Präsident des internationalen olympischen Komitees, Thomas Bach.
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Olympia 2020

IOC-Boss Bach verteidigt Tokio-Taktik

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verteidigt seine Taktik in der Diskussion über die drohende Absage der Olympischen Sommerspiele 2020. So wehrt sich IOC-Präsident Thomas Bach weiterhin vehement gegen jegliche Art von Spekulationen über eine Verlegung der Olympischen Spiele in Tokio wegen der weltweiten Coronavirus-Krise.

In einem am Donnerstag (Ortszeit) veröffentlichten Interview der „New York Times“ sagte der 66-jährige Deutsche: „Natürlich bedenken wir verschiedene Szenarien, aber im Gegensatz zu vielen anderen Sportverbänden oder Profiligen sind wir noch viereinhalb Monate entfernt von den Spielen.“

Weltweit seien Ligen optimistischer als das IOC, „weil sie ihre Veranstaltungen bis April oder Ende Mai verschoben haben. Wir sprechen über Ende Juli.“ In den vergangenen Tagen wurde die Kritik an der Haltung des IOC immer lauter. Viele Sportlerinnen und Sportler wünschen sich eine Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio und beklagen unfaire Bedingungen durch die schwierige Situation vieler Athleten weltweit.

Olympisches Feuer in Japan eingetroffen

Unter dem Eindruck der Pandemie traf am Freitag die Flamme aus Griechenland in Japan ein. In einer kleiner als ursprünglich gedachten Zeremonie wurde das olympische Feuer auf einem Militärstützpunkt in Higashimatsushima im Nordosten der Hauptinsel Honshu in Empfang genommen. 200 örtliche Schüler, die ursprünglich zu der Zeremonie eingeladen waren, durften wegen der Gefahr einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus nicht teilnehmen.

Trotz der zunehmenden Kritik am vorläufigen Festhalten an der Austragung der Olympischen Sommerspiele von 24. Juli bis 9. August hatte hat das Griechische Olympische Komitee (HOC) das olympische Feuer am Donnerstag an die Tokio-Organisatoren übergeben. Wegen der Coronavirus-Pandemie fand nur eine Minizeremonie im marmornen Panathinaiko-Stadion – dem Austragungsort der ersten Spiele der Neuzeit 1896 – statt.

Die ehemalige japanische Schwimmerin Imoto Naoko hält das olympische Feuer neben dem griechischen Sport Minister Spyros Capralos bei der Übergabezeremonie in Tokio.
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Der zaghafte Versuch von „Business as usual“ bei der Übergabe des olympischen Feuers

„Wir hoffen, dass das olympische Feuer das Virus auslöscht“, sagte HOC-Präsident Spyros Kapralos. Vor leeren Rängen nahmen an der Übergabe nur wenige Mitglieder des HOC und Vertreter von Tokio teil. Die Flamme wurde von der früheren Schwimmerin Naoko Imoto übernommen, die zurzeit in Griechenland lebt.

Yoshiro Mori, der Präsident des Tokio-Organisationskomitees, war wegen der Ansteckungsgefahr nicht nach Athen gekommen und richtete per Video eine Botschaft an die Griechen und die Welt des Sports. Er bedauerte, dass die geplanten Feierlichkeiten in Athen nicht stattfinden konnten. Tokio werde für die Spiele fertig sein. „Am 24. Juli wird das Feuer in Tokio entfacht“, versicherte Mori. Das Feuer wird nun in einer speziellen Laterne per Flugzeug nach Japan gebracht.

Einen Tag nach der Entzündung des Feuers vor einer Woche war der traditionelle Fackellauf durch Griechenland wegen der Coronavirus-Krise abgebrochen worden. In Japan ist noch der viermonatige Fackellauf geplant, die Organisatoren haben aber die meisten Feierlichkeiten gestrichen, zudem sollen die Menschen am Straßenrand Abstand zu anderen halten. Geschieht das nicht, könnte der Lauf gestoppt werden.

„Fluch“ über Spielen in Tokio?

Unterdessen bezeichnete der japanische Finanzminister und ehemalige Premierminister Taro Aso in einem parlamentarischen Ausschuss die Tokio-Spiele sogar als „verflucht. Das ist kein Satz, den die Presse gerne hören würde, aber er ist wahr“, sagte Aso, der bei den Spielen 1976 in Montreal Mitglied der japanischen Sportschützenmannschaft gewesen war.

Aso hofft auf eine Situation, „in der jeder zumindest sicher und glücklich nach Japan kommen kann. Aber die Frage ist, wie wir das machen.“ Das könne Japan nicht allein erreichen. Auch die Gouverneurin von Tokio, Yuriko Koike, sagte, es sei essenziell, dass der Kampf gegen das Coronavirus gewonnen werde, um „sichere“ Sommerspiele abhalten zu können.

„Verlegung ist alternativlos“

Die Kritik an der vom IOC weiter geplanten und auch vom Österreichischen Olympischen Comite (ÖOC) unterstützten Durchführung der Spiele wurde zuletzt immer lauter. Nicht zuletzt von Clemens Prokop, dem früheren Chef des Deutschen Leichthletikverbands, der seinen Landsmann Bach verbal attackierte.

„Ich halte Thomas Bach als Krisenmanager für ungeeignet, weil er nicht die erforderlichen Entscheidungen trifft“, sagte Prokop. „Das IOC betreibt derzeit jedenfalls das Gegenteil von verantwortungsvollem Krisenmanagement.“ Für ihn sei klar, dass die Spiele 2020 nicht verantwortbar seien und eine Austragung keinen Sinn ergebe.

Laut Prokop ist eine terminliche Verlegung der Spiele alternativlos. „Das IOC muss mit Tokio darüber verhandeln, ob die Stadt in der Lage ist, entweder im Sommer 2021 oder im Sommer 2022 Gastgeber der Olympischen Spiele zu sein.“ Ansonsten müsse ein anderer Ausrichter gefunden werden.

Scharfe Kritik aus eigenen Reihen

Selbst Kritik aus den eigenen Reihen war am IOC laut geworden. Die vierfache kanadische Eishockeyolympiasiegerin Hayley Wickenheiser, seit 2014 IOC-Mitglied, forderte zum Umdenken auf und kritisierte das strikte Beharren auf den Sommerspielen 2020 vehement. „Wir müssen vor allem Menschlichkeit zeigen und können nicht einfach so weitermachen“, sagte die 41-jährige Ärztin.

„Wir sollten keine Durchhalteparolen verbreiten. Was in Italien passiert, sollte uns allen eine Warnung sein“, so Wickenhauser. „Nur das zählt momentan. Ich habe die Lage zu Beginn auch noch etwas anders gesehen und dachte, dieses Virus werde schnell wieder verschwinden. Doch als Medizinerin habe ich die vergangenen zweieinhalb Monate in der Notaufnahme verbracht. Ich weiß es jetzt besser und sehe die Gefahr.“

Das IOC hatte am Dienstag erneut bekräftigt, dass die Spiele am 24. Juli in der japanischen Hauptstadt eröffnet werden sollen. „Ich attackiere niemanden. Ich will keine Instabilität in der olympischen Familie. Ich will keine Panik machen. Aber ich sage klar und deutlich: Jetzt helfen nur drastische Maßnahmen“, sagte Wickenheiser. „Wir sollten zunächst als verantwortungsvolle Weltbürger handeln, erst dann als Sportler oder IOC-Mitglieder.“