Darts-Profi Mensur Suljovic bei einer Pressekonfernez in Wien
ORF.at/Carina Kainz
Darts

Suljovic und der Respekt vor der WM

Für Österreichs Darts-Aushängeschild Mensur Suljovic steht der Höhepunkt des Jahres unmittelbar bevor. Von 13. Dezember bis 1. Jänner steigt im Alexandra Palace in London die 26. Ausgabe der PDC-Weltmeisterschaft. Für den 46-jährigen Wiener ist es bereits die zehnte WM-Teilnahme. Das Ziel ist dabei klar definiert: erstmals ins Viertelfinale kommen.

Das Motto für die WM, die für Suljovic am 20. Dezember mit dem Zweitrundenduell gegen Ryan Searle (ENG) oder Stephen Burton (ENG) beginnt, lautet neuer Anlauf, neues Glück. Allerdings nimmt Suljovic das wichtigste Turnier des Jahres auch mit einem alten Problem in Angriff. „Leider war die WM bisher immer mein schlechtestes Turnier. Dort muss und will man etwas erreichen. Und mit diesem Druck muss man umgehen können, da gibt es leider eine Blockade bei mir im Kopf. Das macht mir Sorgen“, erklärte Suljovic.

Bisher ist er dreimal im Achtelfinale (2011, 2016, 2017) gestanden. Der große Wurf ist noch ausgeblieben. Mit den Erfolgen der letzten Jahre sind allerdings auch die Ansprüche von „The Gentle“ gewachsen. „Wenn ich unter die Top Acht komme, dann ist mein Ziel erreicht. Ich will meinen Weltranglistenplatz (Nummer sieben im PDC-Ranking, Anm.) bestätigen. Wenn es mehr wird, sage ich auch aber nicht nein“, erklärte Suljovic, der seine bisherige Saison als „sehr gut“ bezeichnete.

„Die WM ist eine komplett andere Welt“

An Routine und Erfahrung mangelt es dem Wiener mittlerweile nicht mehr. 2017 gewann er mit der Champions League of Darts seinen ersten Grand-Slam-Titel, 2018 musste er sich in Blackpool beim World Matchplay, dem zweitwichtigsten Turnier des Jahres, erst in einem dramatischen Finale dem Schotten Gary Anderson geschlagen geben. In Gelsenkirchen gewann er vor der Weltrekordkulisse von über 20.000 Fans das German Masters und in Kopenhagen die Danish Open.

Mensur Suljovic
APA/Hans Punz
Mensur Suljovic hofft bei der WM auf die Lockerheit wie bei normalen Turnieren

Trotzdem flößt Suljovic das Umfeld der Weltmeisterschaft noch immer Respekt und Ehrfurcht ein. „Meine Erfolge habe ich immer im Kopf, dass ist ja ganz normal. Aber die WM ist eine komplett andere Welt für mich. Da bin ich immer unter Druck. Ich will Darts und mich von einer guten Seite präsentieren, denn es schaut die ganze Welt zu. Es wird einfach mehr berichtet. Ich weiß, dass die Top Ten Leistung bringen müssen. Das erwartet sich jeder“, erklärte Suljovic seine Problematik.

Mentalcoach soll Abhilfe schaffen

Um den Knopf im Kopf zu lösen, arbeitet der zweifache Familienvater auch mit einem neuen Mentalcoach zusammen. „Ich hoffe, dass er mir einen Trick zeigt und eine Lösung für mein Problem hat. Ich habe keine“, sagte Suljovic, der auch darauf hinwies, dass beim Darts eine mentale Stärke das Um und Auf ist. „Wir trainieren alle fünf, sechs Stunden. Die Jungen trainieren sogar noch mehr, aber 80 Prozent spielen sich bei uns im Kopf ab“, ist der Wiener überzeugt. Daher könne man eine WM im Vorfeld auch nicht simulieren.

Die Erfolgsfaktoren sind Konzentration und Fokussierung. Deshalb erwartet Suljovic nach dem Überraschungscoup des englischen Debütanten Rob Cross bei der letzten WM diesmal wieder einen Favoritensieg. „‚Ally Pally‘ ist einmalig. Wenn es keine WM wäre, würde ich sagen, dass jeder eine Chance hat. Aber es ist die WM, und da wird sich einer von den Großen durchsetzen, weil sie mit dem Druck umgehen können und die Erfahrung haben. Michael van Gerwen und Gary Anderson stehen für mich ganz oben“, erklärte der Wiener.

Hoffen auf mehr Wertschätzung

Trotz aller Selbstzweifel freut sich Suljovic auf den Showdown der besten Dartsspieler der Welt. „Das Turnier ist top organisiert. Wir haben super Hotels und können dort auch im Zimmer trainieren. Ich brauche vier, fünf Stunden Training vor einem Spiel, bis ich komplett in meinem Fokus bin und an nichts anderes denke“, erklärte der 46-Jährige, der ohne Familie erst einen Tag vor seinem Auftaktspiel anreist, um der Hektik zu entgehen und im Rhythmus zu bleiben. Die Tage und Wochen davor sind geprägt von intensivem Training.

