Szene aus dem Match Südafrika gegen Neuseeland
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Rugby-WM

Auf wen man in Japan aufpassen muss

Am Freitag begann mit dem Duell zwischen Japan und Russland (30:10) in Tokio die neunte Ausgabe der Rugby-WM. An der Spitze der Anwärter auf die Webb-Ellis-Trophäe steht wieder Titelverteidiger Neuseeland, der sich aber auf heftigen Gegenwind einstellen muss. „Die Dichte ist sicher größer, es sind mehr Favoriten im Kreis“, so Rugby-Insider Stiig Gabriel gegenüber ORF.at.

Insgesamt 20 Teams, aufgeteilt in vier Fünfergruppen, sind bei der ersten Weltmeisterschaft in Asien mit von der Partie. Österreich sucht man im Teilnehmerfeld aber auch bei der neunten WM vergeblich. Hierzulande ist Rugby noch immer eine Randerscheinung. Dass am Freitag in Tokio der Startschuss erfolgt und am 2. November in Yokohama das Finale stattfindet, wissen unter Österreichs Sportfans nur die wenigsten.

Das heimische Nationalteam, Spitzname „Steinböcke“, rangiert unter 105 Nationen im internationalen Verband aktuell auf Weltranglistenplatz 88. Von einer WM-Teilnahme durfte man bisher nicht einmal träumen. Dennoch fiebert auch die kleine, aber feine rot-weiß-rote Rugby-Community den Titelkämpfen in Japan entgegen. Die mediale Präsenz des Großereignisses wirkte sich in der Vergangenheit immer wieder positiv auf das Interesse an Rugby in Österreich aus.

Rugby-WM in Japan eröffnet

Am Freitag wurde die Rugby-Weltmeisterschaft 2019 eröffnet. Gastgeber Japan feierte dabei den erhofften Auftaktsieg gegen Russland.

Geht es nach Gabriel, seines Zeichens Sportdirektor des österreichischen Vizemeisters Rugby Donau und selbst langjähriger Teamspieler, wird ein spannendes Turnier in Japan zur Popularität des körperbetonten Spiels beitragen. „Die anderen Teilnehmer können den Favoriten auch sicher mehr abverlangen. Es wird mehr engere Spiele geben“, so Gabriel, der für ORF.at die vier Gruppen und die Erfolgschancen der Teams unter die Lupe nimmt.

Gastgeber gegen die Nummer eins

In Gruppe A kommt es in der Vorrunde unter anderem zum Duell zwischen der Nummer eins der Welt und den Gastgebern. Als Weltranglistenerste ins Turnier gehen aber nicht die Neuseeländer, sondern die Iren, die die jahrelang dominierenden „All Blacks“ in jüngerer Vergangenheit zweimal besiegen konnten. Die härteste Konkurrenz um die ersten beiden Plätze und damit das Viertelfinal-Ticket sind Gastgeber Japan und der traditionelle Six-Nations-Rivale Schottland. Samoa und Russland sind die klaren Außenseiter in Pool A.

Experte Gabriel erwartet sich in der von der Papierform her ausgeglichensten Gruppe zumindest einen harten Kampf um Platz zwei. „Bei Irland kann man davon ausgehen, dass sie weiterkommen. Die Schotten haben hingegen immer ein Spiel, das sie nicht so hinkriegen. Speziell mit dem geradlinigen Stil von Samoa tun sie sich immer schwer. Damit hatten die Schotten schon 2015 massive Probleme“, so Gabriel. Überraschungspotenzial hat neben Samoa aber vor allem Gastgeber Japan: „Die Japaner sind sicher motiviert, aber sie werden ihren Spielplan durchziehen. Sie werden auf alle Fälle rennen, bis sie nicht mehr können.“

Szene aus dem Match Irland gegen Wales
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Irland (r. Rob Kearney im Test gegen Wales) startet erstmals als Weltranglistenerster eine WM

Duell der „Supermächte“

Bereits im ersten Spiel der Gruppe B beantwortet sich von der Papierform her die Frage nach dem Gruppensieg. In Yokohama kommt es am Samstag zum Gipfeltreffen der „Supermächte“: Die „All Blacks“ aus Neuseeland treffen auf die „Springboks“ aus Südafrika. Ein Leckerbissen mit viel Brisanz, denn in der heuer verkürzten Rugby Championship, dem traditionellen Turnier zwischen Neuseeland, Australien, Südafrika und Argentinien, beendeten die „Springboks“ überraschend den Erfolgslauf der Neuseeländer. Italien, Namibia und Kanada übernehmen in dieser Gruppe die Rolle der Statisten.

