Raymond van Barneveld
APA/Hans Punz
Darts-WM

Van Barneveld übt harsche Selbstkritik

Wie ein geprügelter Hund schlich Raymond van Barneveld am Samstagabend von der größten Darts-Bühne der Welt. Was zum letzten Rufzeichen einer großen Karriere werden sollte, endete in einem Fiasko. „Ich habe in der ersten Runde verloren. Das werde ich mir nach meinem Desasterjahr nie verzeihen. Nie im Leben“, sagte „Barney“ mit gequälter Miene nach seinem enttäuschenden 1:3 gegen den US-Außenseiter Darin Young.

Das allerletzte WM-Match nach über drei Jahrzehnten als Darts-Profi und fünf WM-Titeln geriet zu einem richtigen Tiefpunkt. Dabei hatte der 52-jährige Niederländer vor der WM nichts unversucht gelassen. Van Barneveld trainierte mit Rekordweltmeister Phil Taylor und kündigte noch einmal die ganz großen Ziele an. Im Auftaktspiel war davon im Alexandra Palace von London nichts mehr übrig. „Ich habe richtig schlecht gespielt“, sagte der Routinier, während die 3.000 Fans zu seinen Ehren noch einmal lauthals die „Barney Army“ brüllten.

Als sich van Barneveld in den Katakomben wieder ein wenig gefangen hatte, setzte er noch einmal zu heftiger Selbstkritik an. „Ich habe mich nie gut gefühlt in diesem Match. In der Vorbereitung hatte ich richtig gute Spiele gespielt“, sagte er. Auf explizite Nachfragen zu seinen Verdiensten und seiner großen Rolle in diesem Sport sagte er: „Stolz? Worauf? Ich kann nicht damit leben in diesem Moment. Wenn du zwei Jahre in Serie in der ersten Runde verlierst, dann bist du ein Amateur. Dann gehörst du nicht mehr in dieses Spiel. Das werde ich mir selbst bis zum Ende meines Lebens sagen.“

Richtigen Zeitpunkt für Rücktritt verpasst

Die Erkenntnis, dass das Karriereende ein bis zwei Jahre zu spät kam, reifte in van Barneveld schon länger. Unmotiviert schleppte er sich oft auf die großen Bühnen, gezeichnet von vielen Niederlagen und privaten Schicksalsschlägen. Immer wieder kündigte er sein Ende an und wieder ab. Diesmal soll es endgültig sein. Landsmann und Titelverteidiger Michael van Gerwen sagte klar: „Man sollte doch zu einem Höhepunkt aufhören, denke ich. Es sieht so aus, als würde er aufgeben, und das ist eine Schwäche.“

Gegner Young ist ein WM-Dauerstarter, er ist schon zum zehnten Mal dabei und hat beim größten Turnier der Welt gerade einmal sein zweites Spiel überhaupt gewonnen. „Für mich ist das alles aufregend, aber ich fühle mit Raymond“, sagte der 46-Jährige, der auf der Bühne für seinen Jubel gar Pfiffe erntete. Während er in der zweiten Runde auf Jeffrey de Zwaan (Niederlande) trifft, beginnt für Barney nun das neue Leben mit mehr Zeit für die Familie und die Enkel.

Aufmunternde Worte für van Barneveld

In den Sozialen Netzwerken teilten Fans wehmütig ihre Erinnerungen an das furiose WM-Finale 2007 zwischen van Barneveld und „The Power“ Taylor. Sportgrößen verabschiedeten den fünfmaligen Darts-Weltmeister höchstpersönlich. „Kopf hoch, sei stolz auf deine Karriere, Darts-Legende“, twitterte etwa Liverpool-Verteidiger und Landsmann Virgil van Dijk.

Selbst der englische Ex-Weltmeister Rob Cross, der unmittelbar nach dem Aus für van Barneveld in einer komplett leisen Halle spielte und als Favorit auch noch sang- und klanglos mit 0:3 gegen den Belgier Kim Huybrechts ausschied, stellte nicht sein eigenes Scheitern, sondern die Verdienste des Niederländers in den Mittelpunkt. „Ich möchte mich bei Raymond für alles bedanken, was er für diesen Sport getan hat. Eine unglaubliche Karriere und eine richtige Legende.“

Lerchbacher schafft Einzug in zweite Runde

Der Österreicher Zoran Lerchbacher war davor überraschend in die zweite Runde eingezogen. Der Steirer bezwang den höher eingeschätzten Jamie Hughes aus England hauchdünn mit 3:2 und trifft am Dienstag auf den als Nummer 21 gesetzten Polen Krzysztof Ratajski. Der 47-jährige Lerchbacher, der in einem wahren Darts-Krimi erst seinen neunten Matchdart nützte, erreichte im Alexandra Palace zum zweiten Mal nach 2018 die WM-Runde zwei.

Ebenfalls am Dienstag im Einsatz sein wird Lerchbachers österreichischer Landsmann Rowby-John Rodriguez, der in seinem Auftaktmatch auf Noel Malicdem von den Philippinen trifft. Mensur Suljovic hat zunächst ein Freilos und trifft am 21. Dezember entweder auf den Engländer Ted Evetts oder dessen Landsfrau Fallon Sherrock.