ÖSV-Springer Stefan Kraft
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Skispringen

Kraft rettet Saisonbilanz der ÖSV-Adler

Trotz des schwachen Saisonfinales am Wochenende auf der Flugschanze in Planica darf Andreas Felder auf eine passable erste Saison seiner zweiten Ära als Chefcoach der österreichischen Skisprung-Herren zurückblicken. Zu verdanken ist das allerdings vorwiegend Stefan Kraft.

Der Salzburger, der nach einer überragenden Saison 2016/17 im darauffolgenden Winter ohne Sieg geblieben war, kehrte mit vier Siegen auf die oberstes Stufe des Podests zurück und wurde Zweiter im Gesamtweltcup. Geschlagen wurde der 25-Jährige nur vom japanischen Überflieger Ryoyu Kobayashi, der außerdem bei der Vierschanzentournee, der Raw-Air-Serie und im Skiflug-Weltcup abräumte.

Während Kraft über die gesamte Saison als einziger ÖSV-Adler ziemlich konstant im Vorderfeld landete, waren seine Teamkollegen aber zumindest beim Highlight des Winters, der Heim-WM in Tirol, zur Stelle und trugen – wie auch die Damen – ihren Teil zur geglückten Medaillenjagd bei. Die Ausbeute von dreimal Silber im Team und zweimal Bronze von der Normalschanze durch Kraft und Daniela Iraschko-Stolz übertraf die nicht allzu hoch gesteckten Erwartungen.

Felder ortet Aufwärtstrend

„Die Ausgangssituation war schwierig. Wir haben sowohl im Sommer als auch im Winter lange gebraucht, bis wir in Schwung gekommen sind. Es waren immer wieder Springen dabei, bei denen es schlechter gegangen ist“, sagte Felder in einem ORF-Interview in Planica. Es sei aber ein deutlicher Aufwärtstrend erkennbar.

Skisprungtrainer Andreas Felder und ÖSV-Springer Stefan Kraft
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Bei der Heim-WM durften sich Andreas Felder und Stefan Kraft über eine imposante Medaillenausbeute freuen

Wichtig sei gewesen, sich bei der Heim-WM nicht zu blamieren. „Das ist uns gut gelungen mit drei Medaillen“, meinte der Tiroler. Sein Ziel ist es nun, um Kraft ein starkes junges Team aufzubauen. „Damit wir in drei Jahren in Peking wieder ein kompaktes Team haben“, sagte Felder schon im Hinblick auf die nächsten Olympischen Winterspiele 2022. Nach dem Abgang seiner beiden Kotrainer Florian Liegl und Florian Schabereiter nach dieser Saison muss er sich in Ruhe neue Assistenten suchen. Wunschkandidaten hat er dabei keine.

Große Lücke hinter Kraft

Wie groß im ÖSV-Lager der Abstand zwischen Kraft und seinen Teamkollegen ist, lässt sich am Gesamtweltcup-Endstand ablesen. Zweitbester Österreicher wurde Daniel Huber als 16., mit Philipp Aschenwald und Michael Hayböck auf den Rängen 26 und 27 kamen nur noch zwei weitere ÖSV-Adler in die Top 30.

Bei den Damen von Chefcoach Harald Rodlauer war die Verteilung ausgeglichener. Iraschko-Stolz feierte drei Saisonsiege, wurde aber zwei Plätze hinter ihrer Teamkollegin Eva Pinkelnig nur Weltcup-Achte. Mit Chiara Hölzl als Zehnter und Jacqueline Seifriedsberger als 17. landeten auch die weiteren WM-Medaillengewinnerinnen in den Top 20.

„Märchenhafte“ Saisonbilanz

Kraft zog nach dem Finale zufrieden Bilanz einer Saison, die nicht nach Wunsch begonnen hatte. „Es war ein ganz schwieriger Start. Ich hätte nie gedacht, dass es so eine Saison wird. Sie ist dann wie im Märchen verlaufen, mit der Heim-WM, wo ich drei Medaillen geholt habe. So etwas hast du nur einmal in der Karriere. Jetzt im Gesamtweltcup wieder auf dem Stockerl zu stehen, macht mich happy.“

Sein Freund und Zimmerkollege Hayböck blickte auf einen „turbulenten Sommerauftakt“ zurück: „Ich habe mich dann über die Saison drübergekämpft.“ „Ich bin auch keiner der Jüngsten mehr, aber die Motivation ist sehr groß“, sagte der 28-jährige Oberösterreicher, der sich wie seine Teamkollegen auf die Pause freute.

Fettner überlegt Rücktritt

Für Manuel Fettner sind die nächsten Wochen und Monate auch von einem Nachdenkprozess geprägt. Der 33-jährige Tiroler, der im Weltcup nicht über den 31. Gesamtrang hinauskam, weiß noch nicht, ob er eine weitere Saison anhängt. „Es war immer bis 2019 geplant. Ich werde in Ruhe überlegen, was ich mache. Mit so einer Saison wollte ich nicht aufhören.“ Körperlich sei er topfit, aber: „Das Wichtigste ist der Kopf. Ich muss genau hinterfragen, wie stark die Motivation noch reicht.“

Felder hofft weiter auf Schlierenzauer

Ein großes Fragezeichen steht auch hinter der sportlichen Zukunft von Gregor Schlierenzauer. Der 29-jährige Tiroler, mit 53 Einzel-Siegen Weltcup-Rekordhalter, kam trotz großer Anstrengungen nicht in Schwung, verpasste die Heim-WM und beendete die Saison vorzeitig. Immerhin hatte er im Februar in Lahti gemeinsam mit Kraft, Hayböck und Aschenwald über den ersten Sieg eines ÖSV-Teams seit fast zwei Jahren und seinen ersten seit mehr als vier Jahren jubeln dürfen.

ÖSV-Springer Gregor Schlierenzauer
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Ob Gregor Schlierenzauer auch in der nächsten Saison noch um sein Comeback in der Weltelite kämpft, ist offen

Felders Ziel, Schlierenzauer unter seiner Führung wieder zu alter Stärke zu führen, ist trotzdem misslungen, wie auch der Coach zugeben musste. „Wir haben versucht, alles in Bewegung zu setzen. Er hat einen Trainer gehabt, der ihm zur Seite gestanden ist. Warum es nicht gelungen ist, kann man schwer sagen“, sagte Felder. Man könne Schlierenzauer aber nicht vorwerfen, dass dieser nicht alles gebe. „Vielleicht hat er vom Feeling her nicht den richtigen Hebel gefunden. Es kann sein, dass es daran liegt. Das freie Vom-Herz-heraus-Springen ist einfach nicht so vorhanden. Das Projekt ist nicht aufgegangen.“

Aufgrund der Leistungen hätte Schlierenzauer kommende Saison keinen Status in der Nationalmannschaft. „Wir müssen abwarten, was er selbst entscheidet“, sagte Felder. Man werde sich im Frühjahr zusammensetzen. „Ich würde es schade finden, wenn er den Hut draufhaut. Er hätte schon noch das Potenzial“, meinte Felder. „Ich lasse mir alles offen“, hatte Schlierenzauer selbst anlässlich seines Saisonendes Anfang März verlautbart.