Das Tiebreak war notwendig geworden, weil die aktuell besten zwei Schachspieler der Welt in den zuvor zwölf Runden mit klassischer Bedenkzeit jeweils remis gespielt hatten. Carlsen, der mit einer Elo-Zahl von 2.880 die klare Nummer eins im Schnellschach (25 Minuten Bedenkzeit pro Spieler) ist, wurde in der Entscheidung seiner Favoritenrolle gerecht, auch weil Caruana – mit fast 100 Punkten Rückstand nur die Nummer acht der Welt im Schnellschach – entscheidende Fehler machte.
Den aus seiner Sicht drohenden Umsturz wendete Carlsen zwei Tage vor seinem 28. Geburtstag überraschend deutlich ab. „Ich bin sehr glücklich. Das war ein sehr, sehr guter Tag heute in der Arbeit“, sagte Carlsen in einer ersten Reaktion. Caruana geriet gleich in der ersten Partie ins Hintertreffen. Carlsen war mit Weiß am Drücker, als sich der amerikanisch-italienische Doppelstaatsbürger unter Zeitnot einen Fehlgriff leistete. Nach 55 Zügen gab Caruana auf.
Zweite Partie bereits nach 28 Zügen zu Ende
Der Herausforderer war danach zu offensivem Spiel gezwungen und lief prompt in einen Konter. Die Großmeister wiederholten die gleiche Variante aus der zwölften Partie mit klassischer Bedenkzeit. Caruana ging mit einem Bauernvorstoß Risiko ein, der diesmal mit Schwarz spielende Carlsen parierte glänzend. Bereits nach 28 Zügen musste Caruana Carlsen zur 2:0 Führung gratulieren.
Zum Schluss gewann der Norweger nochmals mit Weiß, auch weil Caruana mit unkonventionellen Zügen großes Risiko ging, aber nie Druck aufbauen konnte. Der Titelverteidiger verlor wie am ganzen Schlusstag nie die Kontrolle.
Caruana enttäuscht, aber sportlich
Die Machtdemonstration machte auch klar, warum Carlsen in der letzten Partie mit klassischer Bedenkzeit für viele überraschend ein Remis angeboten hatte. Als ihm in der dritten Partie des Tiebreaks schon ein Unentschieden reichte, zog er noch einmal alle Register und führte seinen Gegner praktisch vor. Caruana war enttäuscht, nahm die Niederlage aber sportlich. „Das Ergebnis zeigt, dass er der stärkste Spieler der Welt ist, er ist Weltmeister, daher passt es“, meinte der Amerikaner.
Die WM verlief von Beginn an sehr ausgeglichen. In fast allen Partien neutralisierten sich die Kontrahenten und teilten sich ohne große Aufreger den Punkt. Es gab aber auch Momente, in denen das Match einen ganz anderen, viel dramatischeren Verlauf hätte nehmen können. Gleich zum Auftakt verpasste Carlsen mit Schwarz mehrere Chancen zum Sieg. Es war ein großer Kampf und ein Marathon mit sieben Stunden Spielzeit und 115 gespielten Zügen. Danach scheuten beide Spieler das Risiko.
Carlsen seit 2013 Weltmeister
Carlsen hatte den WM-Titel erstmals 2013 in Chennai gegen den Inder Viswanathan Anand gewonnen und ihn seither verteidigt. Schon 2016 in New York musste der Norweger gegen den Russen Sergej Karjakin ins Tiebreak und setzte sich dort mit 3:1 durch. 2014 bei der Titelverteidigung in Sotschi gegen Anand hatte er nach elf Partien im klassischen Schach mit 6,5:4,5 gewonnen. Der Preisfonds bei der WM in London betrug eine Million Dollar (rund 880.000 Euro). Sieger Carlsen bekommt 550.000 Dollar (rund 485.000 Euro) Preisgeld, Cuarana 450.000 Dollar (rund 395.000 Euro).