Das Ehrentor von Hwang Hee Chan (85./Elfmeter) lässt zwar kühne Salzburger Optimisten noch auf einen neuerlichen Aufstieg hoffen, doch nach einer defensiv inferioren Leistung müsste sich Österreichs Serienmeister im Rückspiel am kommenden Donnerstag (21.00 Uhr) im ausverkauften Stadion in Wals-Siezenheim gewaltig steigern.
Denn die Frankfurter hätten an diesem Abend noch höher gewinnen können, die Salzburger ließen sich nicht nur bei den Gegentoren düpieren, sondern auch noch weitere Topchancen zu. In der Offensive war Österreichs Serienmeister, der aus der Champions League umstieg, nahezu abgemeldet und bis kurz vor Schluss harmlos. Letztlich war es die höchste Niederlage seit dem 0:4 bei Austria Wien im Mai 2018, die Frankfurter feierten eine weitere magische Europacup-Nacht.
Debakel für Salzburg, Remis für LASK
Für die ÖFB-Clubs in der Europa League gab es keinen Sieg. Während Salzburg bei Frankfurt unterging, holte der LASK in Alkmaar ein Remis.
Ilsanker rückt in Abwehr zurück
Im Vorfeld der Partie zwischen den EL-Halbfinalisten der Jahre 2019 und 2018 ließen beide Trainer offen, ob sie mit einer Dreier- oder Viererkette ans Werk gehen würden. Eintracht-Coach Hütter entschied sich ob der Gelb-Sperre seines Landsmanns Martin Hinteregger für eine flexible Doppelvariante, wobei der dritte Österreicher im Bunde, Stefan Ilsanker, vom Mittelfeld zurückrückte. Dort agierte im Zentrum Makoto Hasebe, der sich auch immer wieder zurückfallen ließ – der 36-Jährige war eine von drei Änderungen gegenüber dem 0:4 bei der Generalprobe in Dortmund.
Bei den Salzburgern entschied sich Trainer Jesse Marsch wiederum für eine Viererkette, wohl auch in der Hoffnung auf defensive Besserung gegenüber dem 2:3 gegen den LASK. Die einzige personelle Änderung betraf Verteidiger Andre Ramalho, der auf der Bank Platz nehmen musste. Dafür gab Dominik Szoboszlai im Jahr 2020 sein Startelfdebüt und spielte den linken Part in der Mittelfeldraute im 4-4-2-System.
Trauerminute statt Choreografie
Über 3.000 Zuschauer aus Salzburg hatten sich im Stadion Frankfurt, so die offizielle Bezeichnung in UEFA-Bewerben, eingefunden – in der Red-Bull-Ära seit 2005 haben noch nie so viele Anhänger die Salzburger begleitet. Das hatte wohl auch mit dem Ruf der Eintracht-Fans zu tun, die gemäß Ex-Bremen-Legionär und aktuellem Salzburg-Mittelfeldspieler Zlatko Junuzovic mitunter für die beste Stimmung in Deutschland sorgen.
Allerdings mussten die Salzburger auf die in der Europa League gewohnte Choreografie der Eintracht-Fans verzichten, die geplante Aktion mit 20.000 Wunderkerzen wurde von der UEFA untersagt. Die Fans quittierten die offizielle Hymne daraufhin mit einem gellenden Pfeifkonzert. Statt einer Choreografie gab es eine Trauerminute für die Opfer der Gewalttat im 25 Autominuten entfernten Hanau, wo am Mittwoch elf Menschen ums Leben gekommen waren. Wie die Hausherren spielten auch ihre Gäste deswegen mit einem Trauerflor.
Vor dem Spiel gab es eine Umarmung zwischen Hütter und seinem Ex-Sportchef Christoph Freund, danach ruhte die Freundschaft für 90 Minuten. Im zugigen Adlerhorst der Frankfurter startete Österreichs Serienmeister bemüht, während bei den Gastgebern zunächst die Fans so richtig warmliefen und ihrem Ruf vollauf gerecht wurden. Ihre Mannschaft war nach rund zehn Minuten dann selbst so richtig im Spiel und wurde im Gegensatz zu den Salzburgern auch zugleich gefährlich.
Frühe Frankfurter Führung
Erst klärten Salzburg-Tormann Cican Stankovic und Maximilian Wöber im Verbund nach einem Abschluss von Andre Silva, ehe der Japaner Kamada seine Aufstellung erstmals rechtfertigen sollte. Der nun sechsfache Toptorschütze der Eintracht in dieser EL-Saison, der in der Liga zuletzt Ersatz war, traf im Sechzehner allein gelassen und flach zur Führung (12.). Wie schon (zweimal) gegen den LASK war auch hier wieder ein Einwurf vorausgegangen. Nur neun Minuten später hätte Kamada wieder nach einem Einwurf erhöhen können, verzog aber.
