Gerhard Berger
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Chronik

Gerhard Berger feiert seinen 60er

Er ist der letzte Pilot gewesen, den Enzo Ferrari persönlich ausgewählt hat, hat die wilden Jahre der Formel 1 überlebt und ist Weltmeister im Verdienen gewesen. Nur der sportliche WM-Titel fehlt in der Karriere des Gerhard Berger. Der Tiroler ist nach Jahrzehnten in Monaco in seine Heimat zurückgekehrt und lebt mit seiner Familie in Söll. An seinem 60. Geburtstag blickt Berger „sehr gerne“ auf sein bisheriges Leben zurück.

Denn Berger fuhr zwischen 1984 und 1997 nicht nur in der „geilsten“ Zeit der Formel 1, der am 27. August 1959 in Wörgl geborene Tiroler wuchs auch in einem Jahrzehnt auf, in dem heute unvorstellbare Dinge möglich waren.

„Es war ein bissl wie im Wilden Westen. Statt der Pferde hatten wir halt Mopeds oder Motorräder“, gestand Berger anlässlich seines Geburtstages der APA. Die Eltern hätten ihn wahlweise vom Krankenhaus oder der Polizei abholen müssen. „Ich habe alles gemacht, was Gott verboten hat.“

Formel-1-Legende Berger wird 60

Am Dienstag feiert eine heimische Motorsportikone Geburtstag. Gerhard Berger wird 60 Jahre alt.

Auf den Landstraßen Tirols, im Wald und auch auf den Parkplätzen des elterlichen Transportbetriebs schärfte Berger mangels sicherer Kart-Strecken jene Sinne und Reflexe, die ihn zu einem der begehrtesten F1-Piloten machten. Und vielleicht mithalfen, dass der Österreicher dem Tod nicht nur in der Formel 1 – wie etwa beim Feuerunfall 1989 in Imola oder 1993, als ihn in Estoril eine „spinnende“ Radaufhängung fast umgebracht hätte – mehrmals von der Schaufel sprang.

Gerhard Berger wird von der Rettung abtransportiert
AP/Ferrari
Bei seinem schweren Unfall in der Tamburello-Kurve hatte Gerhard Berger Glück im Unglück

Fehlender WM-Titel ein „Schönheitsfehler“

Auch der Geschäftssinn wurde im heimatlichen Betrieb geschärft und machte den Unternehmersohn zu einem so geschickten Verhandler, dass er beim Karriereende 1997 von Medien auf gut 100 Millionen Euro taxiert wurde. Und das, obwohl Berger von den 210 GP-Rennen seiner fast 14 Jahre dauernden Karriere nur zehn gewonnen hat und zweimal WM-Dritter war. Dafür war der gelernte Automechaniker Teamkollege und Freund des großen Brasilianers Ayrton Senna bei McLaren, fuhr gleich zweimal und für jeweils drei Jahre gut bezahlt für Ferrari.

TV-Hinweis

ORF Sport + zeigt am Dienstag um 14.30 Uhr („Die F1-Karriere“) und 22.15 Uhr („Stationen einer Karriere“) zum 60. Geburtstag von Gerhard Berger zwei Dokumentationen.

Der ausgebliebene WM-Titel ist für Berger heute lediglich ein „Schönheitsfehler“. Als Grund gibt er unbefangen an: „Ich war einfach nicht gut genug. Das kann man nicht beziehen auf einzelne Faktoren, ob ich nicht schnell oder clever oder risikofreudig genug war. Diese Komponenten waren bei mir sehr ausgeprägt. Am Ende des Tages war ich einfach nicht diszipliniert genug, habe nicht genug daran gearbeitet. Es gibt keine weiteren Erklärungen.“

„Immer gemacht, was ich gerne getan habe“

Die einzig wirkliche Lebensniederlage sei vielmehr seine gescheiterte Ehe in Monaco gewesen, hatte Berger schon in einem früheren Interview gemeint. Sonst, so Berger, seien alle seine Lebensträume wahr geworden. „Ich habe mein ganzes Leben immer gemacht, was ich gerne getan habe. Ich glaube daher, dass kaum jemand so gerne zurückblickt auf sein bisheriges Leben wie ich“, traut er sich als jemand zu sagen, der „eigentlich immer nur nach vorne schaut“.

