Stefan Ilsanker (AUT) und Aleksandar Dragovic (AUT)
Reuters/Aleksandra Szmigiel
EM-Qualifikation

Starkes Spiel mit Schönheitsfehler

Vor dem Start der EM-Qualifikation hätte man im österreichischen Nationalteam ein 0:0 in Polen mit Handkuss genommen. Nach der Nullnummer am Montag in Warschau war die Gefühlslage bei den Spielern gemischt. In die Genugtuung, die Quali für die EM 2020 weiterhin selbst in der Hand zu haben, mischte sich Ärger über die verpasste Chance, die Ausgangslage deutlich zu verbessern.

Die Freude über den eroberten Punkt im Nationalstadion hielt sich im österreichischen Lager in Grenzen. Denn das Remis war aus Sicht der meisten ÖFB-Spieler nach einer starken Leistung ein Schönheitsfehler. Statt die Polen auf Platz eins in Gruppe G abzulösen, rutschten die Österreicher vorläufig sogar auf Platz drei hinter Slowenien zurück. „Schuld“ war Benjamin Verbic, der Slowenien in Ljubljana in letzter Sekunde zum 3:2-Sieg gegen Israel köpfelte.

Kapitän Julian Baumgartlinger, der gegen die Polen auf den Tag genau zehn Jahre nach seinem ersten sein 70. Länderspiel für Österreich bestritt, ließ der Blick auf die Tabelle jedoch kalt. „Es kommen jetzt alles Spiele auf Augenhöhe, wo am Ende auch ein Punkt wertvoll sein kann“, so der gebürtige Salzburger. Am 10. Oktober daheim gegen Israel und drei Tage später auswärts gegen Slowenien weist sich endgültig, wohin die Reise für das ÖFB-Team in Sachen EM geht: zur Endrunde oder vor den Fernseher.

Österreich holt Punkt in Polen

Das Team von Trainer Franco Foda holte am Montag im Schlager der Gruppe G in Polen mit einem 0:0 einen Punkt.

Gut, aber nicht treffsicher

Der Sieg in Polen – es wäre im fünften Versuch der erste in einem Pflichtspiel gewesen – und damit eine noch bessere Ausgangslage waren zum Greifen nahe. Denn die Österreicher waren in jeder Statistik, egal ob Ballbesitz oder Torschüsse, vorne. Alleine Marko Arnautovic hätte die Partie fast im Alleingang entscheiden können. Doch dem China-Legionär war diesmal das Glück nicht hold – siehe Lattenköpfler in der zehnten Minute – oder der polnische Torhüter Lukasz Fabianski im Weg. Auch Marcel Sabitzer und Valentino Lazaro ließen in der ersten Hälfte gute Chancen aus.

„Wir haben es über weite Strecken zwar gut gemacht, aber wenn du kein Tor schießt, ist es natürlich bitter. Wir hatten zwei, drei Möglichkeiten, wo wir ein Tor hätten machen müssen“, sagte Sabitzer, „man hat es ja auch an der Reaktion der Polen gesehen, dass sie froh waren, hier nicht zu verlieren, und auf Zeit gespielt haben. Ich bin schon enttäuscht.“ Man hätte die durch das 0:2 verunsicherten Polen noch mehr unter Druck setzen müssen, so Sabitzer: „Phasenweise haben wir aber zu langsam gespielt, ein paar Mal links, rechts anstatt zielstrebig nach vorne.“

Einserschüler in der Abwehr

Auch Aleksandar Dragovic schlug in die gleiche Kerbe. „Vielleicht hätten wir den Ball schneller zirkulieren lassen müssen, um die Polen müde zu machen“, sagte der 28-Jährige. Dabei war der Leverkusen-Verteidiger einer der Hauptgründe, warum auch die abwartende Taktik der Polen nicht zum Erfolg führte. Gemeinsam mit Stefan Posch, der kurzfristig für den angeschlagenen Martin Hinteregger einspringen musste, hielt Dragovic die polnische Offensive um Torjäger Robert Lewandowski vom Tor fern.

Aleksandar Dragovic (AUT) und Robert Lewandowski (POL)
GEPA/Philipp Brem
Aleksandar Dragovic (l.) hatte Bayern-Star Robert Lewandowski gut im Griff

„Wir haben zusammen versucht, die Null zu halten, und haben nur eine Hundertprozentige zugelassen“, sagte der Verteidiger mit Hinweis auf Lewandowskis Kopfball nach rund einer halben Stunde, „aber im Großen und Ganzen haben wir eine sehr gute Partie abgeliefert.“ Zwar sei es eine Genugtuung, eine gute Leistung gebracht zu haben, so Dragovic, aber: „Die Mannschaft steht über jedem einzelnen Spieler. Ich hätte lieber die drei Punkte. Aber wir können auch ein bisschen stolz sein.“

Stankovic hält Punkt fest

Neben Dragovic und dem souveränen Startelf-Debütanten Posch (Dragovic: „Er hat überragend gespielt, wenn er nicht Höchstnoten bekommt, dann weiß ich nicht“) war es vor allem auch Torhüter Cican Stankovic zu verdanken, dass Polen nicht wie beim 1:0-Sieg in Wien ein „Lucky Punch“ gelang. Nach einem ruhigen Abend gegen Lettland war seine erste echte Rettungstat im österreichischen Teamtrikot gleich eine für die Galerie: Einen gut angetragenen Kopfball von Kamil Glick in der ersten Hälfte drehte der 26-Jährige mit einer spektakulären Flugeinlage über die Latte.

Cican Stankovic (AUT)
APA/AFP/Janek Skarzynski
Cican Stankovic hielt wie gegen Lettland auch in seinem zweiten Länderspiel den Kasten sauber

„Auf diesem Niveau entscheiden Kleinigkeiten. Ich bin froh, wenn ich solche Bälle halten kann oder besser darf“, gab sich der Salzburger Schlussmann bescheiden, der das von Franco Foda in ihn gesetzte Vertrauen voll rechtfertigte. Aber auch Stankovic hätte seine gute Leistung laut eigener Aussage lieber gegen einen Sieg getauscht. „Die Chancen waren da, und mehr Chancen bekommt man hier nicht. Wir haben sie leider nicht genutzt, und so geht man mit einem 0:0 nach Hause“, sagte Österreichs neue Nummer eins.

Mit 100 Prozent ins Finish

Für Stankovic und seine Teamkollegen geht es nun zurück in den Cluballtag, in einem Monat trifft man sich aber bereits beim Team wieder. Dann fällt wohl die Vorentscheidung um die zu vergebenden Plätze bei der EM-Endrunde 2020. Im österreichischen Lager ist der Frust über den Fehlstart mit zwei Niederlagen längst verflogen. „Ich glaube schon, dass wir beweisen wollten, dass wir besser sind als das, was uns vorgeworfen wurde“, sagte Kapitän Baumgartlinger.

Der Kantersieg gegen die Letten und auch die „Dominanz“ im Spiel gegen Polen zeige den Charakter der Mannschaft, so Baumgartlinger. „Das stimmt mich positiv“, sagte der 31-Jährige. Für die entscheidende Phase in der EM-Quali nimmt Baumgartlinger sich und seine Kollegen aber in die Pflicht. „Wir dürfen keinen Zentimeter nachgeben“, so der ÖFB-Kapitän. Oder wie es Dragovic formuliert: „Wir müssen uns zu hundert Prozent reinwerfen, 90 Prozent werden zu wenig sein.“