Trond Nystad
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Doping

„Verarscht“: Entsetzen im ÖSV

Während der nordischen Ski-WM in Seefeld sind die Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke am Mittwoch unter Verdacht auf Eigenblutdoping vom Bundeskriminalamt festgenommen worden. Beim ÖSV reagierte man darauf mit Unverständnis und Entsetzen. Die folgenschwere Polizeirazzia bei Olympia 2006 in Turin und beim Dopingfall Johannes Dürr 2014 in Sotschi wurden wieder in Erinnerung gerufen.

„Für mich ist es nur traurig, ich habe keine Worte dafür. Ich habe gedacht, dass die Leute aus der Vergangenheit etwas gelernt haben – dass Doping und Sport nicht zusammengehören“, sagte der Langlauf-Koordinator des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), Trond Nystad, im ORF-Interview.

„Ich fühle mich verarscht. Wir arbeiten hier Tag und Nacht und probieren schnelle Ski und alles, und dann passiert so was. Ich stehe für sauberen Sport. Ich muss nicht mit einem Verband arbeiten, ich habe gar nichts gemerkt. Ich hoffe, dass die Jungs Eier genug haben zu sagen, wer dahintersteckt. Ich erwarte, dass sie Männer genug sind und alles erzählen, alle gehören bestraft“, erklärte Nystad.

Trond Nystad fordert Strafen

Der ÖSV-Langlaufkoordinator Trond Nystad fordert harte Strafen.

Der gebürtige Norweger und Ehemann der ehemaligen deutschen Langläuferin Claudia Nystad (geb. Künzel) gilt als ein Anti-Doping-Kämpfer. „Ich hätte gedacht, dass sie trainieren und nicht, dass sie so einen Scheiß machen“, zeigte sich Nystad gegenüber der dpa schwer enttäuscht. Über seine Zukunft beim ÖSV sagte der 48-Jährige: „Es ist klar, dass das die Aufgabe für mich uninteressant macht.“ Er wolle die WM nun aus Respekt vor den anderen Athleten zu Ende führen und dann Gespräche mit dem Verband führen.

„Tiefer kann man gar nicht mehr fallen“

„Dümmer geht es nicht mehr, und tiefer kann man gar nicht mehr fallen“, meinte Langlaufexperte Alois Stadlober im ORF. „Ich glaube, wir waren mit dem österreichischen Langlauf schon tief, dann sind wir noch tiefer gefallen, und ich weiß gar nicht, wie tief es noch hinuntergeht“, gab sich der Vater der WM-Starter Teresa und Luis Stadlober ratlos.

Alois Stadlober zur Dopingrazzia

Der ORF-Langlaufexperte spricht über die Vorfälle in Seefeld.

„Das ist nicht nachvollziehbar, man kennt die betroffenen Sportler. Sie wissen, was auf einen einstürzt, was auf einen Johannes Dürr eingestürzt ist, was der alles verloren hat“, zeigte der 56-Jährige Unverständnis, dass so etwas erneut passieren konnte. Markus Gandler, der Sportliche Leiter beim ÖSV für Langlauf und Biathlon, habe es angesprochen: „Für diese bescheidenen Erfolge diesen Weg zu gehen ist unvorstellbar.“

Sohn Luis „ist durch den Wind“

Über seinen am Mittwoch im 15-km-Bewerb (klassischer Stil) im Einsatz gewesenen Sohn Luis meinte Stadlober: „Der ist durch den Wind. Ich habe gesagt, Luis du läufst. Die ehrlichen Sportler müssen an den Start. Ich habe ihm gesagt, danke Luis, dass du auch mit schlechten Leistungen den richtigen Weg gegangen bist. Ehrlichkeit währt am längsten, das freut mich.“

„Es sind alle am Boden zerstört. Auch mit Teresa habe ich gesprochen, aber das muss man jetzt erst verarbeiten, was da wieder auf uns hereinprasselt. Das ist jetzt der Super-GAU, eigentlich ist jeder hilflos“, sagte Stadlober.

