Jubel von Brasiliens Marta
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Fußball-WM

Marta veredelt ihre Rekordkarriere

Marta Vieira da Silva, besser bekannt als Marta, hat seit Dienstag einen neuen Eintrag in den Geschichtsbüchern des Fußballs. Die 33-jährige Brasilianerin erzielte bei der WM in Frankreich ihren 17. Treffer bei einer Endrunde und ließ damit auch alle Fußballer in dieser Kategorie weit hinter sich. Marta veredelte damit ihre Rekordkarriere.

In der 74. Minute wurden die Zuschauer am Dienstag im Stade du Hainaut in Valenciennes Zeugen des historischen Moments: Marta trat zum Elfmeter an und verwertete sicher zum 1:0-Sieg über die Italien und zum Aufstieg ins Achtelfinale. Mit ihrem 17. Treffer bei einer WM setzte sich die Brasilianerin in der ewigen Bestenliste alleine an die erste Stelle. Nach ihrem Treffer bei der 2:3-Niederlage gegen Australien hatte sich die 33-Jährige die Führung mit dem Deutschen Miroslav Klose mit 16 Treffern geteilt.

Damals hatte sich Marta noch geärgert, dass ihr ein deutscher TV-Reporter zur Einstellung des Rekords von Klose keine Frage gestellt hatte. „Mein Gott, wie konntet ihr das vergessen? Ich habe jetzt auch 16 Tore geschossen, genau wie euer Klose. Das hättet ihr auch mal fragen können“, stellte Marta am vergangenen Donnerstag einen Reporter des deutschen ZDF bloß. Die Brasilianerin ist auch die einzige Spielerin, die bei fünf Endrunden zumindest ein Tor erzielt hat. Einem Mann gelang das bisher nicht.

Martas Schuss in die Geschichtsbücher

Vom Elfmeterpunkt lässt sich Marta gegen Italien die Chance, WM-Geschichte zu schreiben, nicht entgehen.

Anders als noch nach dem 16. Treffer tangierte das Rekordtor Marta nur am Rande. Obwohl mit sechs Punkten gleichauf mit Italien und Australien, das Jamaika dank eines verbandshistorischen Viererpacks von Sam Kerr mit 4:1 besiegte, landeten die Brasilianerinnen aufgrund der schlechteren Tordifferenz zwar nur auf dem dritten Platz, sind aber trotzdem fix als einer von vier Dritten im Achtelfinale. „Wir haben unser erstes Ziel erreicht: uns zu qualifizieren“, sagte Marta, „natürlich war es unser Ziel, Erste werden, aber wir reden hier immer noch von der Weltmeisterschaft.“

Auf einer Stufe mit Pele

Die gegen die Italienerinnen aufgestellte Bestmarke ist trotzdem das i-Tüpfelchen einer beispiellosen Karriere. Am 19. Februar 1986 wurde Marta in Dois Riachos im brasilianischen Bundesstaat Alagoas im Nordosten des Landes geboren. Im Alter von sieben Jahren brachten ihre Cousins Marta mit dem runden Leder in Kontakt und liefen dem Mädchen schon bald hinterher. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich das relativ gut kann, auch gegen die Burschen, die älter und stärker waren als ich, hatte ich eine Chance“, sagte die Stürmerin. Mit zwölf reifte schließlich der Entschluss, Profi zu werden.

Egal wo sie kickte, die Stürmerin, deren Profikarriere bei Vasco da Gama in Rio de Janeiro begann, sorgte für Furore: sei es im hohen Norden beim schwedischen Topclub Umea, wo sie in 103 Spielen von 2004 bis 2008 insgesamt 111 Tore erzielte, oder in Florida bei Orlando Pride, wo Marta seit 2017 dem Leder nachjagt. Für Brasilien erzielte die 33-Jährige in bisher 146 Länderspielen 112 Tore. Sechsmal wurde Marta zur Weltfußballerin gewählt – auch in dieser Kategorie kann kein männlicher Spieler mithalten.

Brasiliens Marta im Zweikampf mit Italiens Bartoli
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In Brasilien (l.) tragen Fans Martas Trikot mit der Nummer zehn genauso oft wie jenes von Neymar

Marta steht in ihrer Heimat daher in der Popularität auf einer Stufe mit ihren männlichen Pendants. Bei Olympia 2016 strichen Anhänger sogar den Namen Neymar vom Trikot mit der Nummer zehn und ersetzten ihn mit Marta. Selbst mit der lebenden Legende Pele wird Marta, der „Pele im Rock“, wie Fans die 33-Jährige politisch nicht korrekt feiern, immer wieder verglichen. Ihr Erfolgsgeheimnis ist ihre Leidenschaft für das Spiel: „Das Größte, das du erreichen kannst, sind Torerfolge und Siege mit deiner Mannschaft“, so die Brasilianerin.

Ein kleiner Makel

Nur etwas fehlt Marta noch zur Vollendung: ein Titel bei einer großen internationalen Endrunde. Die Copa America Femenina konnte die Stürmerin mit Brasilien zwar dreimal gewinnen (2003, 2010, 2018) und auch bei den Pan-America-Spielen holte sich die „Selecao“ zweimal (2003, 2007) mit Marta Gold, bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen war der Ausnahmespielerin jedoch das Glück nicht hold.

Bei Olympia musste sich Marta mit Brasilien sowohl 2004 in Athen als auch 2008 in Peking im Finale jeweils den USA geschlagen geben. Bei Weltmeisterschaften schaffte es die „Selecao“ überhaupt nur einmal ins Finale. Bei der Endrunde 2007 in China war Marta zwar mit sieben Treffern beste Torschützin, im Finale machte die Stürmerin jedoch keinen Stich. Brasilien unterlag Deutschland mit 0:2.

Kampf für Gleichberechtigung

Die WM 2019 in Frankreich ist Martas letzte Chance, noch einmal um den WM-Titel zu kämpfen. Wobei eine lange Fortsetzung der Karriere nicht ausgeschlossen ist, wie ihre 41-jährige Teamkollegin Formiga dieser Tage beweist. Der 17. Treffer bei einer WM soll jedenfalls nicht der letzte für Marta sein. „Ich bin geehrt, aber es gibt bei diesem Turnier noch viel zu tun“, sagte die Rekordtorjägerin bereits nach ihrem 16. WM-Tor gegen Australien.

Marta im Porträt

Der Star der brasilianischen Mannschaft arbeitete sich aus ärmlichen Verhältnissen an die Spitze.

Alleine der Kampf um Gleichstellung mit den männlichen Fußballern könnte Martas Karriereende noch um viele Jahre verschieben. Nach ihrem erfolgreichen Elfmeter gegen Australien, mit dem sie mit Klose in der Bestenliste gleichzog, deutete Marta beim Torjubel auf ihre Schuhe mit rosa und blauen Zeichen, um vor allem auf die finanzielle Benachteiligung der Fußballerinnen hinzuweisen.

Die UNO-Botschafterin für Frauen und Mädchen im Sport statuierte im vergangenen Jahr ein Exempel und verzichtete freiwillig auf Sponsorgeld, indem sie ihren Werbevertrag mit dem US-Sportgiganten Nike nicht verlängerte. Grund: Der Konzern hatte Marta einen deutlichen geringeren Vertrag als den männlichen Spielern angeboten. Ihr noch größerer Traum als der WM-Titel: „Ich will, dass Frauen die Gelegenheit haben, all das zu machen, was sie wollen. Das hoffe ich wirklich sehr“, sagte Marta.