In diesem Zusammenhang hofft Suljovic, dass die Wertschätzung für seinen Sport weiter steigt. Denn der Aufwand, den ein Profi betreiben muss, ist enorm. „Ich habe leider schlechte Erfahrungen gemacht. Die Leute erzählen mir immer, ich habe auch Darts gespielt und zwei Bier dabei getrunken. Das ist leider nicht Darts. Die Leute wissen nicht, wie viele Stunden wir trainieren, wie viel Konzentration und Disziplin dahinter steckt. Wir müssen viel opfern. Es ist ein riesiger Unterschied zwischen einem Hobbyspieler und einem Profi“, betonte Suljovic.

Darts-Profi Mensur Suljovic bei einer Pressekonfernez in Wien
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Einen WM-Titel hat Mensur Suljovic schon: 1999 gewann er in Kalkar die Weltmeisterschaft im E-Darts

400 Euro für Turniersieg in Dortmund

Dem Kampf gegen die Vorurteile steht die stetig wachsende Fangemeinde des Präzisionssports gegenüber. Darts boomt und gedeiht. „Ich hätte mir ehrlich nicht gedacht, dass Darts so an Popularität gewinnt. Mir hat es immer Spaß gemacht, und ich habe immer weiter gemacht. Aber dass es so wird, hätte ich nie geglaubt“, sagte Suljovic, der sich an „wirklich schlechte Preisgelder“ zu Beginn seiner Karriere erinnert. „Ich habe damals die Dortmund Open mit an die 2.000 Teilnehmer gewonnen und dafür 400 Euro bekommen.“

Mittlerweile beträgt die WM-Dotation 2,5 Millionen Pfund. Ein Fünftel davon streift der Sieger ein, der aus 96 Teilnehmern aus 28 Nationen ermittelt wird. Auch zwei Frauen stehen im Hauptfeld. Lisa Ashton (ENG) gibt ihr Debüt, Anastasia Dobromislowa (RUS) tritt zum zweiten Mal nach 2009 an. Suljovic steht dem eher skeptisch gegenüber. „Aber das ist nicht meine Entscheidung. Es ist ein netter Versuch. Ich habe absolut kein Problem damit, dass sie auch die Möglichkeit bekommen. Sie spielen super Darts, aber es wird sehr schwierig für sie.“

„Immer eine unglaubliche Spannung“

Schwierigkeiten, die Faszination Darts zu beschreiben, hat Suljovic indes nicht. Die im April 61-jährig verstorbene Darts-Legende Eric Bristow hat einmal gesagt, dass Darts wie vier Stunden Elfmeterschießen am Stück sei. Ein Zitat, dem „The Gentle“ nur zustimmen kann. „Es ist immer eine unglaubliche Spannung. Ein Spiel kann sich wegen einem oder zwei Darts entscheiden. Du ärgerst dich bei einem Fehlwurf, der Gegner bekommt einen Lauf. Man kann sich einfach nie sicher sein, wer gewinnt“, meinte Suljovic.

Mensur Suljovic
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Der Einmarsch auf die Bühne ist für Mensur Suljovic immer ein besonderer Moment

Er selbst machte erst vor Kurzem diese bittere Erfahrung, als er beim Grand Slam of Darts im Semifinale gegen Gerwyn Price eine 10:5-Führung verspielte und noch 12:16 verlor. Der Waliser ist bekannt für seine teils übertriebenen Emotionen. So verweigerte Anderson dem siegreichen Price nach dem Finale auch den Handschlag. „Gewisse Tricks hat jeder Spieler, aber Price macht das wirklich extrem. Das muss ich so sagen. Es darf halt nicht sein, dass man die Konzentration verliert. Wenn er es schafft, dich zu provozieren, hat er gewonnen.“

Baldiger Rücktritt ist nicht in Sicht

Positive Energie in Hinblick auf die Weltmeisterschaft ruft beim Wiener indes die Erinnerung an das gegen Anderson nach einer Aufholjagd noch mit 19:21 verlorene Finale in Blackpool hervor. „Nach meinem Krampfspiel im Semifinale gegen Peter Wright hat jeder geglaubt, dass ich gegen Gary keine Chance haben werde. Es war ein Hin und Her, ein wirklich wunderschönes Finale“, schwärmte Suljovic.

Genau wegen solcher Momente hat der Wiener noch lange nicht vor, in den sportlichen Ruhestand zu treten. „Solange ich unter den Top 32 bin, stellt sich für mich die Frage nicht. Da bleibe ich zu 100 Prozent dabei“, sagte Suljovic. „Ich möchte nur keine Qualifikation spielen, da muss man zwei Tage vorher anreisen. Das will ich meiner Familie nicht antun“, schränkte er ein. Mit dieser Ansage dürfen die Fans noch auf viele WM-Teilnahmen des 46-Jährigen hoffen. Und irgendwann wird auch der Druck der Gelassenheit weichen.