Zielbereich in Aare
GEPA/Andreas Pranter
Ski-WM

Stars und Wetter machen Schlagzeilen

Die WM 2019 in Aare ist geschlagen, die Medaillen sind vergeben. Banner und Transparente wurden am Sonntag schnell eingerollt, die Abbauarbeiten im Ziel begannen unmittelbar nach dem finalen, für Österreich mit drei Medaillen so erfolgreichen Slalom. Zugleich wurden die Pisten für Hobbyskifahrer wieder freigegeben.

In den 13 Tagen davor regierten die Stars der Szene die Pisten von Aare. Mikaela Shiffrin und Marcel Hirscher beeindruckten mit ihrer Klasse und machten positive Schlagzeilen. Lindsay Vonn und Aksel Lund Svindal verabschiedeten sich von der Skibühne. Große Aufreger und Skandale blieben jedoch aus – bis auf die Aussage von FIS-Präsident Gian Franco Kasper, wonach er geschäftlich lieber mit „Diktaturen“ zusammenarbeiten möchte.

Sportlich nahm alles beschaulich ohne allzu viel Wirbel seinen Lauf und fand Sonntag ein für Österreich mit Gold, Silber und Bronze im Herren-Slalom erfreuliches Ende. Teams, Betreuer und Journalisten verstreuten sich wieder, einige begaben sich auf dem schnellsten Weg nach Stockholm, wo bereits am Dienstag (17.30 Uhr, live in ORF eins) ein City-Event stattfindet.

Vier Jahreszeiten an einem Tag

Bei der Abreise wurden noch einmal die Erinnerungen an die wetterbedingt beschwerliche und tagelange Anreise in die schwedische Provinz Jämtlands wach. Das Wetter in Aare war nämlich der wahre Hauptdarsteller. Launisch und wechselhaft gab sich die schwedische Diva, die Aussehen und Charakter nach Belieben veränderte, sprichwörtlich alle Stückerl spielte – und das im Stundentakt.

Prognosen über einen Tag hinaus wurden immer rasch als unseriös entlarvt. Vor Probleme stellte das Serviceleute und Athleten, die zumeist erst am Tag des Wettkampfes wussten, unter welchen Bedingungen gefahren wird. Im schlimmsten Szenario zogen in Aare alle vier Jahreszeiten an nur einem Tag vorüber.

Polare Kälte mit bis zu minus 29 Grad in den ersten Tagen war für viele gelernte Mitteleuropäer schwer zu ertragen, erst recht ohne winterfeste Kleidung, die in zahllosen herrenlosen Koffern auf den Flughäfen im Umfeld von Aare verborgen und daher lange nicht greifbar war. Just mit den Koffern kam wärmere Luft nach Aare. Ab Mitte der zweiten Woche schlug das Pendel vor den Technik-Bewerben Richtung Tauwetter mit bis zu acht Grad plus aus. Eisliebhaber wie Marcel Hirscher sahen ihre Chancen auf Gold dahinschwimmen.

Starthaus in Aare
Privat
Der vereiste Originalstart der Herren-Abfahrt wurde nur von Fotografen und TV-Teams besucht

Die „kürzeste“ WM aller Zeiten?

Ein Temperaturunterschied von 35 Grad schien der Gesundheit aller WM-Beteiligten nicht förderlich – auch nicht der Hirschers, der zwar schon krank angekommen war, aufgrund der wechselnden Witterung aber nicht richtig gesunden wollte. Ursache des Übels? Der Atlantik und seine feuchten Luftmassen, die in den Bergen um Aare als einzige Erhebung weit und breit hängen geblieben waren.

Folge waren Rennverschiebungen und -verkürzungen. Bis auf Slaloms sowie Herren-Super-G und Riesentorlauf wurde kein Bewerb vom regulären Start aus in Angriff genommen. Dafür bürgten Wind und Nebel. In Summe dürften die addierten Siegerzeiten als die kürzesten ihren Platz in der Geschichte von alpinen Weltmeisterschaften gefunden haben. Das Problem in Aare war bekannt. Warum die WM trotzdem und zum zweiten Mal nach 2007 hierher vergeben wurde, obwohl es schon beim ersten Mal Probleme gab, blieb vielen Athleten ein Rätsel. Ihre Stimmung wurde dadurch nicht gehoben.

