Denn nach drei Vierteln lagen Mahomes und Co. gegen den fünffachen Champion aus San Francisco bereits mit 10:20 zurück. Doch angeführt von ihrem Quarterback-Jungstar, drehten die Chiefs die Partie im letzten Viertel mit drei Touchdowns um und holten in ihrer 60. Saison ihre erste Vince-Lombardi-Trophy seit der Saison 1969/70. Schon im Viertel- bzw. Halbfinale hatte Kansas City zwischenzeitliche Rückstände von mehr als zehn Punkten umgedreht. Das war in der langen Geschichte der NFL noch keinem Team gelungen. „Wir haben immer an uns geglaubt und haben am Ende wieder einen Weg gefunden“, sagte Mahomes zum neuerlichen Comeback.
Mahomes wurde vor 62.417 Zuschauern im Hard Rock Stadium mit insgesamt 286 Passing-Yards und drei Touchdowns – und trotz zweier Ballverluste – zum wertvollsten Spieler (MVP) des Finales gewählt. Der 24-Jährige trat damit in die Fußstapfen von Len Dawson, der 1970 beim bisher einzigen Super-Bowl-Sieg der Chiefs ebenfalls als Quarterback zum MVP gekürt worden war. Damit ist Mahomes bereits mit 24 Jahren Liga-MVP (2018/19) und wertvollster Spieler des Finales – jünger heimste noch niemand beide Auszeichnungen ein.
Mit dem Titel stieg auch Chiefs-Cheftrainer Andy Reid in den Kreis der ganz Großen auf. Der 61-Jährige war bis dato der nach Siegen erfolgreichste Coach ohne Meisterschaft gewesen. Mit seinem 222. Sieg als Trainer merzte Reid diesen Makel aus. „Unsere Jungs und unsere Coaches haben im richtigen Moment ihren Job erledigt“, jubelte Reid bei der Pokalübergabe. San Francisco verspielte hingegen so wie 2013 die Chance auf den sechsten Titel. Damit bleiben die Pittsburgh Steelers und New England Patriots alleinige Rekordhalter an Super-Bowl-Siegen. Die Bestmarke an Titeln halten weiter die Green Bay Packers mit 13 NFL-Meisterschaften.
Hin und Her in Hälfte eins
Zum Abschluss ihrer 100. Saison spielte die NFL die emotionale Orgel wie erwartet auf und ab. Bei der Präsentation des Jahrhundertteams der Liga fanden sich lebende Legenden wie der 90-jährige Don Shula, einst Head-Coach der perfekten Miami Dolphins 1972, im Stadion ein. Dazu wurde auch des bei einem Helikopterabsturz in Los Angeles tödlich verunglückten Basketballstars Kobe Bryant und der acht weiteren Opfer mit einem Schweigemoment gedacht. Demi Lovato brachte schließlich mit der fehlerlos vorgetragenen US-Hymne das patriotische Blut endgültig zum Kochen.
Anders als in der Defensivschlacht vor einem Jahr zwischen New England Patriots und den LA Rams nahm die Partie diesmal schneller Fahrt auf. Die 49ers, die den Münzwurf gewonnen hatten, stoppten die erste Angriffsserie der Chiefs und schrieben auch als Erste dank eines Fieldgoals von Robbie Gould aus 38 Yards an. Die Führung währte jedoch nur kurz. Denn bereits die nächste Angriffsserie, in der die Chiefs u. a. auch einen vierten Versuch ausspielten, endete mit einem Touchdownlauf von Mahomes.
Kurz nach Beginn des zweiten Viertels sah es nach einer Interception von 49ers-Spielmacher Jimmy Garoppolo und einem Fieldgoal von Harrison Butker aus 31 Yards kurz danach aus, als könnte Kansas City davonziehen. Doch San Francisco besann sich auf jene Stärke, die schon im Semifinale gegen Green Bay zum Erfolg geführt hatte: das Laufspiel. Angeführt von Raheem Mostert, der die Packers mit vier Touchdowns niedergetrampelt hatte, stürmten die 49ers Richtung Endzone. Garoppolo vollendete die imposante Angriffsserie mit einem 15-Yard-Pass auf Fullback Kyle Juszczyk. Schon in der ersten Hälfte waren damit mehr Punkte auf dem Scoreboard als beim 13:3 vor einem Jahr im gesamten Spiel.