Gratulationen zum 60. Geburtstag an Gerhard Berger

Die ersten Gratulationen zu Gerhard Bergers 60er kommen u. a. von seinen Schützlingen im Deutschen Tourenwagen Masters (DTM).

Er habe ein Leben geschenkt bekommen, das von Kindheit an mehrheitlich fast nur glückliche Tage beinhaltet habe. „Ich habe mich jeden Tag gefreut beim Aufstehen, von Kindheit und Jugend an. Mir ist bewusst, dass das absolute Einzelfälle sind und dass ich da dazu gehöre.“ Dafür, so versichert Berger, sei er sehr dankbar.

Als Rennpilot in einer Formel-1-Epoche, in der die Autos 1.400 PS und erst gegen Ende wirklich sichere Fahrerzellen hatten, musste er mit ansehen, wie Kollegen und Freunde tödlich verunglückten. „Heute“, so Berger, „sitze ich da und bin 60. Denn am Ende habe ich das Ganze überlebt auch noch. Wer dieses Glück und Pech im Leben einteilt, habe ich noch nicht verstanden.“

Gerhard Berger
GEPA/Franz Pammer
Mit Ferrari feierte Gerhard Berger fünf seiner insgesamt zehn Grand-Prix-Siege

Aufstieg zum österreichischen Sporthelden

Berger kam relativ spät und erst als fast 25-Jähriger in die Formel 1. Im Jahr 1984 nahm er auf dem Österreichring mit einem ATS erstmals an einem Grand-Prix-Rennen teil. Einen Heimsieg wie Lauda schaffte er auch 1986 im Benetton trotz Führung und schnellster Rennrunde nicht. Dafür war Berger praktisch Nachfolger des heuer verstorbenen Wieners in der damals nahtlosen, rot-weiß-roten Fahrerkette der Motorsport-Königsklasse. Heute ist ausgerechnet Bergers Neffe Lucas Auer der Pilot, der noch am nächsten dran ist an einem F1-Sitz.

Vor allem durch sein folgendes Engagement bei Ferrari wurde Berger rasch zum österreichische Popstar der Sportszene. Der Tiroler war Kumpel von Musikstars wie Hans „Falco“ Hölzel und Ex-Beatle George Harrison, lebte ein Vollgasleben auf der Strecke und privat. Dazu kam, dass der schlitzohrige Frauenliebling aus Tirol – und das war untypisch für die Formel 1 – für jeden Spaß zu haben war. Bergers Streiche waren gnadenlos und legendär. Einmal warf er sogar den Koffer von Senna aus dem Hubschrauber.

Ayrton Senna, Jean Alesi, Gerhard Berge rund Prinz Albert
APA/AFP/-
Ayrton Senna und Gerhard Berger waren mehr als nur Teamkollegen bei McLaren

Von Monaco zurück in die Berge

Rasch hatte Bergers Karriere auch finanziell Dimensionen erreicht, die einen Umzug ins Steuerparadies Monaco sinnvoll machten – Privatflugzeug und Jacht inklusive. Heute ist Berger froh, alles verkauft zu haben und wieder in den heimatlichen Bergen und in einem Land mit vier Jahreszeiten zu sein. „Ich gehöre eher in die Berge und nicht ans Meer“, versichert Berger im einstigen Ferienhaus, das in Hoch-Söll direkt an der Skipiste liegt. Die jüngsten Kinder Ella (fünf) und Johan (zwei), die Berger mit Lebensgefährtin Helene hat, nutzen das begeistert.

„Ich wurde mal gefragt, was das beste Investment meines Lebens war. Ich habe gesagt, eigentlich meine Kinder. Sie tragen meine Gene weiter und führen mich in die nächste Generation. Kinder sind das, was am Ende von dir übrig bleibt. Dass man mit ihnen liebvoll umgeht, habe ich von meinen Eltern gelernt. Den vier Mädels kann ich vielleicht etwas weniger mitgeben, weil ich ja in dieser Männerwelt zu Hause bin. Ich bin da also eher für den Blödsinn zuständig“, sagt Berger.

