Peter Schröcksnadel
APA/Georg Hochmuth
Doping

ÖSV-Boss baut Langlauf radikal um

Das Dopinggespenst ist bei der nordischen Ski-WM in Seefeld am Mittwoch wieder einmal im österreichischen Langlauflager herumgegeistert und hat Peter Schröcksnadel das Fest verdorben. „Für mich ist eines klar: Nach dieser Saison wird der komplette Langlauf neu aufgestellt“, kündigte der ÖSV-Boss im ORF am Mittwoch an.

Wie schon bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City, 2006 in Turin und zuletzt 2014 in Sotschi in der Form von Johannes Dürr überschattet Doping aus österreichischer Sicht ein Wintersportfest. Diesmal sogar im eigenen Land. Dominik Baldauf und Max Hauke, im Team-Sprint am Sonntag noch Sechste, wurden gemeinsam mit zwei Athleten aus Estland und einem Kasachen im Zuge einer Dopingrazzia in Seefeld und Deutschland mit dem treffenden Namen „Operation Aderlass“ festgenommen.

Die beiden Österreicher sollen u. a. Blutdoping betrieben haben. „Diese Dopinggeschichte wiegt schwer, wenn man weiß, dass es die Vorgeschichte mit Dürr und Turin gegeben hat“, ärgerte sich Schröcksnadel am Mittwoch im WM-Studio des ORF, wo er viel lieber über die Bronzemedaille von Daniela Iraschko-Stolz im Skispringen gesprochen hätte. Der 77-Jährige kündigte noch schärfere Konsequenzen, als in der Vergangenheit an – vor allem auf der personellen Ebene.

ÖSV nach Dopingrazzia schockiert

Nicht nur ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel reagierte auf den neuerlichen Dopingskandal im Langlauflager mit Unverständnis.

Gandler muss gehen

Mit Saisonende wird laut Schröcksnadel auch ein Schlussstrich unter die Ära von Markus Gandler als Sportlicher Leiter für die Sparten Langlauf und Biathlon gezogen. Zwar ist laut Kriminalpolizei kein österreichischer Trainer in die Causa involviert, dennoch: „Schade, dass wir als Skiverband betroffen sind, wir sind aber keine Täter. Wir werden uns dennoch von Herrn Gandler trennen. Denn die politische Verantwortung liegt bei ihm“, sagte Schröcksnadel, „es gibt keine Schuldzuweisung, er ist auch kein Täter, das muss man klar sagen.“

Gandler selbst hatte bereits vor dem Ausbruch des neuerlichen Skandals Absichten seines baldigen Rückzug angedeutet. Nun habe sich das ohnehin erledigt, sagte Gandler. „Es sind Sachen passiert, die im Sport nichts zu suchen haben – leider im österreichischen Langlauf zu oft. Jetzt sind die Konsequenzen vom Präsidenten gezogen. Irgendwann ist das Vertrauen aufgebraucht“, meinte der Tiroler im ORF-Interview, „das heißt auf keinen Fall, dass da irgendwie ein Schuldeingeständnis ist. Im Gegenteil: Ich werde diejenigen unterstützen, die das jetzt aufgedeckt haben.“

Markus Gandler
GEPA/Mathias Mandl
Gandler konnte trotz aller Bemühungen den Sumpf in seinem Revier nicht trockenlegen

Neben der Personalie Gandler kündigte der Präsident noch weitere Entlassungen an, ohne Namen zu nennen: „Ich will alle diese Leute in der Form nicht mehr haben. Wir hatten das Problem in der Vergangenheit, und es hat sich nichts geändert“, sagte Schröcksnadel, der auch weitere finanzielle Kürzungen androhte: „Ich werde mich sicher nicht mehr dafür stark machen, dass im Spitzensport für Langlauf Geld ausgegeben wird. Breitensport ja, aber Spitzensport nein.“

Kein Platz für „Trottel“

Für die mutmaßlichen Dopingsünder Hauke und Baldauf sei ebenfalls kein Platz mehr. „Die beiden werden vom Verband ausgeschlossen, keine Frage. Bei uns bekommen sie keine zweite Chance“, sagte Schröcksnadel. Dass sich das Duo aber seinen Platz im ÖSV wie Dürr zurückklagen kann, könne er zwar nicht verhindern, aber: „Kein Athlet, der so etwas gemacht hat, wird von uns unterstützt. Wenn es zwei solche Trottel gibt, die ihre Mannschaftskollegen anlügen, das verstehe ich nicht.“

