Marcel Hirscher mit Goldmedaille
GEPA/Wolfgang Grebien
Ski-WM

Hirscher verspürt große Genugtuung

Bei seiner „wahrscheinlich letzten WM“ hat Marcel Hirscher den Sektkorken noch einmal knallen lassen. Mit Gold im abschließenden Slalom am Sonntag sorgte der 29-Jährige auf den letzten Drücker für den ersten Titel der ÖSV-Mannschaft in Aare. Zugleich durfte er sich das WM-Siegerpodest mit zwei Teamkollegen teilen – ein Novum für den Slalom in der ÖSV-Geschichte.

„Ich bin super, super happy“, sagte der alte und neue Weltmeister. Im Ziel habe er aber mehr Erleichterung als Freude verspürt, so Hirscher, weil er die Erwartungen erfüllen konnte. „Der Druck war da, den kann man nicht wegreden.“ Die Erwartungen aufs Neue erfüllt zu haben, sei für Hirscher eine große Genugtuung. Er hatte wie so oft „geliefert“, was von ihm allgemein erhofft wurde. Wichtiger war aber: „Dass ich meine Leistung habe wieder abrufen können.“ ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hüpfte vor Freude: „Ein Wahnsinn. Bei der Piste und mit dem Druck, so zu fahren: Hut ab.“

Michael Matt mit Silber und Marco Schwarz mit Bronze standen auf dem Podest freudestrahlend neben Hirscher, der sich mit Gold im Slalom bei anhaltend gesundheitlichen Problemen auf unnachahmliche Weise für Riesentorlauf-Silber („Beide Medaillen machen mich sehr glücklich“) an sich selbst schadlos hielt. Mit seiner insgesamt nun siebenten Goldmedaille neben viermal Silber schwang er sich endgültig zum erfolgreichsten WM-Starter aller Zeiten vor Toni Sailer auf, der einst drei Silberne weniger geholt hatte.

Auf Augenhöhe mit Stenmark

Dreimal Weltmeister im Slalom wurde vor Hirscher nur die schwedische Allzeitgröße Ingemar Stenmark, der die Slaloms seiner Zeit beherrscht hatte. „Er war sicher ein brillanter Skifahrer, aber ich habe ihn nie dabei gesehen. Dafür bin ich zu jung. Er war eine andere Generation. Aber Stenmark ist ein großer Name“, erklärte Hirscher, der im Weltcup als erster Verfolger 18 Siege hinter der Rekordmarke des Schweden von 86 liegt.

Marcel Hirscher fährt über die Ziellinie
APA/EXPA/Dominik Angerer
Der Moment des Triumphs: Marcel Hirscher kürte sich zum erfolgreichsten Skifahrer bei Weltmeisterschaften

Mit den laufenden Erfolgen stiegen die Erwartungen an den Salzburger, die in Aare erfüllt werden wollten und letztlich wurden. Mit nun insgesamt elf Medaillen bei Weltmeisterschaften zog Hirscher mit dem Luxemburger Marc Girardelli (elf) und dem Norweger Lasse Kjus (elf) gleich, nur noch der Norweger Kjetil Andre Aamodt (zwölf) liegt vor ihm.

1. Marcel Hirscher (AUT)
2. Michael Matt (AUT)
3. Marco Schwarz (AUT)

Erwartungen gerecht geworden

Der Erwartungsdruck war tatsächlich da, gerade bei Hirscher, der mit dieser Situation unter allen ÖSV-Athleten in der Vergangenheit am besten zurechtgekommen war – schon bei der Heim-WM in Schladming, als er ebenfalls mit Gold im Slalom die Gastgeber vor einer Nullnummer bewahrt hatte. Die mentale Belastung von damals war mit jener in Aare nicht zu vergleichen. Es war seine eigene Erwartungshaltung und die der Fans, angefüttert durch seine Erfolge, die Hirscher im Slalom aufs Neue befriedigen sollte.