Berger ist mit 60 offenbar auch so weit, die eigene Wertschätzung anzunehmen. So hat er seine Siegestrophäen zusammengeholt und im Wohnhaus aufgestellt. Allerdings nicht um Eitelkeiten zu huldigen. „Sie wecken schöne Erinnerungen an tolle Rennen. Etwa jenes in Adelaide 1987, mein wahrscheinlich bestes Rennen überhaupt. Mittlerweile bin ich stolz darauf“, sagt Berger, der auch seinen geschwärzten Helm vom Imola-Feuerinferno aufbewahrt hat. Vom gemütlichen Büro aus hat er einen großartigen Panoramablick bis hinüber zum Wilden Kaiser.

Gerhard Berger mit Pokalen und seinem Helm, den er bei seinem Feuerunfall 1989 in Imola trug
APA/Hans Klaus Techt
Aus vielen Garagen zusammengetragen ist Gerhard Berger mittlerweile stolz auf seine zahlreichen Trophäen

Gedanken über die Zukunft

Der Hausherr selbst ist sanfter geworden. Aber nicht rastloser. Der Mann, der als Bekenntnis zum Leben fünf Kinder mit drei Frauen gezeugt und nun den Heimathafen gefunden hat, feiert als DTM-Chef dieses Wochenende den 500. Lauf des Deutschen Tourenwagen Masters. „In die DTM bin ich gegangen, weil ich mir nach meiner Rückkehr nach Österreich die Formel 1 nicht mehr antun wollte. Und dann habe ich mich ein bissl in die DTM verliebt. Eine tolle Plattform“, erklärt Berger, der zudem mit seinem Fahrzeugtechnikbetrieb und dem Logistikunternehmen sowie der Familie ausgelastet ist.

Berger ist sich aber bewusst, dass einem im Fast-Pensionsalter die Gefahr droht, in ein Hamsterrad zu geraten. Deshalb denkt er intensiv über die Zukunft und die eigene Gesundheit nach. „Da bin ich mit mir selbst noch nicht im Reinen“, gesteht Berger. Man merkt: Dieser Mann ist irgendwie angekommen. Aber einer, der sein Leben lang Vollgas gegeben hat, braucht eben einen etwas längeren Bremsweg.

Steckbrief von Gerhard Berger

  • Geboren am 27. August 1959 in Wörgl
  • Wohnsitz: Söll in Tirol
  • Familienstand: Lebensgefährtin Helene, fünf Kinder – Christina (38); Sarah (24), Heidi (22); Ella (5), Johan (2)
  • GP-Debüt: 19. August 1984 auf dem Österreichring (12.)
  • GP-Rennen bestritten: 210
  • Letztes GP-Rennen: 26. Oktober 1997 in Jerez de la Frontera (GP von Europa, Platz 4)
  • GP-Siege: 10 (1986 Mexiko-Stadt); 1987 Japan (Suzuka), Australien
    (Adelaide); 1988 Italien (Monza); 1989 Portugal (Estoril); 1991
    Japan (Suzuka); 1992 Kanada (Montreal), Australien (Adelaide); 1994 Deutschland (Hockenheim); 1997 Deutschland (Hockenheim)
  • Polepositions: 12
  • Schnellste Runden: 21
  • Podestplätze: 48
  • WM-Punkte: 385
  • Führungsrunden: 747
  • Größte WM-Erfolge: WM-Dritter 1988 und 1994
  • Stationen als Formel-1-Fahrer: 1984 ATS, 1985 Arrows-BMW, 1986 Benetton-BMW, 1987–1989 Ferrari, 1990–1992 McLaren-Honda, 1993–1995 Ferrari, 1996–1997 Benetton-Renault
  • Wichtigste Stationen nach Ende der aktiven Karriere: Motorsportdirektor von BMW (Herbst 1998 bis September 2003), Hälfteeigentümer des Formel-1-Teams Scuderia Toro Rosso (Februar 2006 bis November 2008/in diese Ära fällt 1. GP Sieg von Sebastian Vettel als jüngster Pilot der F1-Geschichte in Monza 2008), seit 2017 Chef des Deutschen Tourenwagen Masters (DTM)