Für Gabriel ist der zweifache Weltmeister Südafrika gegenüber dem dreifachen Champion Neuseeland aktuell leicht im Vorteil. „Sie sind im Moment kaltblütiger in der Chancenverwertung, bauen mehr Druck auf und erzwingen mehr Fehler. Die ‚Springboks‘ sind auch hungriger“, so der Rugby-Veteran. „Bei Neuseeland sind viele dabei, die schon Weltmeister waren. Sie gehen es auch sehr pragmatisch an. Die Neuseeländer haben in der Vorbereitung viel ausprobiert und glauben, sie sind auf alle Situationen vorbereitet. Aber auf vieles kann man im Rugby nicht vorbereitet sein.“

„Todesgruppe“ C

So wie bei anderen vergleichbaren Turnieren, wie einer Fußball-WM, gibt es auch beim Rugby traditionell eine „Todesgruppe“. Diesmal ist es Pool C, in dem aus dem prominenten Trio England, Frankreich und Argentinien einer auf der Strecke bleibt. Die USA und Tonga geben die nominellen Punktelieferanten. Die Engländer, Weltmeister von 2003, mussten das bittere Aus in der Vorrunde ausgerechnet vor vier Jahren bei ihrem Heimturnier erleben. Seit der Australier Eddie Jones bei England das Zepter in der Hand hält, geht es wieder bergauf.

Szene aus dem Match Frankreich gegen England
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England (l.) und Frankreich wurden mit Argentinien in die schwerste Vorrundengruppe gelost

Geht es nach Gabriel, dann werden sich Frankreich und Argentinien den Schwarzen Peter untereinander ausmachen. „England ist im Moment besser. Die Franzosen haben zwar viele gute Spieler, sind aber vielleicht nicht so gut gecoacht“, so der Experte. „Argentinien hat eine körperliche Rohheit, die ihresgleichen sucht und kann in entscheidenden Momenten ein Spiel abliefern, das man nicht erwartet hätte.“ Dass die „Pumas“ den dreifachen Vizeweltmeister Frankreich schlagen können, bewiesen sie 2007. Damals düpierten die Argentinier „Les Bleus“ im Eröffnungsmatch und im Spiel um Platz drei – und das auf französischem Boden.

Fidschi als große Unbekannte

In Gruppe D sind der zweifache Weltmeister Australien und der aktuelle Six-Nations-Champion Wales die großen Favoriten auf die ersten beiden Plätze. Dahinter stellen sich von der Papierform her Fidschi, Georgien und Uruguay um Platz drei und damit die Qualifikation für die nächste WM 2023 in Frankreich an. Für viele Experten gilt Wales, das heuer ohne Niederlage die Six Nations für sich entschied, als großer Geheimtipp auf einen Platz im Finale.

Gabriel hat aber auch Fidschi auf der Rechnung. Der erste und bis dato einzige Olympiasieger im Siebener-Rugby könnte an einem guten Tag überraschen, so der Wiener – speziell gegen Wales. „Die Waliser sind diesen Stil, die Unberechenbarkeit, die Fidschi ausmacht, nicht so gewohnt wie etwa Australien“, so Gabriel. Wetten würde er auf die Männer aus der Südsee im Duell mit den „Red Dragons“ aus Großbritannien aber trotzdem nicht. „Ich glaube aber nicht, dass die Überraschung passieren wird, weil Wales und Australien zu gut sind.“

Aufpassen auf die Schiedsrichter

Eine entscheidende Rolle im Kampf um Aufstieg oder Ausscheiden könnten laut Gabriel bei der Endrunde 2019 die Schiedsrichter spielen. Denn aufgrund einer gestiegenen Anzahl von Gehirnerschütterungen in der jüngeren Vergangenheit sind die Referees angewiesen, speziell Attacken im Kopfbereich rigoros zu bestrafen – bis hin zum Ausschluss.

Der Rugby-Donau-Sportdirektor erwartet sich daher auch deutlich mehr Diskussionen über die Schiedsrichter. „Es wird sicher einige schwierige Entscheidungen der Referees, speziell bei High Tackles, geben, die für Diskussionen sorgen werden. Gelbe und Rote Karten können Spiele entscheiden, speziell bei Teams auf Augenhöhe.“ Die WM-Krone wird sich trotzdem einer aus dem Kreis der Großmächte aufsetzen, so Gabriel: „Wales, Irland, England, Neuseeland, Australien und Südafrika – die sechs werden es sich untereinander ausmachen.“