Marathonläufer Eliud Kipchoge zeigt nach seinem Rekordlauf in Wien auf die Zeitnehmung
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Marathon

Kipchoge sprengt Marathon-Grenzen

Mit einem Lächeln hat Eliud Kipchoge die letzten 400 Meter abgespult und ist im Ziel von seiner Gattin Grace, seinem Coach Patrick Sang und den Schrittmachern begeistert empfangen worden. Der Kenianer war am Samstagvormittag in Wien einen Marathon in 1:59:40,2 Stunden gelaufen und als erster Mensch unter der 2:00-Stunden-Schallmauer geblieben. „Ich habe meinen Traum realisiert“, jubelte Kipchoge.

Damit sicherte sich der 34-Jährige auch einen Platz in den Geschichtsbüchern des Sports. „Das Finish war der beste Moment meines Lebens, als nur noch wenige hundert Meter zu laufen waren und es Zeit war, Geschichte zu schreiben“, so Kipchoge, der 2016 auch schon Olympiasieger geworden war und überdies den nach wie vor gültigen Weltrekord von 2:01:39 Stunden hält.

In Kenia verfolgten Tausende Menschen das Rennen live. Nicht nur in Nairobi brachten Fans den Verkehr teilweise zum Erliegen, als sie auf einer großen Leinwand den Zieleinlauf sahen und frenetisch bejubelten. „Sie haben Geschichte geschrieben und Kenia stolz gemacht. Ihr Sieg heute wird Dutzende künftige Generationen dazu inspirieren, groß zu träumen und nach Größe zu streben“, schrieb Kenias Präsident Uhuru Kenyatta.

Eliud Kipchoge schreibt Geschichte

Der Kenianer Eliud Kipchoge hat sein Ziel erreicht: Er ist im Wiener Prater als erster Mensch einen Marathon unter zwei Stunden gelaufen.

„Wir sollten uns die gesamte Straße vom Flughafen nach Nairobi in einer Reihe aufstellen. Empfangen wir ihn wie den Helden, der er ist“, schrieb Kenias Politiker und Aktivist Boniface Mwangi auf Twitter. Der in Nairobi geborene viermalige Tour-de-France-Sieger Chris Froome, der in Wien das Rennen verfolgte, bezeichnete die Leistung als „episch“ und „inspirierend“. Für Ex-Radweltmeister Mark Cavendish war der Lauf „die beeindruckendste sportliche Leistung der Geschichte“.

Während des Laufs die Ruhe in Person

Angesichts des enormen Interesses war es nicht verwunderlich, dass die Anspannung bei Kipchoge in den Tagen vor dem Rennen immer größer geworden war. „Als mich der Präsident Kenias und andere wichtige Personen angerufen haben, stieg der Druck“, gab der Laufstar zu. Doch im Rennen war der Olympiasieger von Rio 2016 ruhig wie immer. „Ich habe versucht, genau nach Plan zu laufen, ich war mir zu 90 Prozent sicher, dass es klappt“, betonte Kipchoge.

In dem für ihn organisierten Lauf auf der Prater Hauptallee, der „Ineos 1:59 Challenge“, setzte Kipchoge dank akribischer Vorbereitung den ersten Schritt in eine neue Dimension des Marathonlaufs. Beim ersten Versuch vor zwei Jahren in Monza um 26 Sekunden gescheitert (2:00:25), klappte in Wien alles perfekt. „Die Erfahrung war wichtig“, freute sich der dreifache Familienvater, der mit kenianischer Fahne eine Ehrenrunde drehte und mit den vielen Zuschauern abklatschte.

Fotostrecke mit 8 Bildern

Eliud Kipchoge beim Aufwärmen mit Läufern in Wien
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Eliud Kipchoge beim Aufwärmen auf der Reichsbrücke. Die Stunden und Minuten vor dem Start beschrieb er als härteste Zeit
Eliud Kipchoge am Start
APA/Herbert Neubauer
Umringt von seinen Tempomachern erfolgte für Kipchoge um 8.15 Uhr der Start zum Rekordlauf in Wien
Eliud Kipchoge mit Läufern in Wien
Reuters/Lisi Niesner
Die windgeschützte und ebene Prater Hauptallee war die perfekte Strecke. Auch die Temperatur und etwas Nebel sorgten für ideale Bedingungen.
Eliud Kipchoge mit Läufern in Wien
APA/Herbert Neubauer
Wie ein Uhrwerk spulte Kipchoge die Kilometer in 2:50 Minuten ab und zeigte nie eine Schwächephase
Eliud Kipchoge mit Läufern hinter dem Signalfahrzeug
APA/AFP/Alex Halada
Vor Kipchoge fuhr ein Auto, das per grünem Laser die angestrebte Zielzeit von unter 2:00 Stunden auf den Asphalt projizierte
Eliud Kipchoge mit Läufern in Wien
AP/59 Challenge/Jed Leicester
Tausende Schaulustige sorgten entlang der Strecke für eine hervorragende und stimulierende Atmosphäre
Eliud Kipchoge beim Einlauf ins Ziel unter zwei Stunden
Reuters/Leonhard Foeger
Der Zieleinlauf wurde für Kipchoge und alle Beteiligten zu einem sehr emotionalen Moment
Eliud Kipchoge im Ziel mit Flagge und Siegerzeit
Reuters/Leonhard Foeger
Nach dem sensationellen Lauf durfte sich Kipchoge mit seiner Zeit von 1:59:40 Stunden zu Recht feiern lassen