Während die Salzburger in der Offensive sich gegen die kompakten Frankfurter in der Gefahrenzone die Zähne ausbissen – bei der einzig nennenswerten Chance klärte Eintracht-Goalie Kevin Trapp den Kopfball von Enock Mwepu über das Tor (27.) – wusste man in der Defensive nicht, wo man die Löcher zu stopfen beginnen sollte. Filip Kostic verzog noch knapp (33.), ehe Kamada das 2:0 besorgte: Nach schnellem Umschaltspiel düpierte der Japaner die Innenverteidigung der Salzburger um Wöber und Onguene und bezwang Stankovic. Der Video Assistant Referee befand das Zuspiel als regelkonform, wie das Duell zwischen Ilsanker und Junuzovic zuvor im Eintracht-Strafraum.
Adeyemi gibt Debüt, Frankfurt trifft
Marsch, der ob der Vorstellung seiner Mannschaft in der ersten Hälfte sichtbar verärgert an der Seitenlinie agierte, reagierte dann in der Halbzeitpause und brachte neben Sekou Koita auch Karim Adeyemi, der erst 18-jährige deutsche Stürmer gab sein Debüt für Salzburg, die Nachwuchshoffnung war vom FC Liefering hochgezogen worden. Dieser stellte sich mit einer Gelben Karte für eine Schwalbe vor.
Da führte Frankfurt bereits mit 3:0, denn abermals hatte Kamada getroffen. Während die Salzburger wieder nur zusahen, wie Evan N’Dicka seine Flanke an den Mann brachte, traf der Japaner nun auch per Kopf – das allerdings unter Mithilfe von Wöber, der den Ball abfälschte (53.). Drei Minuten später nützte Frankfurt die völlige Verunsicherung der Salzburger in der Defensive, Kostic erhöhte aus spitzem Winkel (56.). Die Frankfurter Fans feierten ihre Mannschaft, die Chancen auf einen höheren Sieg vergab: Sebastian Rode verfehlte knapp (62.), Wöber rettete gegen „Joker“ Goncalo Paciencia (78.).
Hwang verkürzt im Finish
„Einer geht noch rein“, hallte es durch die Arena, doch Salzburgs Defensive ließ zumindest das fünfte Gegentor nicht mehr zu. Im Gegenteil: Die Gäste betrieben immerhin noch Ergebniskosmetik, nachdem Djibril Sow Kapitän Andreas Ulmer zu Fall gebracht hatte und Hwang den Elfmeter zum 1:4 trocken verwertete (85.). Damit würde am Donnerstag ein 3:0 reichen, um doch noch aufzusteigen. Nach diesem Abend vermag aber keiner so richtig daran zu glauben.
Stimmen zum Spiel:
Jesse Marsch (Salzburg-Trainer): „Ich weiß nicht, warum die Leistung so schlecht war. Ich habe viele Emotionen jetzt. Jetzt müssen wir überlegen, was der nächste Schritt ist. Wir haben nicht gut gespielt. Es ist schwer, wenn wir kein Selbstvertrauen haben und keine Aggressivität auf dem Platz. Frankfurts Leistung war gut, aber das hatte viel zu tun mit unserer Leistung. Wir haben in der ersten Halbzeit kein Duell gewonnen, in der zweiten auch nicht so viele.“
Adi Hütter (Eintracht-Trainer): „Ich bin sehr glücklich. Wir haben uns eine super Ausgangsposition geschaffen. Wir haben das Spiel von der ersten Minute an angenommen. Wir haben unglaublich griffig, unangenehm gespielt. Das war für mich die beste Saisonleistung. Wir werden auch in Salzburg das Spiel so anlegen, dass wir weiterkommen. Ich weiß, was uns in Salzburg erwartet. Deshalb hat mich das Gegentor natürlich geärgert. Aber mit einer Leistung wie heute werden wir weiterkommen.“
Europa-League, Sechzehntelfinale, Hinspiel
Donnerstag:
Eintracht Frankfurt – Salzburg 4:1 (2:0)
Commerzbank-Arena, 47.000 Zuschauer, SR Palabiyik (TUR)
Torfolge:
1:0 Kamada (12.)
2:0 Kamada (43.)
3:0 Kamada (53.)
4:0 Kostic (56.)
4:1 Hwang (85./Elfer)
Frankfurt: Trapp – Toure, Ilsanker (86./Durm), Abraham, Ndicka – Hasebe – Kamada (81./Da Costa), Sow, Rode, Kostic – Silva (77./Paciencia)
Salzburg: Stankovic – Farkas, Onguene, Wöber, Ulmer – Mwepu, Junuzovic, Okugawa (46./Adeyemi), Szoboszlai (75./Camara) – Daka (46./Koita), Hwang
Gelbe Karten: Sow bzw. Adeyemi
Die Besten: Kamada, Toure, Ndicka, Kostic bzw. keiner
Rückspiel am 27. Februar (21.00 Uhr) in Salzburg