Anouk Dekker (NED) und Alex Morgan (USA)
AP/David Vincent
Fußball-WM

Frauen setzen neue Maßstäbe

Die achte Fußballweltmeisterschaft der Frauen ist mit einem Favoritensieg zu Ende gegangen. Die Rekordweltmeisterinnen aus den USA feierten am Sonntag mit einem 2:0 in Lyon gegen die Niederlande ihren vierten Titel. FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach von der „besten Frauen-WM aller Zeiten“, tatsächlich setzte diese Endrunde neue Maßstäbe.

„Das Niveau im Frauenfußball ist insgesamt sehr gestiegen seit der letzten WM. Es war eine große Herausforderung, und die Niederlande haben es uns sehr schwer gemacht. Deshalb bin ich unglaublich stolz auf mein Team“, sagte US-Trainerin Jill Ellis nach dem Finale, das vor 57.900 Zuschauern im Parc Olympique Lyonnais vonstatten ging.

Die Niederländerinnen schafften es bei ihrer zweiten WM-Teilnahme ins Endspiel, mussten sich aber dem Titelverteidiger beugen. „Der Gegner war einfach besser“, betonte Teamchefin Sarina Wiegmann, die aber in eine rosige Zukunft blickt. „Es steckt großes Potenzial in unserem Team“, so die 49-Jährige über die regierenden Europameisterinnen.

USA verteidigen Titel erfolgreich

Im Finale fixieren die US-Amerikanerinnen die Titelverteidigung mit einem 2:0-Sieg über die Niederlande.

Höhere Dichte

Den europäischen Aufschwung im Frauen-Fußball spürten auch die zweimaligen Weltmeisterinnen aus Deutschland am eigenen Leib. Bereits im Viertelfinale war gegen Schweden nach einem 1:2 Schluss. England schaffte es erneut ins Halbfinale, in dem gegen die USA mit 1:2 Endstation war. Ein Indiz für die gestiegene Dichte war auch das frühe Aus der zweimaligen Weltmeisterinnen aus Japan im Achtelfinale. Dort musste sich auch Brasilien um Superstar Marta beugen.

Die USA dürfen schon zum vierten Mal auf dem WM-Thron Platz nehmen – doch die Zukunft könnte deutlich mehr von Europa oder auch Asien geprägt sein. Im Viertelfinale standen 2019 sieben Teams aus Europa, bei den vergangenen drei U20-Weltmeisterschaften hießen die Sieger Deutschland, Nordkorea und Japan. Nur einmal, 2016, schafften es die USA überhaupt ins Semifinale. Bei der Endrunde der A-Teams wurden die „Golden Girls“ ihrer Favoritenrolle aber gerecht.

„Die unglaublichste Show“

„Wir haben die unglaublichste Show geliefert, die man sich je vorstellen könnte“, sagte Megan Rapinoe, die Frontfrau der US-Girls, die überhaupt die prägende Figur des Turniers war. Nicht nur erhielt die 34-Jährige den Goldenen Ball als beste Spielerin und den Goldenen Schuh als beste WM-Torschützin, sie schrieb mit ihren Botschaften für Gleichberechtigung sowie gegen Homophobie, Rassismus und Ausgrenzung auch abseits des Sportlichen die Schlagzeilen.

Megan Rapinoe (USA) und Gianni Infantino
Reuters/Bernadett Szabo
Megan Rapinoe (im Bild mit FIFA-Präsdent Gianni Infantino) war auch abseits des Rasens die prägende Figur dieser WM

„Mit ihrer Persönlichkeit ist Megan wie dafür gemacht, ein Lautsprecher für den Frauenfußball zu sein“, sagte Ellis. „Es gibt Menschen, die verbrennen im Scheinwerferlicht. Sie lässt es erstrahlen.“ Auch am 2:0-Sieg der USA im Finale gegen die Niederlande war Rapinoe entscheidend beteiligt. In der 61. Minute sorgte sie mit einem eiskalt verwandelten Elfmeter für die Vorentscheidung. Rose Lavelle (69.) setzte wenig später den zweiten Treffer drauf.

