Mike Mayock
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NFL

Draft-Experte muss nun wirklich liefern

Wenn sich am Freitag (2.00 Uhr MEZ) die Teams der National Football League (NFL) im Draft die College-Talente sichern, stehen nicht nur die Spieler im Fokus. Großes Augenmerk wird auch der Arbeit von Mike Mayock, dem neuen General Manager der Oakland Raiders, gelten. Nach vielen Jahren als Draft-„Guru“ im TV muss der 60-Jährige nun wirklich liefern.

Mayock kennt den Draft, die Auswahl der besten Football-Talente, in- und auswendig. Er selbst wurde im Jahr 1981 im Hotel Sheraton in New York von den Pittsburgh Steelers auserkoren, allerdings erst in der zehnten Runde und als 265. Pick. Dementsprechend verlief auch die NFL-Karriere des Safeties. Für die Steelers absolvierte Mayock keine einzige Partie, nach einem Gastspiel in der Canadian Football League kam er 1982 und 1983 auf neun Einsätze für die New York Giants. Dort lernte er unter dem heutigen New-England-Erfolgscoach Bill Belichick.

Zwanzig Jahre später kehrte Mayock, der zwischenzeitlich im Bereich von Geschäftsimmobilien tätig war, auf die große Bühne zurück. Wie viele ehemalige Spieler analysierte der in Philadelphia geborene Ex-Profi nun für TV-Stationen. Mayock kommentierte zunächst High-School- und auch College-Spiele, später kam der Aufstieg in die NFL, wo er Partien der Regular Season und auch Play-offs begleitete. Seinen Bekanntheitsgrad steigerte Mayock, dessen Vater Coach auf College-Niveau und persönlicher Lehrmeister war, vor allem durch den Draft.

„Guru“ von NFL Network

Mayock avancierte diesbezüglich zum „Guru“ von NFL Network und analysierte und bewertete die Picks der 32 Teams. Von 2006 bis 2018 saß er an Ort und Stelle des Drafts und gab seinen Senf dazu. Wie viele andere auch erstellte er zuvor Prognosen – die allseits beliebten „Mock Drafts“. Vergangene Saison prophezeite Mayock etwa Sam Darnold als ersten Quarterback, der gewählt werden würde, die Cleveland Browns entschieden sich aber für Baker Mayfield. Zehn Jahre zuvor lag er dafür mit Atlantas Matt Ryan richtig. Mayock landete in seinen Jahren als Draft-Experte Treffer, aber er lag naturgemäß auch daneben. Bis vergangenes Jahr war es eine Spielerei.

Mike Mayock, NFL Draft
AP/Paul Beaty
Wenn es um den Draft ging, war NFL-Network-Experte Mike Mayock über viele Jahre ein gefragter Mann

In diesem Jahr wird es für Mayock also nun ernst. Im Jänner wurde der Experte von den Oakland Raiders als General Manager verpflichtet und ist nun Teil eines interessanten Gespanns. Bei den Kaliforniern ist mit Jon Gruden ein Headcoach am Werk, der selbst jahrelang als Experte TV-Spiele analysierte und selbst auch bei Drafts an Ort und Stelle war, nämlich für den TV-Sportsender ESPN. Gruden holte als Cheftrainer mit den Tampa Bay Buccaneers 2003 die Super Bowl. Nach zehn Jahren als Experte erfolgte die Rückkehr als Trainer und zwar zu den Raiders, die er bereits von 1998 bis 2001 gecoacht hatte – und gegen die Gruden pikanterweise die Super Bowl vor 16 Jahren gewann.

Im ersten Jahr seines Zehnjahresvertrags, der mit 100 Millionen Dollar dotiert ist, fiel Gruden weniger mit sportlichen Höhenflügen – das Team beendete die Saison mit nur vier Siegen – als mehr mit personellen Umstrukturierungen auf. Der 55-Jährige, dem von Eigentümer Mark Davis quasi die Kontrolle für alle sportlichen Belange in die Hände gelegt wurde, gab in einer seiner ersten Amtshandlungen Khalil Mack nach Chicago ab. Der Starverteidiger, übrigens ein Draft-Treffer von Mayock, war mitverantwortlich für den erfolgreichen Turnaround bei den Bears in der vergangenen Saison und brachte Gruden bzw. den Raiders via Trade zwei Erstrundenpicks im Jahr 2019 und 2020 ein.

