Marcel Hirscher und Nicole Schmidhofer
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Ski alpin

Positive Bilanz trotz Problemzone

Der alpine Weltcup-Winter ist seit Sonntag mit der letzten Siegerehrung in Soldeu Geschichte. Für Österreichs Athletinnen und Athleten war der WM-Winter speziell dank Marcel Hirscher und der Speed-Damen erneut eine Erfolgsgeschichte. Einzig die Baustelle Riesentorlauf und Verletzungspech trüben die Bilanz.

Insgesamt stand in der abgelaufenen Saison, die ihren Höhepunkt mit der Weltmeisterschaft im schwedischen Aare erlebte, 51-mal eine Österreicherin oder ein Österreicher auf einem Siegerstockerl eines alpinen Weltcup-Rennens. Die Männer waren in dieser Kategorie deutlich erfolgreicher: Neben 14 Siegen gab es in 38 Rennen noch zehn zweite und neun dritte Plätze. Bei den Frauen stehen sieben Siege, fünf zweite und sechs dritte Plätze.

Zum 30. Mal in Folge und zum 40. Mal insgesamt ging auch der Nationencup an Österreich. Die rot-weiß-roten Asse setzten sich mit insgesamt 11.581 Punkten vor der Schweiz (8.102) und Norwegen (5.716) durch. Die Herren entschieden die Wertung mit 6.102 Punkten vor der Schweiz (4.650) und Frankreich (4.202) für sich, die ÖSV-Damen mit 5.479 vor der Schweiz (3.452) und Italien (2.804).

Marcel Hirscher
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Hirscher war einmal mehr der uneingeschränkte Superstar bei den Männern

Die Erfolgsbilanz bei den Männern war aber auch heuer einmal mehr Marcel Hirscher zu verdanken, der neun der 14 Siege feierte. Der Salzburger räumte neben Slalom-Gold und RTL-Silber bei der WM auch in den Weltcup-Wertungen ab. Neben der großen Kristallkugel im Gesamtweltcup – der achten in Folge – darf sich Hirscher auch die kleinen Kugeln für Slalom und Riesentorlauf daheim aufstellen. Der 30-Jährige erweiterte seine Sammlung auf die Rekordzahl von insgesamt 20 Kugeln. Nur die nach der WM zurückgetretene US-Amerikanerin Lindsey Vonn nennt ebenfalls 20 Kristalltrophäen ihr Eigen.

ÖSV zieht positive Bilanz

Nach dem Ende des Skiweltcups zieht der ÖSV eine positive Bilanz. Österreich gewann zum 30. Mal in Serie die Nationenwertung – und die Damen holten doppelt so viele Punkte wie im letzten Jahr.

Abfahrerinnen dominieren

Eine Kristallkugel gab es nach zweijähriger Durststreccke heuer aber auch für die Frauen. Nicole Schmidhofer krönte die stärkste Saison ihrer Karriere, in der sie die ersten drei Weltcup-Siege (zwei Abfahrten, ein Super-G) überhaupt feiern konnte, mit dem Gewinn der Abfahrtswertung. Die 29-jährige Steirerin führte damit das stärkste rot-weiß-rote Speed-Team seit Jahrzehnten an. Dank Stephanie Venier und Ramona Siebenhofer belegte Österreich im Abfahrtsweltcup die Plätze eins bis drei. Das war den ÖSV-Läuferinnen zuletzt 1999 gelungen.

„Sie sind zu Siegläuferinnen gereift. Das macht einen doch recht stolz, dass es so funktioniert und auch drei in der Weltcup-Führung vorne sind“, freute sich daher auch Damen-Cheftrainer Jürgen Kriechbaum beim Weltcup-Finale im ORF-Interview. Dank Schmidhofer (zweimal Lake Louise), Siebenhofer (zweimal Cortina d’Ampezzo), Venier (Garmisch-Partenkirchen) und Mirjam Puchner zum Abschluss in Soldeu gewann Österreich sechs von acht Weltcup-Abfahrten.

Teamgeist als Erfolgsrezept

Das Geheimnis des Erfolgs sei simpel, so Kriechbaum: „Man braucht auch eine Konstanz und auch das entsprechende Glück, dass man verletzungsfrei über die Runden kommt. Wir haben Set-up-mäßig einen großen Schritt nach vorne gemacht. Man sieht, dass wir beim Grundspeed schnell sind.“ Dazu herrsche im Team trotz aller Konkurrenz ein guter Mannschaftsgeist. „Es ist wirklich eine Teamleistung. Niemand hat einen Privatbetreuer. Wir arbeiten sehr, sehr gut zusammen“, sagte auch Siebenhofer.

Nicole Schmidhofer
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Schmidhofer setzte sich heuer an die Spitze eines dominanten Abfahrtsteams

Einziger Wermutstropfen war aus Damen-Sicht die Nullnummer bei der WM in Aare. Außer im Teambewerb, wo die Hälfte der Silbermedaille auf das Konto der ÖSV-Frauen ging, blieb Kriechbaums Aufgebot ohne Medaille. „Klar ist es ein Thema, dass man versucht, noch abgeklärter, cooler an die Dinge heranzugehen. Dann tut man sich auch leichter, bei einem Großereignis die Konzentration zu halten. Dann konzentriert man sich auf das Wesentliche, und das Medaillendenken tritt komplett in den Hintergrund“, sagte der Cheftrainer.

