Brian Lebler und Dean Kukan
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Eishockey-WM

Gute Erinnerungen an Nachbar Schweiz

Das Wort Nachbar spielt für Österreich bei der WM 2019 eine große Rolle. Zum einen findet das Turnier im Nachbarland Slowakei statt, zum anderen trifft man in Bratislava auf die Nachbarn Tschechien und Schweiz. Letztere wartet am Dienstag auf die ÖEHV-Truppe (20.15 Uhr live in ORF Sport +). Ein ungleiches Duell, das für Österreich zuletzt aber immer etwas Zählbares abwarf.

Bei den Titelkämpfen 2015 in Prag und vor einem Jahr in Kopenhagen holte Österreich gegen die Schweizer in den Auftaktmatches einmal sensationell zwei bzw. einmal überraschend einen Punkt. Vor vier Jahren kämpften sich die Österreicher dank eines Treffers von Michael Raffl in der Schlussminute noch in die Verlängerung und holten später im Penaltyschießen dank Konstantin Komarek einen 4:3-Sieg. 2018 in Kopenhagen holte Österreich einen 0:2-Rückstand noch auf. In der Verlängerung nutzte Enzo Corvi einen Wechselfehler der Österreicher zur 3:2-Entscheidung.

Zumindest diese beiden Ergebnisse machen den Spielern vor dem Duell am Dienstag in der Ondrej Nepela Arena von Bratislava Mut. Die ersten beiden Ergebnisse bei der WM 2019 gegen Favoriten eher weniger: Gegen Lettland verlor man trotz guter Leistung 2:5, Russland ärgerte man 35 Minuten lang, verlor aber am Ende doch klar mit 0:5. Die Schweizer, ihres Zeichens Vizeweltmeister 2018, haben bisher ein 9:0-Schützenfest gegen Italien und einen hart verdienten 3:1-Sieg gegen Lettland zu Buche stehen.

„Eine absolute Topmannschaft“

Teamchef Roger Bader gibt sich daher gegen sein Heimatland keinen Illusionen hin. „Die Schweizer sind Vizeweltmeister, einen Penaltyschuss weg vom Weltmeistertitel“, sagte Bader, „das ist eine absolute Topmannschaft, die das Halbfinale zum Ziel hat. Man muss wissen, gegen wen es geht, nicht dass man denkt, im Vorjahr haben wir einen Punkt geholt und dieses Mal sind es zwei. Natürlich versuchen wir es wieder, aber wer der Favorit ist, ist sehr klar.“

Alleine beim Blick auf den Schweizer Kader wird man aus österreichischer Sicht neidisch. Baders Kollege Patrick Fischer hat fünf Legionäre aus der National Hockey League (NHL) zur Verfügung: Roman Josi, seines Zeichens Kapitän der Nashville Predators und wertvollster Spieler der WM 2015, sein Clubkollege Yanick Weber, Kevin Fiala von Minnesota Wild und Sven Andrighetto – der im Vorjahr mit einem Check Steven Strongs Knie demolierte – von den Colorado Avalanche. Dazu kommt Jungstar Nico Hischier von den New Jersey Devils, der als erster Pick im NHL-Draft 2017 Sportgeschichte schrieb.

Roman Josi
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Josi gehört zu den großen Nummern in der National Hockey League

Zwei Faktoren wichtig

Bader hofft dennoch, dass seine Mannen das umsetzen, was gegen Lettland und Russland in Phasen, aber dann doch nicht über 60 Minuten von der österreichischen Mannschaft zu sehen war. „Einfaches, geradliniges Eishockey, diszipliniert, man muss härter kämpfen“, sagte der 54-Jährige. Chancen seien in den ersten zwei Spielen genug herausgespielt worden, doch der Abschluss war in den meisten Fällen zu ungenau oder nicht konsequent genug.

Schweiz nächster Gegner

Österreichs dritter WM-Gegner ist die Schweiz. Es wird ein brisantes Duell, nicht nur weil Österreichs Head-Coach Roger Bader ein Schweizer ist.

