Tom Brady
AP/Charles Krupa
NFL

Wenn der Winter eine Hauptrolle spielt

Die heiße Phase der National Football League (NFL) geht traditionell bei tiefen Temperaturen über die Bühne. Am Sonntag könnte es im Semifinale zwischen den Kansas City Chiefs und New England Patriots dank arktischer Minusgrade besonders ungemütlich werden. Erinnerungen an Klassiker der Play-off-Geschichte werden wach.

Erstmals seit der Eröffnung 1972 findet am Sonntag im Arrowhead Stadium von Kansas City das Championship Game der American Football Conference (AFC) statt. Und es könnte das kälteste Heimspiel in der Geschichte der Chiefs werden. Die Wetterprognosen gehen von einer Temperatur von minus 18 Grad Celsius beim Ankick um 18.40 Uhr Ortszeit aus. Mit Wind könnte sich die ganze Sache noch deutlich kälter anfühlen.

Spiele bei kaltem Wetter sind in der NFL keine Seltenheit – kein Wunder, ist der Spielplan doch von Anfang September bis Anfang Februar angesetzt. Die prognostizierten frostigen Verhältnisse versprechen aber zumindest wieder ein spannendes Spiel. Denn in der Vergangenheit waren Play-off-Partien bei arktischen Temperaturen nichts für schwache Nerven.

Fans bei Seattle Seahawks gegen Minnesota Vikings, Jän. 2016
AP/Jim Mone
Die Zuschauer müssen sich am Sonntag in Kansas City, so wie hier 2016 in Minnesota, warm anziehen

Ein legendärer Gefrierschrank

Das von den Lufttemperaturen bisher kälteste Spiel der NFL-Geschichte wird der AFC-Showdown am kommenden Sonntag wahrscheinlich nicht an der Spitze der Statistik ablösen. Bei der „Ice Bowl“ 1967, dem Championship Game der NFL zwischen den Green Bay Packers und den Dallas Cowboys im Lambeau Field von Green Bay, sank die Quecksilbersäule am Silvestertag auf minus 26 Grad Celsius ab. Dank starker Windböen fühlte es sich wie minus 44 Grad an.

Den Schiedsrichtern und Musikanten froren die Pfeifen bzw. Blechinstrumente an den Lippen an. Mehrere Personen mussten wegen Erfrierungen oder Unterkühlung behandelt werden. Cowboys-Coach Tom Landry hingen laut Augenzeugen kleine Eiszapfen aus den Nasenlöchern. „Es war, als ob man in einem Gefrierschrank gesessen wäre“, so der damalige Packers-Fullback Chuck Mercein. Dallas-Spieler Walt Garrison fühlte sich „wie auf einem gefrorenen Teich“, nachdem das von der Rasenheizung aufgetaute Gras nach Entfernen der Abdeckplane schockgefrostet worden war.

Dez. 31, 1967: Dallas Cowboys gegen Green Bay Packers
AP
Die „Ice Bowl“ von 1967 ist eines der, wenn nicht das berühmteste Football-Spiel der Geschichte

Nicht nur die Verhältnisse, sondern auch der Spielverlauf war dramatisch. Dallas führte im vierten Viertel mit 17:14 und sah bereits wie der sichere Sieger aus. Doch Quarterback Bart Starr führte mit 4:50 Minuten auf der Spieluhr die Packers 68 Yards über das Feld und wühlte sich 16 Sekunden vor Schluss zum entscheidenden Touchdown über die Bühne. Eine Woche später schlug Green Bay auch die Oakland Raiders und gewann im letzten Spiel unter Trainer Vince Lombardi auch die zweite Ausgabe der Super Bowl.

Eisiger Wind verbläst Chargers

Nicht ganz so dramatisch, aber dafür an der Grenze zur Belastbarkeit des menschlichen Körpers ging es 1982 im AFC Championship Game in Cincinnati zu. Die Bengals empfingen die San Diego Chargers bei minus 23 Grad Celsius im damaligen Riverfront Stadium. Über der Metropole des US-Bundesstaates Ohio wehte jedoch ein resches Lüftchen, was für gefühlte minus 51 Grad sorgte. Frostiger war es in einem NFL-Spiel vorher und danach nie.

