Aleksander Aamodt Kilde (NOR)
GEPA/Ch. Kelemen
Ski alpin

Kildes Angriff aus dem Schatten

Vor der Saison ist sein Name praktisch auf keiner Kandidatenliste für die Nachfolge von Marcel Hirscher aufgetaucht. Still und heimlich mauserte sich der Norweger Aleksander Aamodt Kilde aber zu einem ernsthaften Anwärter auf die große Kugel. Am Wochenende kann der Allrounder seinen Landsmann Henrik Kristoffersen in Wengen vom Thron holen.

In den Technik-Rennen von Adelboden arbeitete sich Kristoffersen einen 92-Punkte-Vorsprung auf Kilde heraus. Der Technik-Spezialist setzt, wie es auch Hirscher bei seinen acht Gesamtsiegen in Serie machte, hauptsächlich auf Riesentorlauf und Slalom. Kilde führt indessen die norwegische Tradition eines Allrounders wie der zweifache Gesamtweltcup-Sieger Aksel Lund Svindal fort, lediglich den Spezialslalom lässt er aus.

In Wengen warten mit Kombination am Freitag (10.30 Uhr bzw. 14.00 Uhr) und der Abfahrt am Samstag (12.30 Uhr, live in ORF1) zwei Bewerbe, in denen er Kristoffersen die Topposition abjagen kann, ehe dieser zum Slalom antritt. „Vor der Saison habe ich nicht an den Gesamtweltcup gedacht", sagte Kilde der APA. „Aber ich weiß jetzt, dass alles offen ist, mehr als wenn Hirscher dabei wäre. Auf dem Gesamtweltcup liegt nicht mein Fokus. Sicher, ich muss schon auch daran denken, aber nicht so viel, dass ich schlecht fahre.“

"Körper ist gut, das Material passt“

Zum Kopfthema will der 27-jährige Norweger das Thema ohnehin nicht machen. „Ich bleibe ruhig“, betonte Kilde. Vielmehr ist es vorrangig der Körper, der das dichte Programm durchhalten muss. „Ich bin bereit, der Körper ist gut, das Material passt“, versicherte der dreifache Weltcup-Sieger, der zuletzt in der Gröden-Abfahrt 2018 ganz oben stand. „Es sind viele Rennen, aber es geht, wenn man immer ein bisschen Pause dazwischen macht. Und es macht Spaß. Wenn es läuft, dann läuft es“, so der Norweger.

Und was der 27-Jährige bisher in diesem Winter abgeliefert hat, kann sich sehen lassen. In 13 von 18 Rennen stand er am Start, nur ein Ausfall steht zu Buche, neunmal war er in den Top Ten und in vier Disziplinen (Abfahrt, Super-G, Riesentorlauf, Kombination) bereits unter den ersten fünf. Im Riesentorlauf verzeichnet er mit den Plätzen vier und fünf die beste Saison nach seinem Junioren-WM-Titel 2013.

Norweger mischen Weltcup auf

„Im Riesentorlauf musste ich viel mit dem Material arbeiten, aber jetzt kommen die Resultate. Dass ich nicht nur in den Speed-Bewerben, sondern auch im Riesentorlauf schnell bin, ist wichtig für mich. Das ist wirklich cool.“ Dafür verantwortlich scheint auch der Materialwechsel mit der Rückkehr zu Atomic zu sein. „Ich denke, dass Aleksander die Ski gewechselt hat, hat viel geholfen“, sagte dazu der nach eigenem Gutdünken arbeitende Kristoffersen.

Was die Stärke des norwegischen Teams ausmacht, kann er indessen nicht sagen. „Ich habe ja mein eigenes Team, ich bin nicht so viel mit ihnen unterwegs.“ Insgesamt acht Athleten aus der norwegischen Herren-Mannschaft haben bereits mehr als hundert Weltcup-Punkte geholt, in Summe ergibt das hinter der Schweiz (2.314) an zweiter Stelle liegend 2.247 – noch vor Frankreich (2.159) und Österreich (1.806). „Dass es so gut läuft, ist schon eine Überraschung. Aber wir spüren auch, dass Aksel nicht mehr dabei ist“, gestand Kilde.

Teamgeist als Schlüssel zum Erfolg

Svindal – zweifacher Olympiasieger, fünffacher Weltmeister und zweifacher Gesamtweltcup-Sieger – war das Herzstück des Teams, diese Rolle teilen sich nun Kilde und Kjetil Jansrud. Nach dem Abgang von Christian Mitter als Herren-Chef und Reto Nydegger als Speed-Trainer bekamen die Norweger rund um Steve Skavik im Frühjahr auch ein neues Trainerteam. „Vor der Saison sind wir deshalb schon ein bisschen nervös geworden. Aber wir haben viel als Mannschaft gemacht. Es ist die beste Zusammenarbeit, es sagt nicht nur einer, was man machen soll“, schilderte Kilde.

Er war bereit für neue Ideen. Auch wenn es anfangs geschmerzt hatte, dass er mit Mitter seine langjährige Vertrauensperson verlor. Geblieben ist aber der Teamgedanke, der bei den Norwegern der Baustein des Erfolgs ist. Auch als Kilde im Dezember 2015 im Gröden-Super-G das erste Mal im Weltcup auf dem Podest stand, war er nicht allein. Er wurde Dritter – hinter Svindal und Jansrud. Und nun scheint er bereit, der Erste zu werden.