„Versaue es nicht“

Mit dem Transfer von Widereceiver Amari Cooper zu den Dallas Cowboys kam ein weiterer Erstrundenpick für den anstehenden Draft hinzu, womit die Raiders in der ersten Runde nun gleich drei Talente auswählen können. Gruden musste für seine Personalpolitik mitunter viel Kritik einstecken. Zuletzt gab er Mayock, den er seit vielen Jahren kennt und schätzt, deswegen den Rat: „Versaue es nicht, Kumpel. Ich habe viel einstecken müssen, um dir drei Erstrundenpicks zu geben.“

Um es nicht zu versauen, ergriff Mayock interessante Maßnahmen. Zunächst schickten er und Gruden ihre Scouts vor dem vergangenen Wochenende nach Hause. NFL-Insider Ian Rapoport zitierte Mayock diesbezüglich mit den Worten, dass „er nicht wisse, wem er vertrauen könne“. Eine Maßnahme, die allerdings auch nicht unüblich innerhalb der Liga ist. Seit geraumer Zeit haben letztlich nur wenige Personen Einsicht auf den „Gameplan“ der Teams für den Draft.

Draft simuliert

Weil Mayock aber diesen nur – im wahrsten Sinne des Wortes – vom Fernsehen kennt, wurde im Vorfeld des Drafts fleißig trainiert. Dabei wurde der Funktionärsneuling mit Gruden in einen Raum gesteckt und beide spielten die Rollen der Raiders, während Kollegen in einem anderen Raum Manager anderer Teams interpretierten. Mayock wurde dabei unter Druck gesetzt und zu schnellen Entscheidungen gezwungen.

In der Nacht auf Freitag wird es dann in Nashville wirklich ernst, wenn die erste von sieben Runden über die Bühne geht. Mayock und die Raiders sind an der vierten, an der 24. und an der 27. Position an der Reihe. In der Nacht auf Samstag in Runde zwei wählen die Raiders zudem den insgesamt 35. Spieler. Seine neue Rolle sieht Mayock dabei völlig nüchtern: „Am Ende des Tages ist es so: Wenn wir alles gewinnen, ist es gut, wenn wir verlieren, werde ich gefeuert. Ich kann damit absolut leben.“

Murray Favorit

Kyler Murray gilt unterdessen für viele Experten als Favorit für den ersten Pick im Draft 2019, der erstmals in Tennessee stattfindet. Der Gewinner der Heisman Trophy für den besten College-Spieler der vergangenen Saison und Quarterback der Oklahoma Sooners könnte von den Arizona Cardinals, dem schlechtesten Team der Vorsaison, gewählt werden. Zumal Murray dem Spielstil des neuen Headcoaches Kliff Kingsbury mehr entsprechen soll als Josh Rosen, der vergangenes Jahr von den Cardinals als Zehnter auserwählt wurde. Dieser könnte Arizona wiederum via Trade neue Picks bringen, gelten doch etwa die New York Giants und Miami Dolphins als interessiert an Rosen.

Kyler Murray (Oklahoma)
AP/Wilfredo Lee
Quarterback Kyler Murray könnte als erster Spieler im NFL Draft 2019 gewählt werden

Nach den Cardinals sind die San Francisco 49ers und die New York Jets an der Reihe – und wenn sich kein anderes Team im Tauschhandel nach oben manövriert, sind sehr wahrscheinlich die talentierten Verteidiger dran. Passrusher Nick Bosa, Bruder von L.-A.-Chargers-Abwehrspieler Joey Bosa, sowie Defensive Tackle Quinnen Williams sind in vielen „Mock Drafts“ unter den ersten drei gewählten Spielern zu finden. An der vierten Stelle kommen die Raiders und Mayock ins Spiel. Experten wie sein NFL-Network-Nachfolger Daniel Jeremiah rechnen auch mit einem Verteidiger als Mayocks ersten Pick – der dann wirklich zählt.