Die besten Szenen der WM im Video

13 Tage lang war Aare Gastgeber der alpinen Titelkämpfe. Unberechenbares Wetter und berechenbare Superstar prägten die WM.

Norwegische Fans springen ein

Fans dagegen zogen ihre Konsequenzen und blieben in der polaren ersten Rennwoche aus. Verwaiste Tribünen erinnerten sofort an die Winterspiele in Pyeongchang, wo erschreckend wenige ihr Interesse für den Skisport kundgetan hatten. Nummer eins in Schweden: die nordischen Athleten, die Langläufer, die Biathleten und natürlich Eishockey.

Der Grund für die überschaubare Begeisterung für den alpinen Rennsport mag auch und gerade in den Speed-Disziplinen am Fehlen eines Lokalmatadors liegen. Eingesprungen sind die Norweger, die während der Herren-Abfahrt erstmals für gefüllte Ränge und Stimmung und noch größeren Jubel nach dem Doppelsieg sorgten.

Fans auf der Tribüne
GEPA/Andreas Pranter
Mit den Temperaturen stieg auch das Stimmungsbarometer im Zielbereich des Aareskutan

Mit den Plusgraden fanden sich letztlich regelmäßig mehr Zuschauer ein. Dem Teamevent und Technik-Bewerben mit Lokalmatadorin Frida Hansdotter konnten die Schweden also nicht widerstehen. Zu Recht groß war die Gastgeberfreude dann über die erste und einzige Medaille, die im Slalom nicht Hansdotter, sondern Anna Swenn-Larsson mit Silber holte – Emotionen im Zielraum inklusive. Offiziell waren bis Samstag 87.000 Fans hautnah bei den Rennen dabei, letztlich werden es mehr als 100.000 und für eine gute Bilanz ausreichend viele gewesen sein.

Bühne frei für Vonn und Stenmark

Emotionen? Gab es freilich, aber nicht nur bei Hirscher, der mit Slalom-Gold die Skination Österreich auf den letzten Drücker vor einem Debakel bewahrte, oder bei Doppelweltmeisterin Mikaela Shiffrin. Überwältigt von ihren Emotionen war Lindsey Vonn, nicht ganz so Aksel-Lund Svindal. Beide gewannen zum Abschluss ihrer Karriere in ihrem zugleich letzten Rennen eine WM-Medaille. Der Vorhang fiel unter tosendem Applaus.

Ingemar Stenmark und Lindsey Vonn
Reuters/Leonhard Foeger
Rekordmann Stenmark (l.) verabschiedete seine erste Verfolgerin Vonn in die Skipension

Heimlicher Star der Abschiedsvorstellungen war aber Ingemar Stenmark. Vonn und Svindal teilten sich mit ihm die Bühne, der Weltcup-Rekord von 86 Siegen gehört Stenmark für absehbare Zeit aber weiter allein. Er selbst glaubt jedoch, dass Shiffrin auch „100 Rennen“ gewinnen könne.

Nur die Elche fehlten

Als Sportstar in Aare bewegte man sich frei. Alles lief unaufdringlich und ohne Trubel ab. Selbst Königin Silvia von Schweden und König Carl XVI. Gustaf spazierten bescheiden, ohne großen Auflauf herum. Sportler kauften unerkannt im Supermarkt ein und teilten sich den Sessellift mit Touristen, ohne von ihnen behelligt zu werden.

Die Polizei blieb dezent im Hintergrund oder drängte sich nur bei Straßenkontrollen ins Rampenlicht. Aare erwies sich letztlich als freundlicher und unprätentiöser Gastgeber – reibungslos organisiert: Was benötigt und erhofft wurde, war da. Nur keine Elche. Das war der zweite Reinfall in Aare neben dem Wetter.