beiden Spielen bei Spartak Moskau (29. November) und daheim gegen die Glasgow Rangers (13. Dezember) nunmehr aus eigener Kraft den Einzug in die K.o.-Phase schaffen – und das, obwohl sie in der Tabelle von Gruppe G auf den vierten und letzten Platz abrutschten.

Veton Berisha und Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer
GEPA/Christian Ort
Rapid-Trainer Kühbauer sah seine Anweisungen umgesetzt: „Ein großes Lob an die Mannschaft.“

Angesichts der sportlichen Misere mit Platz sieben in der Bundesliga und der desolaten Darbietung beim 0:5 im Hinspiel in Villarreal waren Leistung und Ergebnis im Weststadion Balsam auf die geschundenen Seelen der Rapid-Spieler. „Nach vier Matches in der Gruppenphase noch die Möglichkeit zu haben aufzusteigen, das ist natürlich wunderbar“, freute sich etwa Rapid-Kapitän Stefan Schwab. Dass das 0:0 eines der attraktiveren torlosen Spiele war, führte er auf die durchaus offensive Spielweise der in der Fremde antretenden Spanier zurück. „Das haben wir so nicht erwartet. Auch nicht, dass sie so robust und aggressiv draufgehen.“

Rapid wahrt Aufstiegschance

Dank des torlosen Remis gegen Villarreal hat Rapid den Aufstieg in der eigenen Hand. Trainer Dietmar Kühbauer zeigt sich zufrieden und will die Leistung seines Teams in der Bundesliga bestätigt sehen.

Mehr Mut und das „Aufnehmen freier Räume“

Kühbauer sah in den beiden Spielhälften zwei Gesichter seiner Elf: „In der ersten hatten wir noch zu viel Respekt“, sagte der Burgenländer. In der Kabine sei dann „das ein oder andere“ besprochen worden. Ergebnis: „Mit dem Anpfiff zur zweiten Hälfte waren wir viel mutiger. Wir hatten Möglichkeiten zur Führung. Dann war es ein Hin und Her. Ein großes Lob an die Mannschaft. Es war echt eine Topleistung.“ Neben der in dem einen oder anderen Ligaspiel fehlenden kämpferischen Einstellung sei aber auch taktisch das umgesetzt worden, was in der Pause besprochen wurde. „Wir haben gewusst, Mut alleine ist es nicht“, so Kühbauer, „wir haben über Verlagerungen versucht, die Räume besser aufzunehmen.“

Eine Erkenntnis, die auch Schwab in seiner Analyse bestätigte. Das Team komme mit dem wieder gespielten 4-2-3-1-System am besten zurecht – vor allem, wenn der Gegner ebenfalls am Spiel teilhaben möchte und sich nicht auf das bloße Verhindern von Toren verlegt. „Wenn sich nicht jeder erwartet, dass man den Gegner an die Wand spielt, und man sie auch einmal kommen lassen kann, dann spielt uns das in die Karten.“

Banner im Rapid-Fansektor
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Die Rapid-Fans gedachten eines historischen Aufstiegs von 1968 und prophezeiten Villarreal einen Abend ohne Torerfolg

Der harte Kern der Anhänger gedachte in seiner Choreografie im „Block West“ unterdessen anlässlich des Europacup-Spiels gegen ein spanisches Team eines historischen Sieges. Im November 1968 wurde Real Madrid im Meistercup im Wiener Praterstadion mit 1:0 bezwungen. Die Hütteldorfer zogen damals nach einem 1:2 im Rückspiel in Madrid ins Viertelfinale ein. Und obwohl diesmal der Gegner weder Real Madrid hieß noch ein Sieg geholt wurde, sollten die Rapid-Fanclubs mit ihrem riesigen Transparent zumindest teilweise recht behalten, schließlich glückte wie vor 50 Jahren zu Hause ein Zu-Null: „Sie beißen auf Granit – wie einst Real Madrid.“