Russlands-Goalie Andrei Vasilevski blickt in die Torkamera
Reuters/Grogory Sysoev
Eishockey-WM

Vier Schlager um vier Semifinal-Tickets

Die Frage nach den Absteigern der 83. Eishockey-WM ist seit Montag mit Österreich und Frankreich beantwortet. Offen ist noch das Rennen um den Weltmeister. Sieben erwartete Teams und eine Überraschung sind noch mittendrin, statt nur dabei. Im Viertelfinale ist jede Partie auf ihre Art und Weise ein Schlagerspiel.

Russland gegen die USA (16.15 Uhr) und Tschechien gegen Deutschland (20.15 Uhr, beide live in ORF Sport +) stehen in der Ondrej Nepela Arena von Bratislava auf dem Programm. In der Steel Arena von Kosice kämpfen Kanada (16.15 Uhr) gegen die Schweiz und Finnland gegen Titelverteidiger Schweden (20.15 Uhr) um ein Semifinal-Ticket.

Die Paarungen im Semifinale ergeben sich heuer erstmals entsprechend der Rangliste nach der Gruppenphase. Sprich das punktebeste Team des „Grunddurchganges“ in den letzten Vier trifft auf das schlechteste, das zweitbeste auf das zweitschlechteste. Die offizielle Reihung des Internationalen Verbandes (IIHF) lautet wie folgt: Russland, Kanada, Tschechische Republik, Finnland, Schweden, Deutschland, USA und Schweiz.

Der ewige Gipfel

Auch wenn der Kalte Krieg schon seit fast 30 Jahren vorbei ist, bleibt das Duell Russland gegen die USA ein von der Politik gefärbtes Gipfeltreffen. Die aktuellen Präsidenten Wladimir Putin bzw. Donald Trump haben zu Entspannung abseits der Eisflächen wenig beigetragen. Speziell für Russland geht es bei der WM 2019 auch um Wiedergutmachung. Im Vorjahr in Dänemark stolperte die stolze „Sbornaja“ bereits im Viertelfinale. Bereits seit 2014 wartet Russland auf einen WM-Titel.

Jubel der Russen
GEPA/Andreas Pranter
Sieben Spiele, sieben Siege: Die „Sbornaja“ war bisher das Maß der Dinge bei der WM in Bratislava

Damit das heuer nicht passiert, wurde ein regelrechtes Starensemble in die Slowakei geschickt. Mit Nikita Kutscherow bzw. Alexander Owetschkin stehen der beste Punktesammler und der beste Torschütze der National Hockey League (NHL) im Kader. In der Vorrunde wurde der Olympiasieger seiner Favoritenrolle mit sieben Siegen in sieben Spielen (Torverhältnis: 36:7) mehr als gerecht. Die USA setzen angeführt von Patrick Kane ebenfalls auf geballte NHL-Power. Schon einmal wurden die US-Boys für ein russisches Starensemble zum Stolperstein. 2013 düpierten die Amerikaner die Russen gleich mit 8:3.

„Heimteam“ gegen Überraschung

Der sechsfache Weltmeister Tschechien bekommt es mit dem Überraschungsteam der WM zu tun. Die Mannschaft von Teamchef Toni Söderholm feierte angeführt von NHL-Torjäger Leon Draisaitl in der Vorrunde fünf Siege. So erfolgreich waren die Deutschen davor noch nie. Höhepunkt war der 4:2-Sieg über Finnland, der erste WM-Sieg gegen den zweifachen Weltmeister nach 60 Minuten seit 26 Jahren. Jetzt haben die Deutschen eine ähnliche Sensation wie 2018 bei Olympia, als man Silber gewann, vor. „Wir hoffen, dass wir den nächsten Schritt gehen können“, sagte Yannick Seidenberg.

Für die Tschechen – angeführt von Michael Raffls Teamkollege bei den Philadelphia Flyers Jakub Voracek – sprechen nicht nur Siege gegen die Vorjahresfinalisten Schweden und die Schweiz, sondern auch der Heimvorteil in Bratislava. Nach dem Aus der eigenen Mannschaft sind die Sympathien der slowakischen Fans volley zum früheren Bruder gewechselt. Die tschechisch-slowakische Fangemeinschaft sorgte schon bisher in der Ondrej Nepela Arena für Raketenstartatmosphäre. Einziger Schwachpunkt des Teams war bisher die Disziplin. Selbst beim 8:0 gegen Österreich saß ein Tscheche sehr oft auf der Strafbank.

Leon Draisaitl (GER)
APA/AFP/Joe Klamar
Draisaitl ist mit ein Grund, warum die Deutschen nach Olympiasilber auch vom WM-Coup träumen

Erinnerungen an 2011

In Kosice steigt mit dem nordischen Klassiker Finnland gegen Schweden die Neuauflage des letzten WM-Finales auf slowakischen Boden. 2011 setzten sich die Finnen gegen ihren Erzrivalen von der anderen Seite des Bottnischen Meerbusens mit 6:1 durch und holten sich ihren zweiten Titel. Die Hoffnung, dass sich die Geschichte wiederholt, trägt unter anderem „Wunderkind“ Kaapo Kakko. Der 18-Jährige, der im NHL-Draft als potenzielle Nummer eins gehandelt wird, schoss bisher sechs Tore – teilweise mit dem Prädikat sehenswert.

Die Schweden jagen den dritten Titel in Folge, ein Coup der zuletzt Tschechien von 1999 bis 2001 gelang, in der Schlussphase der Vorrunde kam der schwedische Motor jedoch etwas ins Stottern. Vor allem die 4:7-Schlappe gegen Russland war ein herber Dämpfer für das Selbstbewusstsein der mit 21 NHL-Spielern angetretenen „Tre Kronor“. Mit William Nylander (fünf Tore, zwölf Assists) von den Toronto Maple Leafs stellen die Schweden aber den bisherigen Topscorer des Turniers.

Chance zur Revanche für Kanada

Kanada fabrizierte mit dem 1:3 gegen Finnland zwar einen Fehlstart, fand nach dem Weckruf jedoch souverän in die Spur. Vor allem das Powerplay war die bisherige Stärke der „Ahornblätter“. Die Nordamerikaner brachten es im Powerplay bei zehn erzielten Toren auf eine Erfolgsquote von 52,63 Prozent. Damit waren sie die klare Nummer eins. Zusätzliche Motivation gibt den Kanadiern in Kosice die jüngste Bilanz gegen die Schweiz. Die jüngsten beiden WM-Duell mit den Eidgenossen wurden verloren. Im Vorjahr zog man im Semifinale mit 2:3 den Kürzeren.

Die Schweizer setzten sich in der Gruppenphase zwar gegen die Außenseiter Lettland, Norwegen, Italien und Österreich mehr oder weniger sicher durch, verloren jedoch die aus ihrer Sicht richtungsweisenden Spiele gegen Russland, Tschechien und Schweden. Grund dafür war vor allem das trotz schussgewaltiger Akteure wie Roman Josi nicht optimal funktionierende Powerplay. Lediglich 11,43 Prozent betrug die Schweizer Erfolgsquote in Überzahl. Nur Absteiger Österreich (9,09), so wie Italien und Großbritannien (beide 0) waren im Powerplay noch schlechter.