Sumo-Großmeister Yokozuna Hakuho
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Hintergrund

Olympischer Hype soll Sumo-Image polieren

Von 24. Juli bis 9. August 2020 wird die Sportwelt nach Tokio blicken, wo die 32. Olympischen Spiele über die Bühne gehen werden. Der japanische Nationalsport Sumo steht zwar nicht auf dem Programm, trotzdem wollen die Schwergewichte des traditionellen Ringersports Olympia zur Eigenwerbung – und vor allem zur Imagepolitur – nutzen.

Drei Tage nach der Schlussfeier im Olympiastadion von Tokio lädt der Japanische Sumoverband zu einem Turnier in der Ryogoku Kokugikan Arena, wo bei Olympia um Medaillen geboxt wird, zu einem zweitätigen Turnier. Als Teil eines lokalen Kulturfestivals soll Sumo von der durch Olympia gestiegenen Aufmerksamkeit profitieren und der Weltöffentlichkeit präsentiert werden.

„Wir werden unser Bestes geben, um Sumo dem großen Publikum aus aller Welt zu präsentieren und ‚Omotenashi‘, unsere Gastfreundschaft, zu beweisen“, sagte Sumo-Star Kakuryu bei der Präsentation der Pläne. Der gebürtige Mongole ist neben seinem Landsmann Hakuho einer von zwei Yokozunas, den Großmeistern des Sports. Die Veranstalter erhoffen sich bei dem von 13. bis 14. August stattfindenden Turnier rund 7.000 Besucher pro Tag.

Jahrhundertealte Tradition

Die internationalen Zuschauer sollen dabei das Flair der Ringkämpfe zwischen Schwergewichten aus nächster Nähe bewundern können. Traditionelle Gewänder, religiöse Reiningungszeremonien wie das Werfen von Salz und als Höhepunkt die kurzen, aber intensiven Kämpfe der „rikishi“ – all das macht Sumo zum einzigartigen Erlebnis. In Japan kann sich nur noch Baseball in der Popularität mit Sumo messen. Es ist auch das einzige Land, in dem dieser Ringkampf professionell betrieben wird.

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Sumo-Wettkampf in Tokio
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Sumo bewegt in Japan die Massen, auch US-Präsident Donald Trump war während seines Staatsbesuches 2019 Gast eines Turniers
Sumo-Wettkampf
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Die Regeln sind simpel: wer zuerst aus dem Ring geschoben wird oder mit einem anderen Körperteil als den Fußsohlen den Boden berührt, hat verloren
Junge Sumo-Ringer
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Schon von kleinauf wird in eigenen Sumo-Schulen am richtigen Stil für die großen Kämpfe geübt
Der japanische Premierminister Shinzo Abe überreicht einen Pokal an Sumo-Ringer Asanoyama
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Bei großen Turnieren überreichen selbst hohe Politiker, wie hier Premierminister Shinzo Abe (r.), Siegern den Pokal
Ein Sumo-Ringer greift in einen Korb mit Salz
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Das rituelle Reinigen des Kampfplatzes ist eine der vielen besonderen Traditionen im Sumo
Ein junger Sumo-Ringer bringt bei einem Babyschrei-Wettbewerb ein Kleinkind zum Weinen
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Die Kämpfer sind Superstars und müssen oft skurille öffentliche Auftritte, wie hier ein Wettschreien, bei dem Babys zum Weinen gebracht werden sollen, absolvieren
Sumo-Wettkampf
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Haupteinnahmequelle für die Ringer sind aber die Turniere, bei denen die Kämpfe oft schon nach Sekunden vorbei sind

Die Wurzeln des japanischen Nationalsports lassen sich bis ins achte Jahrhundert zurückverfolgen. Ab dem frühen 17. Jahrhundert stieg Sumo zum Volkssport auf. Als höchste Ehre gilt die Ernennung zum Yokozuna und der damit verbundene Ehrenname. Aktuell gibt es mit Kakuryu, bürgerlich Mangaljalavyn Anand, und Hakuho, geboren Mönchbatyn Dawaadschargal, zwei von nur 72 Nachfolgern des legendären Akashi Shiganosuke, der Anfang des 17. Jahrhunderts zum ersten Yokozuna gekürt wurde.

