Formel-1-Bolide auf der Rennstrecke
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Formel 1

Ringen um Zukunft der Königsklasse

Die Formel 1 steht vor einem massiven Umbruch: Bis Juni müssen sich Teams, FIA und Vermarkter auf ein neues Regelwerk einigen, das 2021 in Kraft tritt. Ziel: Die Königsklasse des Motorsports muss spektakulärer, spannender und einfacher werden. Obendrein soll das neue Agreement deutlich weniger kosten.

Bis Jahresende 2020 fährt die Formel 1 noch im bekannten Format: Turbomotoren, Hybridantrieb, Werksteams und Kundenteams. Welche Regeln dabei gelten, ist im seit 2013 geltenden, siebenten Concorde Agreement festgeschrieben – damals noch ausgehandelt von Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone.

Ab 2021 steht jedoch alles zur Disposition, wie der Chef des Internationalen Automobilverbandes (FIA), Jean Todt, angesichts der anstehenden Verhandlungen erklärte. „Die Budgetobergrenze kommt, ein neues Fahrzeugreglement kommt, ein neues Motorreglement kommt, wir werden eine andere Geldverteilung haben“, versprach der Franzose. All das soll bis spätestens Ende Juni ausverhandelt sein.

Chase Carey und Jean Todt
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FIA-Chef Jean Todt (r., mit F1-Boss Chase Carey) verspricht nicht weniger als eine Totalreform der Formel 1

Falls nicht, drohten bereits mehrere Teams offen mit einem Ausstieg aus der Formel 1: Red Bull kokettierte mehrfach mit einer eigenen Rennserie. Zuletzt hieß es auch von McLaren, man werde der Formel 1 den Rücken zuwenden, wenn kleineren, eigenständigen Teams nicht mehr Möglichkeiten eingeräumt würden. Das Ringen um die Zukunft der Königsklasse überschneidet sich bezeichnenderweise mit einem Jubiläum der seit 1950 gefahrenen Rennserie: Der Grand Prix von China in Schanghai am 14. April ist der 1.000 der Formel-1-Geschichte.

Verhandlungspunkte für die Formel 1 ab der Saison 2021

  • Budgetobergrenze von 200 Millionen Dollar ab 2021, 150 Millionen ab 2023/24
  • Gerechtere Verteilung der Einnahmen
  • Vereinfachung des technischen Reglements und lautere Motoren
  • Neue Regeln für Kundenteams betreffend die Anzahl der selbst zu entwickelnden Teile

Zehn Teams, zehn verschiedene Meinungen

Ex-Ferrari-Teamchef Todt zeigte sich angesichts des Jubiläums betont angetan vom aktuellen sportlichen Geschehen. „Generell würde ich festhalten: Ich habe seit Jahren nicht so viel frischen Wind gespürt in der Formel 1“, betonte der 73-Jährige. Dass hinter dem Kampf auf der Strecke Hunderte Millionen schwere Teams, ein hochkomplexes technisches Reglement und mitunter unübersichtliche Rennverläufe stehen, gilt dennoch als Hauptkritikpunkt. Ziel ist ein Budgetlimit, das vor allem die drei großen Teams – Ferrari, Mercedes und Red Bull – zu Einschnitten zwingen würde.

Möglich gemacht werden sollen die Einsparungen durch eine vereinfachte Technik. „Wir haben gute Fortschritte gemacht, bewegen uns mit allem in eine generelle Richtung“, erklärte Formel-1-Chef Chase Carey, der von Liberty Media vor zwei Jahren als Ersatz von Ecclestone an die Spitze gehievt wurde. Im Detail gebe es aber „zehn verschiedene Meinungen“ bei den zehn Teams, gab der 65-Jährige unumwunden zu.

McLaren-Chef Brown kritisiert Bonuszahlungen

McLaren-Chef Zak Brown forderte etwa zuletzt eine „ausgeglichene“ Verteilung der Einnahmen. So habe Ferrari 2017 Bonuszahlungen in Höhe von 93 Millionen Euro kassiert – alleine aufgrund des Status des als längsten engagierten Teams in der Formel 1. Zum Vergleich: McLaren habe 2017 lediglich Bonuszahlungen in Höhe von 27 Millionen Euro bekommen, während Teams wie Renault, Sauber oder Force India überhaupt leer ausgegangen seien. Stattdessen solle die Verteilung mehr „performanceorientiert“ sein, forderte Brown in einem Interview mit der englischen Zeitung „The Guardian“.

Ein weiterer Knackpunkt aus Sicht von Brown sind die B-Teams der großen Hersteller. So seien etwa Rennställe wie Haas, Alfa Romeo (beides Kundenteams von Ferrari) oder Toro Rosso (Red Bull) zu abhängig von ihren Lieferanten. „Es gibt einige Hersteller, die viel Geld ausgeben. Damit können wir finanziell nicht mithalten“, erklärte Brown gegenüber Motorsport-total.com.

Ross Brawn
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Ross Brawn gibt den Fans Autogramme, er wirbt aber gleichzeitig um Unterschriften der Formel-1-Teams unter die Reformpläne

Maximalbudget von 200 Millionen Dollar ab 2021

Der für das Treffen in London ausgearbeitete Plan von Liberty Media sieht sukzessive Einschnitte in den Budgets der Teams vor, wie die BBC berichtet. So soll ab 2020 oder 2021 ein Maximalbudget von 200 Millionen Dollar eingeführt werden, das binnen drei bis vier Jahren auf 150 Millionen Dollar zurückgefahren wird. Zudem sollen künftig alle Teams eingebunden werden, wenn es um die Adaptierung des Reglements geht. Bisher hatten nur sechs Rennställe formales Mitspracherecht.

Zentrales Element sei aber die Budgetobergrenze, wie Formel-1-Managmentdirektor Ross Brawn gegenüber der BBC betonte. Der Brite, der seit 1976 in der Formel 1 tätig ist und sämtliche Positionen vom Mechaniker bis zum Teamchef von Honda, Brawn GP und Mercedes innehatte, weiß: Die Diskussionen über die Budgetobergrenze sind intensiv und werden auch nach dem Beschluss des 2021-Reglements nicht aufhören. „Die, die alles haben, wollen es behalten, und die, die nichts haben, wollen mehr“, erklärte Brawn. „Es geht darum, ein faires Gleichgewicht zu finden, um mehr Gerechtigkeit. Wir wissen, je gerechter die Verteilung ist, desto besser ist die Formel 1.“