Ken Anderson, Jän. 10, 1982
AP
Ken Anderson und die Bengals behielten im Eiskasten von Cincinnati die Oberhand

„Der Wind hat sich angefühlt, als würde jemand Hunderte Messer nach dir werfen“, meinte der damalige Chargers-Spieler Hank Bauer, der mit seinem Team eine Woche davor noch bei 32 Grad plus in Miami gespielt hatte. Die Kalifornier kamen mit den Temperaturen in der „Freezer Bowl“, frei übersetzt dem Eiskastenspiel, auch wenig überraschend schlechter zurecht. Cincinnati zog mit einem 27:7 erstmals in die Super Bowl ein. Vielleicht half auch die Erfahrung von Trainer Forrest Gregg mit. Die Spielerlegende der Packers stand auch in der „Ice Bowl“ auf dem Feld.

Ein dramatischer Abschied

Apropos Green Bay: Auch das bisher letzte Championship Game im Lambeau Field, 2008 gegen die New York Giants ging bei arktischen Verhältnissen über die Bühne und endete mit Tränen – diesmal allerdings für die Gastgeber. Bei minus 20 Grad, die sich dank des Windes wie weit unter minus 30 Grad anfühlten, gefror den Fans der Packers nicht nur das Bier, sondern in der Verlängerung auch das Gesicht ein.

Green Bays Quarterback Brett Favre warf beim Stand von 20:20 in der Verlängerung einen Pass genau in die Arme von Corey Webster und ermöglichte den Giants damit die Chance zum Sieg und zum Aufstieg in die Super Bowl. Kicker Lawrence Tynes, der in der regulären Spielzeit zwei kürzere Field-Goals zur Entscheidung vergeben hatte, behielt aus 47 Yards einen kühlen Kopf und schoss New York ins Finale. Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner wusste: Die Interception war nach 16 erfolgreichen Saisonen Favres letzter Pass im Packers-Trikot.

Eisige Stimmung herrschte auch acht Jahre später beim Wild-Card-Spiel im TCF Bank Stadium von Minneapolis. Kicker Blair Walsh hatte bei minus 21 Grad Celsius die Chance, die Vikings gegen die Seattle Seahawks in die nächste Runde zu kicken. Doch dem damals 26-Jährigen, der davor drei Field-Goals sicher verwertet hatte, versagten wenige Sekunden vor Schluss aus 27 Yards die Nerven, der Ball ging links vorbei. Es war das letzte Spiel der Vikings in ihrem offenen Ersatzquartier. Denn im folgenden Jahr wurde das US Bank Stadium eröffnet – ein Stadion mit geschlossenem Dach.

Coaches sind gelassen

In Kansas City werden die Teams in Ermangelung eines Daches den Elementen schutzlos ausgeliefert sein. Für die Trainer allerdings kein Problem. „Es ist Mitte Jänner, da benötigt man nie Sonnencreme. Du gehst raus und konzentrierst dich auf das Spiel, das ist alles, was zu tun ist“, sagte etwa Patriots-Startrainer Bill Belichick. Auch für Chiefs-Stratege Andy Reid ist das Wetter keine Ausrede. „Es wird ein bisschen kühl, aber das ist o. k.“, sagte der 60-Jährige.

Arrowhead Stadium
AP/Charlie Riedel
Auch die Partie Chiefs gegen Indianpolis Colts in der zweiten Play-off-Runde hatte der Winter im Griff

Während Belichick gemeinsam mit seinem Quarterback Tom Brady zum neunten Mal ins Endspiel einziehen will, geht es für Kansas City erstmals seit der Saison 1969/70 wieder um eine Teilnahme in der Super Bowl, die heuer am 3. Februar in Atlanta ausgespielt wird. Damals setzten sich die Chiefs in New Orleans zum bisher einzigen Mal die NFL-Krone auf. Stichwort New Orleans: Dort findet zwischen den Saints und den Los Angeles Rams das Championship Game der National Football Conference (NFC) statt – ganz ohne Frostbeulen, weil in einer Halle.

National Football League

Play-off 2018/19

Super Bowl LIII in Atlanta:
New England Patriots Los Angeles Rams 13:3
Conference Championship:
New Orleans Saints Los Angeles Rams 23:26 n.V.
Kansas City Chiefs New England Patriots 31:37 n.V.
Divisional Play-off:
Kansas City Chiefs Indianapolis Colts 31:13
Los Angeles Rams Dallas Cowboys 30:22
New England Patriots Los Angeles Chargers 41:28
New Orleans Saints Philadelphia Eagles 20:14
Wildcard-Weekend:
Houston Texans Indianapolis Colts 7:21
Dallas Cowboys Seattle Seahawks 24:22
Baltimore Ravens Los Angeles Chargers 17:23
Chicago Bears Philadelphia Eagles 15:16