Lindsey Vonn
AP/Andrea Solero
Ski alpin

Wachablöse im Damen-Weltcup

Vielleicht etwas verspätet hat sich am Sonntag in Cortina d’Ampezzo eine endgültige Wachablöse bei den alpinen Damen und vor allem im US-Team abgebildet. Während Mikaela Shiffrin nach ihrem 54. Weltcup-Sieg strahlte, war Lindsey Vonn nach ihrem Super-G-Ausfall völlig aufgelöst. Unter Tränen stellte sie ihren sofortigen Rücktritt in den Raum und rückte damit ihre Teamkollegin medial wohl ein letztes Mal in den Schatten.

„Es ist gut, dass eine andere Amerikanerin an der Spitze steht“, meinte die 34-jährige Vonn mit Blick auf die elf Jahre jüngere Shiffrin. Fast 15 Jahre lang hatte Vonn Sieg um Sieg gefeiert – in Cortina klangen ihre Worte schon sehr nach Abschied und Zepterübergabe. „Mein Körper hindert mich, das zu tun, was ich möchte“, teilte Vonn am Sonntag mit. „Ich bin nicht mehr in der Lage, so zu fahren, wie ich es will und kann. Ich weiß wirklich nicht, was ich im Moment tun soll.“

Bei einem Trainingssturz hatte sich die Siegerin von 82 Weltcup-Rennen vor Saisonbeginn erneut eine Bänderverletzung zugezogen. Mehrmals war Vonn in ihrer beeindruckende Laufbahn durch Kreuzbandrisse und Knochenverletzungen unterbrochen worden, im Spätherbst ihrer Karriere häuften sich die verletzungsbedingten Ausfälle. Das erschwerte das letzte große Ziel von Vonn, den Rekord des Schweden Ingemar Stenmark von 86 Weltcup-Siegen zu brechen.

Große Emotionen in Cortina

US-Skistar Lindsey Vonn kämpft nach ihrem Ausscheiden beim Super-G im Zielraum mit den Tränen. Im ORF-Interview deutet sie ihr Karriereende an.

Vonn steht vor „harten Entscheidungen“

In Cortina, wo Vonn zwölf Siege bejubeln durfte, hatte sie sich erst am Wochenende zum wiederholten Mal im Weltcup zurückgemeldet. Unter Schmerzen fuhr Vonn in den beiden Abfahrten auf die für sie enttäuschenden Plätze neun und 15. Am kommenden Wochenende stehen in Garmisch-Partenkirchen noch eine Abfahrt und ein Super-G auf dem Programm, danach schon die WM in Aare. „Ich bin nicht sicher, ob ich in Garmisch sein werde“, sagte Vonn. Sie werde in den kommenden Tagen „einige harte Entscheidungen“ treffen müssen.

Eigentlich hatte Vonn angekündigt, die laufende Saison noch zu Ende zu fahren. Ende November 2019 wollte sie zum Abschluss ihrer Karriere noch drei Starts im kanadischen Lake Louise absolvieren, wo sie sogar 18 Siege feiern konnte. „Es sind nicht fehlende Motivation, fehlendes Verlangen, fehlender Wille, sondern fehlende Knorpel. Mein Körper hält das nicht länger aus“, meinte Vonn in Cortina. „Ich muss aufhören, um nicht große Probleme zu haben, wenn ich älter bin.“

1. Mikaela Shiffrin (USA)
2. Tina Weirather (LIE)
2. Tamara Tippler (AUT)

Shiffrin dominiert nach Belieben

Ein Karriereende ist für Shiffrin indes noch lange kein Thema. Die 23-Jährige ist in der Form ihres Lebens und schwang sich zur mit Abstand besten Skifahrerin der Gegenwart auf. In dieser Saison schaffte die Slalom-Queen auch den Sprung zur Seriensiegerin im Super-G – fast still und heimlich, jedenfalls ohne Drama. „Ich habe alles richtig gemacht“, meinte Shiffrin nach ihrem 54. Weltcup-Sieg, nachdem sie auf die Abfahrten verzichtet und die Zeit in Trainingsstunden investiert hatte.

„Es war ein sehr schwerer Super-G. Ich habe das Risiko sehr gut dosiert, weil ich mitbekommen habe, dass sehr viele Probleme gehabt haben.“ Von vier Events in dieser Disziplin hat Shiffrin nun drei gewonnen, beim Sieg der Slowenin Ilka Stuhec in Gröden stand Shiffrin nicht am Start. Mit 1.494 Punkten wird ihr der dritte Weltcup-Gesamtsieg in Serie nicht mehr zu nehmen sein. Die zweitplatzierte Slowakin Petra Vlhova hat schon 596 Zähler Rückstand. Auch der Rekord von 2.414 Punkten, den die Slowenin Tina Maze in der Saison 2012/13 aufgestellt hat, ist für Shiffrin nicht außer Reichweite.

In dieser Form ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis es Shiffrin ist, die den Rekord des legendären Schweden überbieten kann. Feiert das Ausnahmetalent weiter Siege am laufenden Band und bleibt unverletzt, dann ist die Bestmarke von Stenmark in drei, vier Jahren Geschichte. Für Shiffrin selbst ist das noch Zukunftsmusik. In der Gegenwart steht das Mitgefühl für Vonn. „Als ich jünger war, habe ich wie verrückt zu ihr aufgesehen. In der Schule habe ich Aufsätze über sie geschrieben“, erklärte Shiffrin.