Pablo Dorado schießt das erste Tor im Finale gegen Argentinien
AP/WCSCC
Fußball

Der lange Weg zur ersten Weltmeisterschaft

Aufgrund der Coronavirus-Pandemie ist die Sportwelt dieser Tage zum Stillstand gekommen. Mit den Olympischen Spielen und der Fußball-EM mussten auch zwei Großevents verschoben werden. Für die Sportfans rund um den Globus heißt es: Bitte warten. Warten hieß es auch für Carl Anton Wilhelm Hirschmann – ganze 26 Jahre. So lange dauerte es, bis die Vision des Niederländers einer Fußball-WM im Jahr 1930 in Uruguay endlich Realität wurde.

Dass die WM 2026 mit 48 Teilnehmern über die Bühne gehen wird, hätte sich Hirschmann wohl in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Vor 90 Jahren zierten sich vor allem die Europäer und mussten zur Teilnahme erst überredet werden. Der damalige Präsident des Internationalen Fußballverbands (FIFA), Jules Rimet, nach dem 1950 auch der WM-Pokal benannt wurde, reiste verzweifelt quer durch Europa, um doch noch einige Nationen zur Teilnahme am Turnier in Übersee zu überreden.

Am Ende hatte die FIFA 13 Nationen zusammengekratzt, um die erste WM über die Bühne gehen zu lassen. Neben Argentinien, Chile, Mexiko, Brasilien, Bolivien, Uruguay, Peru, den USA und Paraguay nahmen aus Europa lediglich Frankreich, Jugoslawien, Rumänien sowie Belgien teil. Nach 18 Spielen stand mit Gastgeber Uruguay das damals beste Team nach einem 4:2-Finalsieg über Argentinien als erster Weltmeister fest.

Jules Rimet (L), Vorstand der FIFA überreicht die Trophäe Dr. Raul Jude
APA/AFP
FIFA-Präsident Jules Rimet überreichte Uruguays Verbandspräsidenten Raul Jude den ersten WM-Pokal der Geschichte

Engländer waren „not amused“

Bis es zu diesem Moment kam, verstaubten aber unzählige Papiere in Schubladen und Schränken, jahrelang wurden Briefe ohne Nutzen hin und her geschickt. Hirschmann hatte nämlich schon kurz nach der Jahrhundertwende 1904 die Idee einer Weltmeisterschaft aufs Tapet gebracht. Vor allem die Engländer waren von der Idee „not amused“. Als Mutterland des Fußballs sahen sie doch schon die Gründung der FIFA wenige Tage zuvor als Affront an.

Die Briten gaben nicht einmal eine Antwort, als sie am 21. Mai 1904 zur Gründungsversammlung eingeladen worden waren. So wurde die FIFA in Paris aus Frankreich, Belgien, Dänemark, der Schweiz, Schweden, den Niederlanden und Spanien gebildet. Spätere Fußballgroßmächte wie Deutschland und Italien sowie die Südamerikaner waren noch außen vor, als Hirschmann erstmals von einer WM sprach, sollten aber bald ebenso folgen wie Österreich.

Poster der Fußball-WM 1930
AFP
Das Logo der ersten Fußball-WM

Ein Österreicher als Triebfeder

Hirschmanns für 1905 vorgesehenes „Weltturnier“ fand keine Teilnehmer. Er blieb – überzeugt von seiner Idee – am Ball. Als Hirschmann 1906 FIFA-Generalsekretär wurde, brachte er das Thema wieder auf die Tagesordnung. Erst beim Kongress von Christiania 1914 beschloss dann die FIFA das olympische Fußballturnier 1916 in Berlin als Weltmeisterschaft auszuschreiben. Der Erste Weltkrieg machte der WM aber einen blutigen Strich durch die Rechnung. 1921 sah dann Rimet nach seiner offiziellen Ernennung zum dritten FIFA-Präsidenten die Chance auf eine Verwicklichung wieder gegeben.

Sehr zum Ärger der FIFA wurde von den Bossen des Internationalen Olympischen Comites (IOC) der Fußball ins olympische Nebenprogramm geschoben. Der Wunsch nach einem eigenen Turnier wuchs, trotzdem dauerte es ein weiteres Jahrzehnt, bis die Zeit reif für die WM wurde. Einen entscheidenden Anteil daran hatte ein österreichischer Funktionär.

Im Gegensatz zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), Felix Linnemann, war Hugo Meisl ein glühender Befürworter. Die WM wurde schließlich 1929 auf Schiene gebracht. Die Interessenten an einer Austragung hielten sich in Grenzen. Uruguay, das 1930 seine 100-jährige Unabhängigkeit feierte, setzte sich schließlich gegen Italien und Ungarn durch.

