Nina Ortlieb
AP/Gabriele Facciotti
Ski alpin

Ortlieb rast erstmals aufs Stockerl

Nina Ortlieb hat am Samstag ihren ersten Sieg nur hauchdünn verpasst. Die Vorarlbergerin landete in der zweiten Abfahrt von Crans-Montana mit nur fünf Hundertstelsekunden Rückstand auf Platz drei, durfte sich aber über ihren ersten Stockerplatz im Weltcup freuen. Vor Ortlieb feierten so wie am Freitag die Schweizerinnen: Lara Gut-Behrami bejubelte ihren zweiten Erfolg en suite, und Corinne Suter bescherte der Schweiz die erste Kristallkugel in der Abfahrt seit 29 Jahren.

Weil ihre Kontrahentinnen Federica Brigone aus Italien und die Tschechin Ester Ledecka hinter Suter landeten, genügte der Schwyzerin Platz zwei, um die Nachfolge von Nicole Schmidhofer als Abfahrtsweltcup-Siegerin anzutreten. Im Kampf um den Tagessieg musste sich Suter so wie am Vortag nur ihrer Teamkollegin geschlagen geben. Diesmal entschieden nur zwei Hundertstelsekunden gegen sie. Für die Schweiz ging damit eine lange Durststrecke zu Ende. Zuletzt hatte Chantal Bournissen 1991 – und damit drei Jahre vor Suters Geburt – den Abfahrtsthron erobert.

Der Tagessieg ging so wie am Freitag an Gut-Behrami, die damit ihre Karriereausbeute im Weltcup in weniger als 24 Stunden auf 26 Erfolge erhöhte. In einer Abfahrt eroberte die 28-Jährige zum neunten Mal die oberste Stufe des Podests. Aber auch Ortlieb durfte sich wie eine Siegerin fühlen. Die 23-Jährige raste mit einer engagierten Fahrt erstmals auf ein Weltcup-Podest und bestätigte damit ihre Trainingsbestzeit vom Donnerstag.

1. Lara Gut-Behrami (SUI)
2. Corinne Suter (SUI)
3. Nina Ortlieb (AUT)

Die Drittplatzierte vom Freitag, Stephanie Venier, als Sechste (+0,59 Sek.) und die entthronte Abfahrtskönigin des Vorjahres Nicole Schmidhofer (+0,62) als Siebente rundeten ein respektables österreichische Ergebnis ab. Tamara Tippler verpasste als Zwölfte (+0,96) die Top Ten um lediglich zwei Zehntelsekunden. Ramona Siebenhofer wurde 18., Mirjam Puchner und Franziska Gritsch lieben als 31. und 33. ohne Weltcup-Punkte. Michaela Heider schied aus.

Ortlieb zieht richtige Lehren

Der Tage gehörte aus österreichischer Sicht aber Ortlieb, die nach Platz vier zum Saisonauftakt in Lake Louise nun den letzten Schritt aufs Stockerl schaffte. „Es freut mich total, dass es geklappt hat. Ich kann zufrieden und stolz auf meine Fahrt sein“, sagte die Tochter von Abfahrtsolympiasieger und -weltmeister Patrick Ortlieb gegenüber dem ORF, „es war diesmal mehr Lockerheit da, es ist leichter von der Hand gegangen. Ich konnte den Fokus auf die Spur halten und bin daher überglücklich.“

Am Freitag, als sie nach klarer Trainingsbestzeit im ersten Rennen „nur“ Sechste wurde, habe ihr die Nervosität einen Strich durch die Rechnung gemacht, so Ortlieb: „Aber diesmal habe ich mich extrem darauf konzentriert, das ich das im Griff habe. Das war sicher eine Lehre von gestern“, sagte Ortlieb. Die Vorarlbergerin blickt nun den kommenden Aufgaben mit Vorfreude entgegen: „Es bringt noch mehr Motivation. Skifahren macht mir schon die ganze Saison über viel Spaß. Es gibt für das Finish noch einen zusätzlichen Push“, so Ortlieb.

Lara Gut-Behrami, Corinne Suter und Nina Ortlieb
AP/Alessandro Trovati
Ortlieb (r.) durfte neben Siegerin Gut-Behrami und Suter (l.) erstmals vom Foto der besten drei lachen

Suter hält Druck stand

Suter setzte mit Abfahrtskristall dem Schweizer Feiertag die Krone auf. Der frischgebackenen Kugelgewinnerin war die Erleichterung anzusehen. „Es war sehr speziell, es war sehr viel los und sehr viel Rummel. Ich habe vergangene Nacht fast nicht schlafen können. Ich bin umso glücklicher, dass ich es (meine Leistung, Anm.) heute noch einmal gezeigt habe“, sagte Suter im ORF-Interview, „es war schon sehr viel Druck, ich wurde sehr viel danach gefragt und darauf angesprochen. Jetzt bin ich einfach froh.“

Dass sie sich im Kampf um den Tagessieg erneut ihrer Landsfrau geschlagen geben musste, war der 25-Jährigen egal. „Ich freue mich für sie. Sie fährt im Moment eine geile Linie“, sagte Suter und zog vor Gut-Behrami ihren imaginären Hut. Die Schweizer Skifans hätten so oder so einen Feiertag. „Eins und zwei, was will man mehr?“, so Suter.

Bei Siegerin Gut-Behrami schien der klare Sieg am Freitag mit 0,80 Sek. Vorsprung nach langer Durststrecke den Knopf gelöst zu haben. In der zweiten Abfahrt luchste die 28-Jährige, die ebenfalls erst kurz nach Bournissens Triumph 1991 geboren wurde, ihrer Teamkollegin Suter im Zielhang die entscheidende Zeit ab. „Ich habe gedacht, ich muss das Gleiche wie gestern machen, dann klappt es“, sagte Gut-Behrami, „ich habe die Freiheit und Lockerheit am Ski wieder gefunden. Es ist schön und erfreulich, dass ich es (den Sieg, Anm.) gleich wiederholen konnte.“

Venier will zu viel

Im österreichischen Lager freute man sich vor allem mit Ortlieb mit. „Nina zeigt im Training so gute Leistungen, in den Rennen hat es noch nie richtig funktioniert. Ich freue mich mega für sie“, sagte Venier. Die Tirolerin kritisierte an ihrer eigenen Fahrt einmal mehr zu viele Fehler. „Ich will zu viel am Start, fahre zu aggressiv los, da passiert der eine oder andere Fehler.“ Schmidhofer stellte fest, dass die vorgenommenen Veränderungen sehr gut für die Kurven seien, „aber im Flachen komme ich nicht weiter. Da fehlt der Speed.“