Die mutmaßliche Aktion eines Verdächtigen, die verbotenen Praktiken im Hotelzimmer durchgeführt zu haben, bezeichnete er als „tolldreist. Sind diese Leute dumm? Sie verstehen nicht, was sie damit für einen Schaden anrichten. Wir wollen eine schöne WM ausrichten und keine Skandale. Wir wollen Werbung machen. Dieser Mensch weiß gar nicht, was er da anrichtet, auch weil er seine ganzen Mannschaftskollegen in den Schmutz zieht.“ Und überhaupt sei es nicht nachzuvollziehen, für 20. Plätze zu betrügen, so Schröcksnadel.

Dopingfälle im ÖSV

Olympia 2002: In Salt Lake City werden Geräte für Bluttransfusionen im ÖSV-Quartier gefunden; Sperre für ÖSV-Direktor Walter Mayer.

Olympia 2006: Razzia in Turin bei Langläufern und Biathleten u. a. wegen Anwesenheit des gesperrten Walter Mayer; in der Folge Sperre für mehrere Athleten.

2009: Abschluss des Verfahrens gegen Langläufer Christian Hoffmann; zwei Jahre Sperre.

Olympia 2014: In Sotschi wird Langläufer Johannes Dürr positiv auf EPO getestet.

2016: Vier Jahre Sperre für Langläufer Harald Wurm wegen Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen.

Nordische WM 2019: Razzia wegen Dopingverdachts in Seefeld und Deutschland; Festnahmen u. a. der Langläufer Dominik Baldauf und Max Hauke.

Doping nicht zu verhindern

Dass manche Beobachter die von Schröcksnadel wie schon in der Vergangenheit betonte Unwissenheit des Verbandes anzweifeln, brachte den ÖSV-Präsidenten ebenfalls in Rage. „Wir zahlen der NADA 50.000 Euro für zusätzliche Dopingkontrollen, und auch das nutzt nichts. Wie verhindern sie, als Vater oder Mutter, dass ein Kind Drogen nimmt? Das wächst im Geheimen. Es weiß ja nicht einmal der Mannschaftskollege davon. Man kann auch nicht verhindern, dass in einer Bank ein Kassierer etwas stiehlt. Es kann nur Konsequenzen geben“, sagte der ÖSV-Boss.

Auch seine Aussage als Reaktion auf den Dopingskandal von Olympia 2006, Österreich sei ein zu kleines Land für gutes Doping, habe trotz der folgenden Enthüllungen noch immer seine Gültigkeit, so Schröcksnadel. „Österreichische Langläufer sind im Doping Regional- und sicher nicht Topliga. Man erwischt in Österreich immer Dumme. Soviel Dummheit gehört per Gesetz verboten. Schade, dass wir als Skiverband wieder Betroffener sind“, so der 77-Jährige.

Hoffnung auf lückenlose Aufklärung

Der ÖSV-Präsident hofft aber nun endlich auf eine lückenlose Aufdeckung, nicht nur der Athleten, sondern auch der Hintermänner. „Es werden sicher auch größere Länder mit dabei sein. Wenn es ein Drogenring ist, kann man nicht den ÖSV schuldig sprechen“, so Schröcksnadel. Auch Gandler sagte, man müsse nun unbedingt alle Beteiligten aus allen Sportarten zur Rechenschaft zu ziehen. „Das System in Deutschland gab es ja nicht nur für ein paar Langläufer, man muss schauen, dass das nicht unter den Tisch gekehrt wird.“

Von Baldauf und Hauke erwartet sich vor allem Schröcksnadel, dass sie im Gegensatz zu Dürr sofort reinen Tisch machen und alle Hintergründe aufklären. „Hätte Herr Dürr vor vier Jahren ausgesagt, was er nicht gemacht, sondern verweigert hat, wären wir früher auf diese Geschichte draufgekommen“, sagte der ÖSV-Präsident. Zumindest für Schröcksnadel ist der Glaube an einen sauberen Langlaufsport laut eigener Aussage aber ohnehin längst dahin.