Europäer verspürten wenig Lust

Und damit war auch schon das nächste Problem geboren. Die Europäer verspürten wenig Lust, sich die WM in Südamerika anzutun. Klimatische und finanzielle Überlegungen waren stärker als der sportliche Reiz. Südamerikas Verbände solidarisierten sich mit Uruguay und drohten mit dem FIFA-Austritt. Schwer unter Druck konnte Rimet aber immerhin noch Frankreich und Belgien überreden, Jugoslawien und Rumänien hatten sich schon davor zur Teilnahme entschieden.

Franzosen, Belgier und Rumänen traten gemeinsam die Reise per Schiff an. Auf der langen Anreise hatten die Teams unterschiedliche Herangehensweisen, um sich auf das Turnier vorzubereiten. Während sich die Belgier mit Turnübungen fit hielten, frönten die Franzosen eher dem Kartenspiel. Keine der beiden „Strategien“ führten zum Erfolg, beide Mannschaften schieden in der Gruppenphase ebenso wie die Brasilianer, die damals noch nicht die vorherrschende Fußballnation in Südamerika waren, aus.

Turnierverlauf ganz nach Wunsch des Gastgebers

Das Turnier begann schließlich am 13. Juli 1930. Obwohl die Organisatoren in ihrer Vorbereitung nicht ganz fertig waren, tat das der Begeisterung der Fans keinen Abbruch. Aus einer Vierer- und drei Dreiergruppen qualifizierten sich schließlich Argentinien, die USA, Jugoslawien und erwartungsgemäß der zweifache Olympiasieger Uruguay (1924, 1928) für das Semifinale.

Die Auslosung des Halbfinales verlief ganz nach dem Wunsch der Gastgeber. Während Uruguay auf Jugoslawien traf, bekam es Argentinien mit den USA zu tun. Damit zeichnete sich das Wunschfinale ab, und es kam auch dazu. Uruguay und Argentinien fegten ihre Gegner jeweils mit 6:1-Kantersiegen vom Platz, womit die Neuauflage des olympischen Finales von 1928 perfekt war.

Centenario-Stadion in Uruguay
AP/WCSCC
Das Estadio Centenario in Montevideo hatte eine Kapazität von ungefährt 100.000 Zuschauern

„Kein argentinischer Revolver“ im Finale

Am 30. Juli stieg dann im Estadio Centenario von Montevideo um 14.15 Uhr das erste WM-Finale der Geschichte. Aus Argentinien kamen an die 15.000 Fans aus dem nahegelegenen Buenos Aires. An den Eingängen drängten sich die Massen, denn Referee John Langenus verlangte strenge Kontrollen. „Kein argentinischer Revolver im Centenario“, hatte der Belgier gefordert. Langenus hatte überdies die Leitung des Spiels nur unter der Bedingung übernommen, dass für ihn nach dem Abpfiff ein Boot am Hafen für eine etwaige Flucht bereitstehen müsse.

In einer aufgeheizten Atmosphäre wurde dann das Finale gleich zu einem der torreichsten der WM-Geschichte. Pablo Dorado brachte Uruguay in der zwölften Minute in Führung. Argentinien drehte die Partie bis zur Pause durch Treffer von Carlos Peucelle (20.) und Guillermo Stabile (37.), der auch mit acht Toren der erste WM-Schützenkönig wurde. Die zweite Hälfte gehörte aber ganz Uruguay. Pedro Cea (57.), Santos Iriarte (68.) und Hector Castro (89.) schossen den Gastgeber noch zum Sieg.

WM-Mannschaft von Uruguay 1930
AP/WCSCC
Das Nationalteam von Uruguay krönte sich zum ersten Weltmeister der Geschichte

Der Weg war geebnet

Nicht nur aufgrund des Heimsieges wurde die Weltmeisterschaft ein voller Erfolg – auch finanziell gab es ein Plus. Rimet zeigte sich begeistert und lobte Leidenschaft, Enthusiasmus sowie Begeisterung. Der Weg für eine der wichtigsten Sportveranstaltungen der Gegenwart war geebnet. Jene Nationen, die nicht dabei waren, stimmten zunächst nicht in das Loblied ein. Schon 1934 waren aber mit Österreich, Italien, Deutschland, der Tschechoslowakei und Ungarn schon dominierende Verbände mit von der Partie.

Nach der WM in Uruguay leitete Hirschmann noch bis 1931 als ehrenamtlicher Generalsekretär die Tagesgeschäfte der FIFA. Die erste Weltmeisterschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und die insgesamt vierte der Geschichte durfte der Niederländer noch miterleben, ehe er 1951 im Alter von 74 Jahren verstarb. Rimet stand dem Internationalen Fußballverband insgesamt 33 Jahre vor und wurde damit zum am längsten amtierenden FIFA-Präsidenten. Er verstarb am 16. Oktober 1956 in Paris, zwei Tage nach seinem 83. Geburtstag. Rimet gilt gemeinsam mit dem Uruguayer Enrique Buero als Begründer der Fußball-WM, ihr geistiger Vater war aber Hirschmann.