Prügeleien und Nachwuchsprobleme

Doch ausgerechnet Kakuryu und Hakuho sind Spiegelbild der Krise, mit denen Sumo zu kämpfen hat. Ausländische Ringer, viele aus der Mongolei, dominieren seit Jahren die etwa 40 Sumo-Ställe, in denen die Ringer trainieren. Einen Yokozuna aus dem Heimatland des Sports gab es in den vergangenen 22 Jahren nur kurz. Yutaka Hagiwara, genannt Kisenosato, schaffte es 2017 als erster Japaner nach fast 20 Jahren in den obersten Rang der Sumo-Hierarchie. Der 33-Jährige trat jedoch im Jänner 2019 aufgrund einer verletzungsbedingten Formkrise zurück.

Rund eineinhalb Jahre vor Kisenosatos Rücktritt verlor Sumo einen weiteren seiner bis dahin vier Yokozunas in skandalöser Art und Weise. Der ebenfalls aus der Mongolei stammende Harumafuji gab zu, seinen rangniederen Landsmann Takanoiwa in einer Bar geschlagen zu haben. Medienberichten zufolge war Harumafuji darüber verärgert, dass Takanoiwa mit dem Smartphone hantierte, während er von Großmeister Hakuho getadelt wurde. Harumafuji soll seinen Kontrahenten dabei mit den Fäusten und auch einer Karakoe-Fernbedienung traktiert haben.

Sumo-Großmeister Yokozuna Hakuho
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Hakuho ist einer von zwei Yokozunas, keiner davon stammt allerdings aus Japan

Der Eklat um Harumafuji, der als Yokozuna ein besonders vorbildliches Leben zu führen hat, war ein weiterer tiefer Kratzer im Image des japanischen Traditionssports. Auch Harumafujis Vorgänger Asashoryu musste seine Karriere nach einer privaten Prügelei beenden. Davor hatten bereits Skandale um Drogenmissbrauch, illegale Wetten, Ringabsprachen und Verbindungen zur Unterwelt das einst hohe Ansehen des Nationalsports in ihren Grundfesten erschüttert.

Frauen nur auf Tribüne erlaubt

Das Turnier in Tokio soll nun auf sportlichem Wege von den Skandalen der Vergangenheit ablenken. Für Kämpferinnen und Kämpfer für Gleichberechtigung von Frauen im Sport werden die Großmeister und ihre Traditionen aber trotzdem ein rotes Tuch bleiben. Denn Frauen haben im Sumo nur auf der Tribüne ihren Platz. Das Betreten des „dohyo“, des sandigen Kampfringes, ist Frauen strengstens verboten. Laut Shinto-Tradition gelten Frauen aufgrund ihrer Menstruationsblutungen als unrein und haben in dem als heiliger Boden geltenden Ring daher nichts verloren.

Die religiöse Vorschrift führte vor zwei Jahren zu einem weiteren Skandal, als mehrere Zuschauerinnen einem Politiker Erste Hilfe leisten wollten, der während einer Rede im Ring nach einem Schlaganfall kollabiert war. Der Schiedsrichter forderte die Ersthelferinnen jedoch via Mikrofon mehrfach auf, die Kampffläche sofort zu verlassen. Nach Kritik von Fernsehkommentatoren und Protesten in Sozialen Netzwerken sah sich der Sumo-Verband zu einer Entschuldigung gezwungen.

Bereits vor einigen Jahren hatte sich die damalige Gouverneurin von Osaka, Fusae Ota, mit dem Sumo-Verband angelegt, weil sie wie ihre männlichen Kollegen beim Sumo-Frühjahrsturnier in ihrer Funktion als Gouverneurin den Siegerpokal im Ring überreichen wollte. Das aber lehnte der Sumoverband strikt ab und nannte als Grund die uralte Tradition: Frauen seien im Ring unerwünscht. Bei männlichen Politikern hat man im Sumo keine Berührungsängste – auch wenn sie noch so umstritten sind. So durfte US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr bei einem Turnier einen eigens gestifteten Pokal überreichen – mitten im Ring.