49ers drehen nach Halftime-Spektakel auf
Nach einer erwartet bombastischen, aber unerwartet lasziven Halftime-Show der Popdiven Jennifer „J-Lo“ Lopez und Shakira hofften die Fans nun auch auf ein sportliches Feuerwerk. Denn kurz vor der Pause war die Partie dank einer ungewöhnlichen Taktik der 49ers eingeschlafen. San Francisco hätte zwar noch genügend Zeit gehabt, um sich die Führung zurückzuholen, doch man ließ einen Großteil der Zeit tatenlos verstreichen. Kurz vor Schluss schüttelte Garoppolo dann doch einen 42-Yard-Pass auf Tightend George Kittle aus dem Ärmel, doch die Aktion wurde nach einer Behinderung Kittles – der Verteidiger Daniel Sorensen leicht geschubst hatte – zurückgepfiffen.
Die Kalifornier begannen auch die zweite Hälfte im Angriff. Garoppolo und Co. agierten auch deutlich aggressiver als in den letzten zwei Minuten der ersten Spielhälfte und gingen dank Kicker Gould wieder in Führung. Kurz darauf hatte die 49ers-Defense ihren ersten großen Auftritt, auch weil sich Chiefs-Quarterback Mahomes seinen ersten Aussetzer leistete. Der 24-Jährige warf den Ball direkt in die Arme von 49er Fred Warner und schenkte damit San Francisco eine gute Feldposition. Die 49ers sagten jedenfalls Danke. Mostert wuchtete sich nach einem souveränen Drive über 55 Yards aus einem Yard in die Endzone – und mit einem Mal war die Führung San Franciscos beachtlich.
Chiefs kämpfen sich zurück
Jetzt war Mahomes, in der Vorsaison noch wertvollster Spieler der Liga, so richtig gefordert. Der 24-Jährige trieb seine Mannen auch Richtung Endzone San Franciscos – und leistete sich den nächsten entscheidenden Fehler. Ein unpräziser Pass Richtung Tyreek Hill landete in den Armen von Verteidiger Tarvarius Moore. Zwei Interceptions in einer Partie hatte Mahomes heuer noch nie geworfen, der Zeitpunkt für die Premiere war denkbar schlecht. San Francisco schien auf dem Weg zum Titel nicht mehr aufzuhalten.
Doch Kansas City blieb am Leben, denn auch die eigene Defense legte nun einen Gang zu und hielt den Rückstand bei zehn Punkten. Und Mahomes und Co. machten es deutlich besser als in der Angriffsserie zuvor. Mit einem 44-Yard-Pass auf Hill brachte der Chiefs-Quarterback sein Team in die Hälfte San Franciscos. Eine Pass-Interference von Moore – der ein paar Minuten davor den Ball abgefangen hatte – brachte Kansas City an die Ein-Yard-Linie und kurz darauf stand es 17:20 aus Sicht der Chiefs, nachdem Mahomes seinen Tightend Kelce in der Endzone gefunden hatte.
Mit einem Mal war das berühmte Momentum vollends auf der Seite der Chiefs. San Franciscos Offensive stockte und ermöglichte Mahomes, die Partie endgültig auf seine Seite zu ziehen. Der Quarterback vollendete 2:50 Min. vor dem Ende die nächste Angriffsserie mit einem Touchdown-Pass über fünf Yards auf Runningback Damien Williams, der auch dem Videobeweis standhielt und nun die Chiefs der Lombardi-Trophy ganz nahe brachte.
Aber noch waren die Kalifornier nicht geschlagen. 2:39 Min. hatten Garoppolo und seine 49ers Zeit, um 85 Yards zu überwinden. Doch eine neuerliche Wende misslang. Kansas City erhielt den Ball zurück, und Williams setzte mit einem Lauf über 38 Yards die Kirsche auf den Kuchen. Noch einmal kamen die 49ers zum Angriff, doch Garoppolo warf den Ball in die Arme von Kendall Fuller und überreichte Kansas City damit auch die Lombardi-Trophy.
Super Bowl LIV in Miami
Endstand:
Kansas City Chiefs – San Francisco 49ers 31:20
(7:3 3:7 0:10 21:0)
Miami, Hard Rock Stadium, 62.417
Erstes Viertel:
0:3 – Fieldgoal aus 38 Yards, Kicker Robbie Gould
7:3 – Lauf aus einem Yard, Quarterback Patrick Mahomes + Extrapunkt
Zweites Viertel:
10:3 – Fieldgoal aus 31 Yards, Kicker Harrison Butker
10:10 – 15-Yard-Pass von Jimmy Garoppolo auf Kyle Juszczyk + Extrapunkt
Drittes Viertel:
10:13 – Fielgoal aus 42 Yards, Kicker Gould
10:20 – Lauf aus einem Yards, Runningback Mostert + Extrapunkt
Viertes Viertel:
17:20 – 1-Yard-Pass von Mahomes auf Travis Kelce + Extrapunkt
24:20 – 5-Yard-Pass von Mahomes auf Damien Williams + Extrapunkt
31:20 – Lauf über 38 Yards, Runningback D. Williams + Extrapunkt