Hirscher zieht Männerteam mit

Bei den Männern war einmal mehr Hirscher bei den Technikern das Zugpferd. Im Schatten des Seriensiegers setzte sich heuer aber auch speziell Marco Schwarz in Szene. Der Kärntner, der das Saisonfinale aufgrund einer Knieverletzung verpasste, feierte zu Jahresbeginn beim City-Event in Oslo und später bei der Kombination in Wengen seine ersten Weltcup-Siege und war mit dreimal Bronze bei der WM in Aare auch einer der erfolgreichsten ÖSV-Starter.

Im Speed-Bereich waren Anfangs Max Franz und später Vincent Kriechmayr die Leitwölfe. Franz steuerte die Siege in der Abfahrt von Lake Louise und im Super-G von Beaver Creek zur Erfolgsbilanz bei, ehe ihn ein in Kitzbühel erlittener Fersenbruch aus der Bahn warf. Kriechmayr holte sich nicht nur den Sieg beim Abfahrtsklassiker in Wengen, sondern schlug auch bei der WM mit Silber im Super-G und Bronze in der Abfahrt zu.

Platz zwei für Feller im letzten Rennen

Im letzten Slalom der Saison in Soldeu konnte Manuel Feller noch den zweiten Platz erringen.

Auch wenn mit 33 Podestplätzen eine Spur weniger als vergangene Saison (35) eingefahren wurden, war Herren-Chef Andreas Puelacher mehr als zufrieden. „Das Jahr war besser als das letzte, wir haben über 6.000 Punkte, wir haben eine sehr kompakte Partie“, so der Tiroler nachdem seine Athleten 6.102 im Vergleich zu 5.839 Punkten in der Vorsaison gewonnen hatten. Mit dem Dreifachsieg bei der WM dank Hirscher, Michael Matt und Schwarz unterstrich das ÖSV-Team, dass man speziell im Slalom als Mannschaft klar den Ton angibt.

Sorgenkind Riesentorlauf

Im Riesentorlauf ist die mannschaftliche Dichte hingegen weder bei Männern noch Frauen gegeben. Gäbe es nicht den inklusive Parallel-RTL vierfachen Saisonsieger Hirscher, sähe die Bilanz bei den Männern trist aus. Manuel Feller ist als 14. in der Rangliste zweitbester Österreicher. Daran änderte der vierte Platz zum Abschluss in Soldeu nichts. Dahinter klafft eine Lücke, auch weil viele Läufer – wie der WM-Silberne von 2017 Roland Leitinger – nach Verletzungen den Anschluss nicht nicht wiedergefunden haben.

Eva Maria Brem
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Brem, hier beim Heimrennen auf dem Semmering, war gegen Ende der Saison noch Österreichs beste Riesentorläuferin

Bei den Damen mischte Stephanie Brunner – in Killington erstmals in ihrer Karriere als Dritte auf einem Weltcup-Podest – lange an der Spitze mit, kurz vor der WM wurde die Tirolerin jedoch mit einer Knieverletzung aus der Bahn geworfen. Mit Anna Veith, der ebenfalls ein Kreuzbandriss zum Verhängnis wurde, fiel auch die zweite Topläuferin im Riesentorlauf aus. Die verbliebenen Riesentorläuferinnen konnten die Ausfälle nicht kompensieren. Erst gegen Saisonende sorgte Eva-Maria Brem mit den Plätzen sechs und sieben wieder für Hoffnungsschimmer.

Trainer bleiben positiv

Im Trainerteam wollte man aber nicht zu schwarz malen. „Die Lücke ist trotzdem nicht zu groß geworden, aber der Riesentorlauf ist im Moment noch unsere Problemzone. Mit Ricarda Haaser, Katharina Liensberger und Katharina Truppe sieht man positive Tendenzen“, sagte Damen-Trainer Kriechbaum. Mit US-Star Mikaela Shiffrin oder der Slowakin Petra Vlhova gab es speziell im Riesentorlauf aktuell übermächtige Konkurrenz. „Sie sind ständig am Stockerl. Da müssen wir uns gewaltig anstrengen, dass wir in dieser Klasse mitmischen“, sagte Kriechbaum.

Bei den Männern lässt sich Cheftrainer Puelacher von dem Umstand, dass es im Riesentorlauf mit Hirscher und Feller nur zwei Läufer zum Weltcup-Finale schafften, nicht aus der Ruhe bringen. „Es war etwas zäh, es war ein Rückführungsjahr, nächstes Jahr müssen wir stechen“, lautet die Vorgabe des Tirolers. Sollte Hirschers Erfolgshunger gestillt sein und der Salzburger aufhören, wäre das laut Puelacher aber bitter: „Wenn wir so einen starken Athleten verlieren würden, wäre das schade. Angst und bange würde mir nicht werden, aber natürlich wäre es sehr, sehr schade.“