Dazu hofft der Teamchef auf eine weitere Steigerung seiner Torhüter. „Die Torhüterleistungen waren gut, aber ich bin noch nicht ganz zufrieden. Um einen Favoriten zu schlagen, brauchen wir nicht nur eine gute, sondern eine Weltklasseleistung“, sagte Bader in Richtung seiner Goalies. Ob der gegen Lettland starke David Kickert oder der gegen die Russen starke Bernhard Starkbaum am Dienstag im Tor steht, ließ Bader offen. „Wir haben drei starke Torhüter im Team“, nahm der Schweizer auch Ersatzmann Stefan Herzog in die Rechnung auf.

Duell unter Kollegen

Nicht nur Baders Schweizer Geburtsurkunde und der Alpenhauptkamm verbinden Österreich und die Schweiz, auch viele Spieler auf beiden Seiten sind abseits des WM-Turniers Teamkollegen. Die Schweizer National League ist der Arbeitsplatz von acht Spielern in Baders erweitertem Kader. Die WM-Teilnehmer Dominic Zwerger und Benjamin Baumgartner sowie Verteidiger Julian Payr, der den Cut für Bratislava nicht überstanden hat, wurden überhaupt im Schweizer Nachwuchs ausgebildet. Auch Fabio Hofer und künftig Peter Schneider verdienen ihr Geld in der Schweiz.

Dominic Zwerger trifft gegen die Schweiz, 2018
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Zwerger (r.), hier 2018 bei seinem Tor gegen die Schweiz, durchlief bereits die eidgenössische Eishockey-Schule

Die Genannten profitieren von ihrem Status als „Eishockey-Schweizer“. Alle haben eine eidgenössische Lizenz und fallen damit nicht unter die strikte Legionärsbeschränkung: Nur vier Importe sind in der National League erlaubt. Eine Erhöhung auf sechs Ausländer wurde im vergangenen November abgelehnt. Zum Vergleich: In der Erste Bank Eishockey Liga gelten „nur“ elf Legionäre im Kader bereits als Erfolg. „Das Niveau ist mehr als eine Klasse besser, in den Nachwuchsligen, aber auch in der NLA. Es ist gut, wenn unsere Spieler dort spielen können“, sagte Teamchef Bader.

Schweizer sind gewarnt

Nicht nur aufgrund der Schweizer Legionäre im österreichischen Kader nimmt man beim Vizeweltmeister den Außenseiter ernst. „Sie sind sicher nicht happy“, sagte Teamchef Fischer mit Hinweis auf die ersten zwei WM-Spiele der Österreicher. Dazu kommt die aus Schweizer Sicht negative Überraschung bei der WM 2018: „Wir hatten gegen sie im Vorjahr ein schwieriges Startspiel. Sie sind läuferisch gut, sie kämpfen, wir müssen aufpassen.“

Michael Fora, Teamkollege von Zwerger und Hofer bei Ambri-Piotta, warnte vor zu viel Überheblichkeit, auch wenn der Schweiz eventuell ein schnelles Tor wie etwa gegen Italien gelänge. „Es darf diesmal nicht wieder passieren, dass wir während des Spiels plötzlich nachlassen. Wir müssen gegen Österreich den Rhythmus 60 Minuten lang hoch halten, unser Spiel durchziehen“, sagte der Verteidiger.
Sein Ambri-Kollege Hofer freut sich jedenfalls bereits auf den Kräftevergleich. „Die Schweiz ist ein Erzrivale, das ist immer cool zu spielen. Wir wollen Gas geben und Punkte holen.“

Für einen Schweiz-Legionär könnte das Duell mit dem Land seines Arbeitgebers ein bedeutender Eintrag im Karriereregister sein. Bader deutete an, dass der 19-jährige Benjamin Baumgartner, der sich bei Traditionsclub HC Davos in die Kampfmannschaft spielte, sein WM-Debüt erleben könnte. Der Stürmer, in den ersten beiden Partien nur Zuschauer, wurde so wie Alexander Cijan für das Duell mit der Schweiz gemeldet. „Die Chance ist gut, dass einer oder beide zum Einsatz kommen“, sagte Bader.