„Dann war das BKA da, und mir ist die Lade runtergefallen“

„Das ist natürlich eine sehr schwierige Situation“, erklärte Luis Stadlober, der danach im 15-km-Bewerb den 56. Platz holte, im ORF-Interview. „Wir wohnen im Zimmer gegenüber. Dann ist der Chef von unserem Hotel gekommen, und sie haben die zwei gesucht. Dann war das BKA da, und mir ist die Lade runtergefallen“, war Stadlober entsetzt.

Interview mit Luis Stadlober

Die Razzia habe Luis Stadlober während des 15-km-Rennens beeinflusst. Eine gute Leistung sei unter diesen Umständen nicht möglich gewesen.

Er habe versucht, das im Rennen auszublenden. „Denn ich wollte mich von der großen Bühne gut verabschieden, das habe ich leider nicht geschafft.“ Der 27-Jährige konnte sich die Vergehen seiner Kollegen nicht erklären: „Warum macht man so was, wie schafft man es, dass man jeden anlügt? Wie kann man nur so hinterhältig sein und dem österreichischen Sport das Messer hinten reinstechen?“

Stadlober erinnerte an die Serie von Dopingfällen im ÖSV-Langlaufteam: „Wir haben so viel mitgemacht. 2006 war ich noch jung, dann 2014 mit Dürr, da war ich nicht vor Ort, aber jetzt ist es daheim passiert. Ich kann gar nicht sagen, wie scheiße das Gefühl ist.“

Teresa Stadlober „total enttäuscht“

Auch seine Schwester Teresa Stadlober war „total enttäuscht. Schon wieder erleidet der österreichische Langlaufsport einen Rückschlag. Ich kann für mich nur sagen, dass ich für sauberen Sport stehe und möchte mich von deren unglaublichen Taten distanzieren“, sagte die 26-Jährige. Sie werde trotzdem versuchen, ihren Fokus auf den 30-Kilometer-Skating-Bewerb am Samstag zu legen, der für sie ein Höhepunkt ihrer WM-Starts ist.

„Ich werde alles dafür tun, dass ich gut vorbereitet und hoffentlich fit in dieses Rennen gehen kann. Ebenso hoffe ich, dass mich das Serviceteam weiter wie bisher in dieser Saison mit gutem Material an diesem für mich so wichtigen Tag unterstützt. Es ist für uns alle verständlicherweise eine schwierige Situation, doch die Saison ist noch nicht zu Ende. Ich will weiterhin gute Ergebnisse für den österreichischen Langlaufsport erreichen“, erklärte Stadlober.

Eugen fordert Konsequenzen

Christoph Eugen, der ÖSV-Cheftrainer der Nordischen Kombinierer, war sehr enttäuscht. „Es ist natürlich schade, gerade bei so einem schönen Fest, das Seefeld geboten hat, mit Superstimmung und Medaillen“, so Eugen. „Ich bin der Meinung, das gehört jetzt einmal richtig hart aufgearbeitet, und dass es in Zukunft auch Konsequenzen gibt.“

„Man hat schon immer wieder diese Geschichten, es ist schon ein bisschen wie ‚Täglich grüßt das Murmeltier‘. Ich glaube, es macht einfach alles kaputt. Für uns ist es wichtig, unseren Weg weiterzugehen und weiterzuarbeiten, und dass man versucht, das so schnell wie möglich zu lösen“, sagte der Trainer.

ÖSV bedankt sich bei Behörden

Beim ÖSV zeigte man sich in einer Presseaussendung „schockiert, dass eine bestens vorbereitete nordische Ski-WM nun von einem Dopingskandal überschattet wird“. Gleichzeitig bedankte sich der Verband bei den Ermittlungsbehörden „für das Aufdecken dieses offensichtlich seit Jahren tätigen internationalen Dopingnetzwerks“ und hofft, dass die Hintermänner und Drahtzieher zur Verantwortung gezogen werden.