Ab erstem Kilometer in Komfortzone

Er wolle Geschichte schreiben und zeigen, dass es für keinen Menschen Leistungsgrenzen gebe, hatte Kipchoge im Vorfeld erklärt. Am Samstag trat er den Beweis an und spulte die 42,195-km-Distanz wie ein Uhrwerk ab. 2:50 Minuten pro Kilometer war die Zielzeit, die der dreifache Familienvater hinter den in V-Form laufenden Schrittmachern mit wenigen Sekunden plus oder minus exakt einhielt.

„Ich habe mich ab dem ersten Kilometer wirklich komfortabel gefühlt. Dafür habe ich die letzten viereinhalb Monate trainiert“, sagte Kipchoge. „Es war in meinem Herzen und in meinem Geist, dass ich einen Marathon unter zwei Stunden laufen kann“, so der Kenianer, der in der Nacht nach sechs Stunden Schlaf schon um drei Uhr aufgewacht und um fünf Uhr aufgestanden war. „Die Zeit zwischen 5.00 und 8.15 Uhr (Startzeit, Anm.) war die härteste meines Lebens“, meinte der erfolgreichste Marathonläufer der Welt.

Kein offizielles Rennen, kein Weltrekord

Hinter einem Auto, das exakt die angepeilte Marke von 1:59:50 Stunden vorgab und eine Laserlinie auf den frisch verlegten Asphalt projizierte, und von fünf wechselnden Pacemakern (aus einer Gruppe von insgesamt 36 Topathleten) auf der orange markierten Ideallinie geführt sowie von einem Fahrrad von seinem Manager Valentijn Trouw mit Getränken versorgt, lief der 52 kg leichte Athlet scheinbar mühelos die bisher schnellste Zeit.

Diese wird aber trotz der bei ihm und den Schrittmachern im Vorfeld und nach dem Bewerb durchgeführten Dopingkontrollen vom Weltverband nicht als Weltrekord anerkannt. Diverse Faktoren (kein offizielles Rennen, wechselnde Schrittmacher, fliegende Versorgung unterwegs) entsprachen nicht dem Reglement. Die offizielle Bestmarke hat Kipchoge jedoch seit dem Berlin-Marathon 2018 mit 2:01:39 Stunden auch in seinem Besitz.

Bitte um Trainingsplan als Beginn

Begonnen hat alles vor 18 Jahren, als der damals 16-jährige Kipchoge Sang um einen Trainingsplan ersuchte. „Ich kannte ihn nicht, aber nach mehrmaligem Bitten habe ich ihm einen Zweiwochenplan gegeben. So begann es“, erinnerte sich der Coach, der 1992 selbst Olympiazweiter über 3.000 m Hindernis geworden ist. „Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich damals Nein gesagt hätte“, sagte Sang.

Kipchoge lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Kenia in Eldoret und trainiert im rund 40 km entfernten Camp in Kaptagat. Dort ist der 34-Jährige der „Boss“. Die gemeinsame Vorbereitung im NN Running Team ist ihm enorm wichtig. „Alleine könnte man nicht solche Leistungen bringen“, bekräftigte der ehemalige Weltmeister im 5.000-m-Lauf.

Das Trainingslager in Kaptagat wird von Nike und von Ineos finanziert. Der britische Chemiekonzern engagiert sich dank Firmenchef Jim Ratcliffe seit einiger Zeit verstärkt im Sport. Der ansonsten eher medienscheue Milliardär war in Wien dabei. „Ich habe vorher gespürt, dass Eliud fest daran glaubt. Es gibt keine Garantien, aber er hat einen außerordentlichen Tag gehabt. Die letzten 30 Sekunden und die letzten 400 Meter werde ich nie vergessen“, sagte Ratcliffe.