Jubel von Mario Kempes bei der WM 1978
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Fußball

Ein Weltmeister in der „Operettenliga“

Für viele Fans ist der 125. Geburtstag der Vienna eine willkommene Reise in die ruhmreiche Vergangenheit des ältesten Fußballclubs Österreichs. Neben sportlichen Erfolgen wartete der Club in den 1980er Jahren sogar mit der Verpflichtung eines echten Weltmeisters auf. Das Jubiläum führt Mario Kempes nun zurück an seine alte Wirkungsstätte.

Der Argentinier, der mit den „Gauchos“ 1978 Weltmeister und beim Heimturnier auch Torschützenkönig war, ist einer der erfolgreichsten Fußballer, die je in der österreichischen Liga gespielt haben. „Ich erinnere mich immer gerne an die Zeit“, sagt der 65-Jährige, der am Sonntag wieder in Wien gelandet ist. Das Niveau in der Liga, die im Ausland abschätzig oft als „Operettenliga“ bezeichnet wurde, sei damals „alles andere als niedrig“ gewesen.

Es war ein Transfer, der international Beachtung fand. Kempes auf der Hohen Warte – „das ist ungefähr so, als wäre der Papst im Frühjahr Pfarrer von Grinzing“, schrieb die „Kronen Zeitung“ im Jänner 1986. Eine Analogie zu den heutigen Verhältnissen im Fußball wäre etwa gegeben, wenn Barcelona-Ikone Andres Iniesta 2018 nicht nach Japan zu Vissel Kobe, sondern zu Wattens oder Mattersburg gewechselt wäre.

Fußballstar Mario Kempes in Wien

Mario Kempes war WM-Torschützenkönig und spielte in Österreich unter anderem bei der Vienna, die Kempes nun zum 125-Jahr-Jubiläum einlud.

Matchwinner im WM-Finale 1978

Denn wie Iniesta das WM-Finale 2010 zugunsten Spaniens entschied, hatte Kempes 1978 Argentinien auf heimischem Boden zum Titel geschossen. Im WM-Finale gegen die von Ernst Happel trainierten Niederländer (3:1 n. V.) schrieb der auf dem Platz umtriebige Mittelstürmer in Buenos Aires zweimal – zum 1:0 (38.) und 2:1 (105.) – an. Mit sechs Treffern wurde er Torschützenkönig, zudem zum besten Spieler des Turniers gewählt. Im Vereinsfußball gewann er zwei Jahre später mit Valencia den Europacup der Cupsieger.

Mario Kempes jubelt nach einem Tor gegen Niederlande im WM-Finale 1978
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Im WM-Finale traf „El Matador“ Kempes in der Verlängerung zum vorentscheidenden 2:1

„Ich wollte Spaß am Fußball haben. Das war wichtig“, erklärte Kempes im APA-Interview, warum er 1986 von Hercules Alicante zur Vienna wechselte, die damals im Mittleren Play-off um den Aufstieg kämpfte. Einfädler des spektakulären Coups waren unter anderem der Spielermanager Josef „Pepi“ Schulz mit seiner Agentur und Ex-Austria-Stürmer Carlos Sintas aus Uruguay. Fünf Millionen Schilling Ablöse (363.000 Euro) sollen damals an den spanischen Oberhausnachzügler geflossen sein.

Mario Kempes mit einem Trikot der Vienna
APA/Vienna
Kempes spielte insgesamt sechs Jahre in Österreich

Ein Hauch großer Fußballwelt

Trotz anhaltender Knieprobleme machte Kempes inklusive Cup knapp 40 Partien für die Blau-Gelben, erzielte dabei 13 Tore. Im Alleingang konnte er zwar keine Spiele entscheiden, doch wenn der langhaarige, schlaksige Linksfuß zu Tempodribblings ansetzte, 40-Meter-Pässe gefühlvoll an den Mann brachte und aus 30 Metern ins Netz traf, wehte das Flair der ganz großen Fußballwelt durch die spärlich besuchten Stadien.

Am 4. April 1986 kamen laut offiziellen Zahlen aber sogar 11.000 Zuschauer auf die Hohe Warte. Zu sehen gab es das kleine Derby Vienna gegen den Wiener Sport-Club mit Hans Krankl. Die Vienna gewann in diesem Jahr das Mittlere Play-off und verpasste im folgenden Herbst als Neunter nur um einen Zähler das Meister-Play-off. Im Frühjahr 1987 gelang souverän der Klassenerhalt. Neben dem Superstar waren die bekanntesten Spieler Peter Artner, Gerd Steinkogler und Alfred Tatar, zu dem Kempes einen besonders guten Draht entwickelte.

Von der Vienna über St. Pölten nach Krems

Nach Ende des Vienna-Engagements wechselte er zum zweitklassigen VSE St. Pölten, wohin es auch Tatar verschlug. Drei Jahre später heuerte Kempes beim Kremser SC an. „Nur weil das kleinere Clubs sind, heißt das doch nicht, dass sie keine so großen Ambitionen und Ziele hatten wie die großen Vereine“, sagte er. 1992 verließ Kempes Österreich. Seine Trainerkarriere führte ihn in Länder wie Albanien, Indonesien, Venezuela und Bolivien.

Seit einigen Jahren lebt er nun schon in Connecticut an der US-Ostküste und arbeitet als TV-Experte für den Sender ESPN Deportes. Die Verbindung zu Wien riss trotzdem nie ab. Eine seiner vier Töchter, Magali, ist in der Stadt mit Mann und zwei Kindern sesshaft geworden. „Österreich ist ein großartiges Land und Wien eine fantastische Stadt“, schwärmt der fünffache Vater und fünffache Großvater.

Volles Programm beim Geburtstagsfest

Am Donnerstag wird Kempes in Döbling mit vielen Ex-Vienna-Kollegen auf den Geburtstag des ältesten Fußballvereins in Österreich anstoßen. Am Freitag (16.00 Uhr) gibt es eine Autogrammstunde. Schon davor, am Mittwoch, präsentiert der in der Provinz Cordoba geborene Weltstar im Cervantes-Institut am Schwarzenbergplatz im Beisein von „Goleador“ Krankl seine Autobiografie – „Matador“. Kempes ist übrigens seit Oktober 2010 in seiner Heimat ein – auch aus rot-weiß-roter Sicht – ganz besonderes Stadion gewidmet: Das Estadio Mario Alberto Kempes, in dem Österreich Deutschland 1978 besiegte.