Interesse gestiegen

Rapinoe und Co. haben ihre Popularität in den USA in den vergangenen zwei Wochen noch einmal gesteigert. Doch das Besondere dieser WM war, dass die kickenden Damen auch in den europäischen Fußballnationen Räume eroberten, die normalerweise den Männern vorbehalten sind. Laut dem Fußballweltverband (FIFA) haben auf allen TV-Kanälen und Plattformen mehr als eine Milliarde Menschen die WM-Spiele verfolgt. Die Rekordmarke bedeutet eine Verdopplung im Vergleich zur WM in Kanada vor vier Jahren.

In England war das Semifinale gegen die USA die Sportübertragung mit dem größten TV-Publikum seit dem WM-Semifinale der „Three Lions“ vor einem Jahr gegen Kroatien. Nach dem anderen Semifinale widmete „De Telegraaf“, die größte Zeitung der Niederlande, die gesamte Titelseite den erfolgreichen „Oranjeleeuwinnen“. Auch in Frankreich, Italien und Spanien hat sich in dieser Hinsicht binnen kurzer Zeit extrem viel getan.

Mehr Preisgeld

Ein anderes Thema, das die WM im Hintergrund begleitet hat, war das Ringen um finanzielle Gleichstellung. Rund um die Siegerehrung waren auch am Sonntag in Lyon von den Rängen öfters „Equal Pay!“-Rufe zu hören. Sie kamen hauptsächlich von Fans aus Amerika, die damit die Forderungen ihres Nationalteams nach gleichen Prämienzahlungen bekräftigten. Die niederländischen Anhänger stimmten mit ein.

Fans bei der Frauen Fußball-WM
AP/Alessandra Tarantino
Auch die Fans forderten bei der WM in Frankreich eine finanzielle Gleichstellung für die Frauen

Infantino, der von der besten Frauen-WM „aller Zeiten“ sprach, versprach am Freitag, das Preisgeld beim nächsten Turnier 2023 von 30 auf 60 Millionen US-Dollar (rund 53,4 Mio. Euro) zu erhöhen. Doch die Lücke ist weiter groß und wird sogar noch größer – denn auch die Männer-Prämien steigen weiter. 2018 in Russland erhielt allein Weltmeister Frankreich eine Prämie von 38 Millionen US-Dollar (damals 32,5 Mio. Euro). Die Gesamtprämien für die nächste Männer-WM in Katar 2022 sollen rund 440 Millionen US-Dollar betragen.

Vor diesem Hintergrund ist auch klar, warum sich Rapinoe weiter für die Gleichstellung einsetzen will, selbst wenn sie ihre internationale Karriere früher oder später beenden wird. „Jeder fragt sich, was als Nächstes kommt, und was wir von all dem mitnehmen“, sagte der US-Star. „Ich glaube, wir haben damit abgeschlossen, dass wir uns fragen: Sind wir das wert? Sollen wir gleich bezahlt werden? Sind die Märkte die gleichen? Jeder ist fertig damit, die Fans, die Spieler und auch die Sponsoren. Wir müssen zum nächsten Punkt übergehen.“

Aufstockung angestrebt

Womöglich war es unterdessen die letzte Frauen-WM mit 24 Mannschaften. Infantino strebt eine Aufstockung auf 32 Teams an – möglichst schon zur WM 2023. Wo diese stattfindet, soll im März 2020 in Amsterdam vom FIFA-Council (37 Mitglieder) entschieden werden. Bei der nächsten Council-Sitzung im Oktober in Schanghai müsste aber zunächst über eine Ausweitung abgestimmt werden.

Stand heute gibt es neun Bewerber für die WM-Endrunde in vier Jahren – so viele wie nie zuvor. Süd- und Nordkorea wollen sie gemeinsam ausrichten. Interesse an der Gastgeberrolle haben auch Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Japan, Neuseeland und Südafrika hinterlegt. Bis zum 4. Oktober müssen die Länder bei der FIFA ihre Bewerbung offiziell einreichen.