Spieler von Madagaskar jubeln
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Afrikacup

Ein Märchen a la Madagaskar

Die 32. Ausgabe des Afrikacups war bisher nicht arm an Überraschungen. So sind Gastgeber Ägypten und Titelverteidiger Kamerun bereits Zuschauer. Doch das ist alles nichts gegen den Erfolgslauf Madagaskars. Das Sensationsteam kämpft am Donnerstag gegen Tunesien um den Einzug ins Semifinale – und sieht sich noch lange nicht am Ende.

„Wir sind die Hoffnung und die Stars der afrikanischen Teams“, sagte sogar Staatspräsident Andry Rajoelina nach dem Sieg gegen die Demokratische Republik (DR) Kongo im Achtelfinale. Der Staatschef ging sogar noch einen Schritt weiter: Madagaskar, das erstmals in seiner Geschichte an einem großen Turnier teilnimmt, werde sogar den Titel holen, sagte Rajoelina vor dem Duell mit dem Gewinner des Afrikacups 2004 Tunesien.

Der Debütant aus dem nach Indonesien zweitgrößten Inselstaat der Erde sorgte bereits von Turnierbeginn weg für Furore und erinnerte aus europäischer Sicht an den Erfolgslauf Islands bei der EM 2016. Erst ließ Madagaskar in der Vorrunde die „Super Eagles“ aus Nigeria mit 2:0 hinter sich. Dann behielten Kapitän Faneva Ima Andriatsima und Co. gegen die DR Kongo die Nerven und setzten sich im Elfmeterschießen mit 4:2 durch. Der „bisher größte Schock“ des Turniers, wie der kenianische Sender NTV es nannte, war perfekt. Nun hofft man in Madagaskar auf das nächste Wunder.

Marco Ilaimaharitra (MDG) und Oghenekaro Etebo (NGA)
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In der Vorrunde biss sich Nigeria an Marco Ilaimaharitra (l.) und Co. die Zähne aus

Überraschung trotz minimaler Mittel

Der Afrikacup 2019 hat so oder so einen prominenten Platz in den Annalen des Nationalteams. 49 große Turniere wurden seit dessen Gründung im Jahr 1947 gespielt – Madagaskar war bei keinem einzigen dabei. Entweder wurde die Qualifiktion verpasst, die Teilnahme an jener zurückgezogen oder man trat erst gar nicht an. Heuer qualifizierte sich Madagaskar via Vorrundenduell gegen Sao Tome und Platz zwei in seiner Gruppe hinter Senegal, aber vor Äquatorialguinea und dem Sudan erstmals für eine Endrunde.

Fußball ist in Madagaskar zwar beliebt, wer mit seinem Sport Geld verdienen will, der muss aber ins Ausland. Denn eine Profiliga gibt es in dem knapp 590.000 Quadratkilometer großen Inselstaat vor der Ostküste Afrikas, der wirtschaftlich zu den Entwicklungsländern gehört, nicht. Die meisten Spieler zieht es daher in die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, zu der die Beziehungen trotz der 1960 erklärten Unabhängigkeit noch immer eng sind.

Die Kassen des Verbands sind ebenfalls nur spärlich gefüllt. Kein Wunder, denn Madagaskar zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Drei Viertel der 25 Millionen Einwohner leben in Armut. Der Internationale Fußballverband (FIFA) zahlte im Förderprogramm „Forward“ von 2013 bis 2016 umgerechnet 1,8 Millionen Euro an den Landesverband Federation Malgasy de Football (FMF). Eine finanzielle Unterstützung von Präsident Rajoelina von umgerechnet 170.000 Euro machte die Teilnahme am Turnier in Ägypten überhaupt erst möglich. Dank der Geldspritze konnte das Mannschaftsquartier bezahlt werden.

Teamgeist als größte Stärke

Der sportliche Erfolg sei aber nicht über Nacht erfolgt, sagte Jean-François Debon, technischer Leiter beim Landesverband FMF. „Die Gruppe wurde Stück für Stück geformt und zusammengeschweißt“, so der Funktionär. Debon spricht von Kameradschaft und einem „perfekten“ Maß an Solidarität. „Wenn in einem Team alles funktioniert, lässt es sich nur schwer wieder aufhalten. Der Wille zum Sieg ist da“, sagte er.

In die Wege geleitet hat den neuen Zusammenhalt im Team der Franzose Nicolas Dupuis, der die Mannschaft seit März 2017 trainiert. Die Spieler würden ihm geradezu an den Lippen hängen, sagte Debon. Dupuis scheint den Elan der Mannschaft erkannt zu haben und hält ihnen die Treue, auch wenn er sein Gehalt mit einem zusätzlichen Job beim französischen Viertligisten FC Fleury aufbessern muss.

Euphorie auf der Insel

Am Donnerstagabend wartet in Kairo gegen die Remisspezialisten aus Tunesien – die Nordafrikaner spielten bisher in allen Partien unentschieden und kamen im Achtelfinale im Elfmeterschießen weiter – die nächste Bewährungsprobe und die nächste Chance, Madagaskar abseits seiner Naturschönheiten in die Auslage zu stellen. Es sei die Chance, das Land auch als Fußballnation bekannt zu machen, sagte Mirado Rakotoharimalala, Berater und Ex-Sprecher beim Verband FMF.

Fans von Madagaskar jubeln
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In der Heimat kennt die Euphorie über die erfolgreichen Kicker keine Grenzen

Madagaskars Hauptstadt Antananarivo im Zentrum des Landes bereitet sich jedenfalls schon auf den nächsten Streich vor. Überall in der Stadt laden Leinwände zum Public Viewing ein. Ein wichtiges Service, denn laut Statistik besitzt nur jeder 25. Madegasse ein eigenes TV-Gerät. Wer es sich leisten konnte, versuchte sogar einen Flug nach Kairo zu erwischen. Der Andrang bei Reisebüros war jedenfalls groß – und das trotz der für madegassische Einkommen unerschwinglichen Preise.

„Die Tickets sind teuer, 500 Euro für einen Flug pro Person und das Hotel“, sagte etwa Nirampianina Randrianarivelo, der alle seine Ersparnisse für die 5.700 Kilometer weite Reise in die ägyptische Haupstadt zusammengekratzt hat. Denn die Chance, auf einer großen Sportbühne zu glänzen, gibt es für Madagaskar nicht oft. „Ich will sie beim Sieg unterstützen“, sagte Randrianarivelos 19 Jahre alter Sohn Sitraka. Die Teilnahme der Mannschaft am Turnier sei „wie ein Traum“.