Polnische Spieler mit Schiedsrichter
AP/Darko Bandic
EM-Qualifikation

„Betriebsunfall“ nagt an Polens Nerven

Mit zwölf Punkten aus fünf Spielen liegt Polen vor dem Qualiduell mit Österreich am Montag in Warschau (20.45 Uhr, live in ORF1) noch immer auf Kurs zur EM-Endrunde 2020. Doch die 0:2-Niederlage vergangenen Freitag in Slowenien hat der Euphorie einen Dämpfer versetzt. Mit einem Sieg gegen Österreich will Polen den „Betriebsunfall“ ausbügeln.

Das Wetter in Warschau passte am Anreisetag des ÖFB-Teams am Sonntag wie die Faust aufs Aug’ zur Gemütslage im polnischen Lager. Dicht mit Wolken verhangen präsentierte sich der Himmel über der polnischen Hauptstadt. Selbst die Spitze des stalinistisch-protzigen Kulturpalastes ließ sich nur erahnen. Die unerwartete Pleite in Slowenien hatte sich für Polens Teamchef Jerzy Brzeczek und seine Mannschaft genauso angefühlt.

„Vielleicht war es der richtige Moment für eine kalte Dusche. Wir haben gesehen, dass wir auf dem Weg zur EM noch einen langen und schwierigen Weg zu gehen haben“, hatte der seit seiner Spielerzeit beim FC Tirol, LASK oder Sturm Graz mit dem österreichischen Fußball bestens vertraute Trainer nach dem 0:2 gemeint. In Ljubljana war von einem souveränen Tabellenführer der Gruppe G nichts zu sehen. Vier Spiele, vier Siege, kein Gegentor – das war die imposante polnische Bilanz vor der Partie. In Slowenien landeten Robert Lewandowski und Co. wieder hart auf dem Boden der Realiät.

Schlager in Warschau

Österreich hat nach dem schwachen Qualistart wieder an Fahrt aufgenommen. Mit einem Sieg in Polen winkt die Tabellenführung.

Mediale Achterbahnfahrt

Die polnischen Medien, speziell jene aus dem Boulevard-Eck, hatten vor dem Duell in Ljubljana bereits euphorisch vorgerechnet, wie die „Bialo-Czerwoni“ – die Weiß-Roten – bereits nach den September-Terminen fix das Ticket für die transkontinentale EM-Endrunde 2020 in der Taschen haben würden. Mit der Pleite gegen Slowenien und dem 6:0 der Österreicher gegen die Letten löste sich die Hoffnung in Luft auf, und der mediale Waggon bewegte sich auf der Achterbahnfahrt namens Berichterstattung wieder nach unten. Entsprechend hart reagierte etwa „Super Express“ auf die neue Ausgangslage. „Polen auf den Knien“ titelte das Boulevardblatt.

Auch seriösere Medien, wie etwa „Rzeczpospolita“, reagierten in Kommentaren schockiert über die schwache Vorstellung der Polen in Slowenien. „Am Montag wäre es gut, wenn wir alles wieder normal machen würden“, stellte das Blatt dem Team die Rute ins Fenster. Verloren sei aber noch nichts, versuchte „Rzeczpospolita“ die Fans zu beruhigen: „Wenn Polen am Montag Österreich besiegt, fällt das Spiel in Ljubljana endgültig in die Kategorie Betriebsunfall.“ Eine Warnung gibt es dennoch: „Wenn nicht, sollte das Team nervös werden.“

Szene aus dem Match Slowenien gegen Polen
APA/AFP/Jure Makovec
Der Ausrutscher von Lewandowski und Co. in Ljubljana ließ die polnischen Medien auf die Barrikaden steigen

Die seit dem – aus Sicht der polnischen Medien – Debakel von Ljubljana angespannte Situation zwischen Spielern und Journalisten war auch bei der abschließenden Pressekonferenz am Sonntag zu spüren. Auf die Anmerkung eines Reporters, die Spieler hätten sich in der Mixed-Zone in Slowenien nicht professionell verhalten, drohte Lok-Moskau-Legionär Grzegorz Krychowiak fast zu explodieren. Erst das Einschreiten des polnischen Pressesprechers verhinderte eine lautstarke Diskussion im Auditorium.

Team bleibt positiv

Im Spielerlager blieben die Alarmglocken nach der Niederlage in Slowenien jedenfalls stumm. „Natürlich sind wir wütend, weil wir jedes Spiel gewinnen wollen“, sagte Krychkowiak, „aber wichtig ist, dass wir in unserem Stadion die richtige Reaktion zeigen.“ Auch Teamchef Brzeczek versuchte zu beruhigen. Es gäbe trotz der Niederlage in Slowenien keinen zusätzlichen Druck: „Wenn mir jemand vor der Qualifikation gesagt hätte, wir haben nach fünf Spielen zwölf Punkte, hätte ich das sofort genommen.“

Krzysztof Piatek beim Torschuss gegen Österreich
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Ein polnisches Siegestor, wie jenes von Krzysztof Piatek zum 1:0 in Wien im März, soll es auch in Warschau geben

Der 48-Jährige wollte auch die Aussage seines Kapitäns Robert Lewandowski, Österreich sei jetzt Favorit, weil auf der Erfolgswelle surfend, nicht unterschreiben. „Natürlich sind wir der Favorit, weil wir in unserem Stadion spielen“, so Brzeczek. Der Heimvorteil im Nationalstadion ist beeindruckend: Seit 2014 hat Polen am Warschauer Weichsel-Ufer – wo Österreich erstmals in der Nachkriegszeit zu Gast ist – nicht verloren. Eines wollte Brzeczek, der auf ein Comeback von Verteidiger Kamil Glick hofft, aber im Protokoll wissen: „Österreich hat nach dem Fehlstart in die Quali einen großen Schritt nach vorne gemacht.“

Die polnischen Fans im Nationalstadion werden für genügend Rückenwind sorgen, um die in Slowenien aufgezogene sportliche Schlechtwetterfront wieder zu vertreiben. Die Wetterprognose für Montag ist jedenfalls positiv. Sonnenschein und 26 Grad Celsius werden für Warschau erwartet. Sollte Österreich drei Punkte mit nach Hause nehmen, dürften die Zeichen bei den Polen aber auf Sturm stehen – vor allem von medialer Seite.