Es gelang ihm eindrucksvoll. Der Unterschied zu früher und Schladming, als der Druck schier untragbar gewesen ist: „2013 habe ich geglaubt, ich packe das überhaupt nicht. Jetzt ist es so, dass ich auch am Start stehe und mir denke, was soll’s? Ich gebe jetzt alles und probiere es. Wenn es nicht klappt, dann geht die Welt echt nicht unter. Das habe ich gelernt. Das ist ein Riesenunterschied. Damals wäre die Welt für mich untergegangen. Heute wäre es nicht lustig, aber global gesehen so wie in China das mit dem Sack Reis.“

„Perfektion“ im ersten Durchgang

Schon im ersten Lauf, gesteckt von seinem Trainer Michael Pircher, hatte Hirscher die Gegner bei diesmal eisigeren Bedingungen vor ein Rätsel gestellt. Alexis Pinturault lag als Zweiter 56 Hundertstelsekunden zurück, alle anderen mehr als eine Sekunde. 1,38 Sekunden verlor Feller als Halbzeitfünfter. Der Tiroler sagte, was viele dachten: „Wahnsinn. Die beste Fahrt, die ich von ihm je gesehen habe. Dem Laien fiel das nicht so auf, weil der Hang einfach ist. Aber es war Skifahren in Perfektion. Marcel hat jeden Schwung getroffen. Genau darauf kam es hier an. Respekt. Das muss man neidlos anerkennen.“

Grafik zu Hirschers Erfolgen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

In Finale gab sich Hirscher als Letzter keine Blöße, nachdem Pinturault hinter Matt und Schwarz zurückgerutscht war. Im Ziel schwang er mit der 25. Laufzeit, mehr war nicht notwendig, jubelnd ab. Gezweifelt hat er an seiner Bestzeit zwar nicht, dass der grüne Einser aufleuchtete, erleichterte ihn aber doch. „Obwohl ich mir schon dachte, dass meine Fahrt gut war“, so Hirscher, der bereits am Vorabend große Erleichterung ob der sinkenden Temperaturen verspürt hatte. „Wie die Wasserpfütze gefroren ist, wusste ich, es passt.“ Den Rest erledigten seine Serviceleute und eben Hirscher mit annähernd perfektem Skifahren.

Bange Momente bei Vater Ferdinand

Die letzten Tipps vor der Entscheidung hatte er von Ferdinand Hirscher erhalten. „Ich habe mit ihm noch kurz telefoniert und ihm gesagt, dass die Piste ramponiert ist und es gescheit ist, mit den Spuren mitzufahren. Das ist ihm geglückt“, sagte der Vater, der davor bange Momente erlebt hatte: „Der Lauf war sehr lange, die Sicht schlecht, die Piste auch schon ramponiert. Beim Slalom ist es jedes Tor, bei dem man rausfallen kann. Daher zweifelt man bis zum letzten Tor.“ Seiner Erleichterung war nicht geringer als jene des Sprösslings.

Besondere Genugtuung über die Goldmedaille verspürte Hirscher wegen der ungünstigen Voraussetzungen: „Jeder weiß, wie es ist, wenn man zum ungünstigsten Zeitpunkt krank wird. Ich will nicht zum Raunzen anfangen. Aber es gibt halt Tage, an denen man reinbeißen muss. Jetzt hatte ich gleich ein paar davon. Ich habe mit vollem Einsatz alles gegeben, vielleicht auch deshalb, weil das wahrscheinlich meine letzte Weltmeisterschaft gewesen ist.“ Hirschers Dank für die Hilfe in den vergangenen vier Tagen galt seinem gesamten Team. „Wir haben sehr gut zusammengehalten, ich durfte meine Aufgaben weitergeben.“ Das habe ihm vieles erleichtert.

Die besten Szenen der Ski-WM im Video

13 Tage lang war Aare Gastgeber der alpinen Titelkämpfe. Unberechenbares Wetter und berechenbare Superstars prägten die WM.

Herausforderung gemeistert

Besonders herausfordernd neben der körperlichen Verfassung in Aare sei die Suche nach dem richtigen Set-up gewesen. „Wir rechneten mit tiefstem Winter. Als wir ankamen, war Sommer. Da trifft dich fast der Schlag.“ Alles was noch daheim bei Tests abgestimmt worden sei, habe keine Bedeutung mehr gehabt. „Aber so ist Freiluftsport. Wir mussten schnell reagieren.“ Noch beim Damen-Slalom am Samstag war es warm. „Danach kam das Blitzeis. Das war die große Herausforderung hier in Aare, würde ich sagen.“ Und sie wurde gemeistert. Oder wie es Schröcksnadel ausdrückte: „Ende gut, alles gut.“