Jubel von David Alaba und Team nach dem Sieg der Champions League 2013
GEPA/David Rodriguez Anchuelo
Champions League

Die Königsklasse als Ziel aller Träume

Vereine aus 55 Ländern haben die Chance, sich im Finale der UEFA Champions League, einem der wichtigsten Sportevents der Welt, die Krone aufzusetzen. Auch wenn der Finaltermin heuer aufgrund der Coronavirus-Pandemie noch offen ist, so sind es am Ende doch fast immer dieselben Topmannschaften, die die bedeutsamste Trophäe des Clubfußballs erringen und dabei legendäre Endspiele ablieferten.

Neben der alten Weisheit, dass Geld doch Fußball spielen kann, hat auch der Europäische Fußballverband (UEFA) selbst dafür gesorgt, dass die Creme de la Creme meist unter sich bleibt. Den Spitzenvereinen reicht das aber nicht.

„Sie sind die Besten“, heißt es in der Hymne der in der Saison 1992/93 geschaffenen Champions League treffend. Die CL löste den seit 1955/56 bestehenden Europapokal der Landesmeister als Königsklasse im europäischen Clubfußball ab und erklomm vor allem in finanzieller Hinsicht neue Sphären.

Fast zwei Milliarden Euro an Prämien schüttet die UEFA in einer CL-Saison aus, allein das Startgeld der 32 Mannschaften in der Gruppenphase beträgt 15,25 Millionen, der Sieger kann bei idealem Verlauf über 82 Millionen lukrieren, die Ausschüttungen über die Koeffizientenrangliste und den Marketpool noch nicht eingerechnet.

UEFA reformiert Champions League

Spielten einst im Europapokal der Landesmeister nur die jeweiligen Champions, reformierte die UEFA den Bewerb sukzessive zugunsten der großen Nationen. Ab der Saison 1997/98 durften auch die Vizemeister der acht besten Länder an der CL teilnehmen. Mit der Spielzeit 1999/2000 konnten die Topnationen sogar vier Clubs in der Königsklasse spielen lassen, das in der maßgeblichen Fünfjahreswertung der UEFA (in der jedes Land und jeder Verein Punkte für Erfolge in Europacup-Bewerben erhält) fünfzehntplatzierte Land immerhin noch zwei.

So entstand schließlich das heute gültige System, an dem diese Saison 79 Clubs aus 54 Ländern teilnahmen. Vereine aus Nationen, die in der Fünfjahreswertung hinten liegen, müssen aber durch bis zu fünf Qualifikationsrunden (inklusive der Vorqualifikation), um in den erlauchten Kreis der 32 Starter der CL-Gruppenphase einzudringen. Von diesen acht Vierergruppen steigen dann die Top Zwei jedes Pools ins Achtelfinale auf, in dem es im K.-o.-System bis ins Finale geht.

Österreich auf verlorenem Posten

Dieses System fördert naturgemäß die Großclubs prominenter Ligen. Das ist per se nicht verwerflich, freuen sich die meisten Fans doch wohl über die vielen Schlagerspiele. Doch auch Österreich machten die harten Qualifikationsrunden das Leben schwer, erst achtmal konnte sich ein ÖFB-Vertreter qualifizieren: dreimal Sturm Graz, zweimal Rapid und je einmal SV Salzburg, Austria Wien und Red Bull Salzburg. Die „Bullen“ hatten elfmal erfolglos ihr Glück (darunter allerdings auch Selbstfaller wie gegen Düdelingen) versucht, ehe ein über die Fünfjahreswertung errungener CL-Fixplatz Österreichs Serienmeister erstmals die Luft der Königsklasse schnuppern ließ.

Die „Bullen“ boten in der Gruppenphase teils starke Leistungen, mussten letztlich die Überlegenheit von Liverpool und Napoli aber anerkennen und stiegen als Gruppendritter in die Europa League um. Erfolgreichster ÖFB-Verein in der CL ist somit nicht Red Bull Salzburg, sondern Sturm, das in der Saison 2000/01 als Gruppensieger vor Galatasaray Istanbul, Glasgow Rangers und AS Monaco die damalige Zwischenrunde erreichte. Österreichs durchwachsene Bilanz in der CL steht bei insgesamt elf Siegen, zehn Remis und 33 Niederlagen in 54 Spielen, das Torverhältnis lautet 50:109. Das bedeutet Rang 19 in der CL-Bestenliste. Vom ersehnten Finale kann ein ÖFB-Vertreter nur träumen.

Krönung für Alaba

Lange gab es bei Finalspielen, der Krönung für jeden, überhaupt keinen Österreich-Bezug, lässt man Wien als Gastgeber des Endspiels 1995 zwischen Ajax und Milan (1:0-Sieg für Amsterdam durch ein Tor von Patrick Kluivert in der Endphase) einmal außen vor. Wolfgang Feiersinger stand 1997 beim Finale von Dortmund, als der eingewechselte Teenager Lars Ricken mit seinem herrlichen Lupfer zum 3:1 Juventus den Todesstoß versetzte, nicht im Kader. Auch 2010, als Inter die Bayern mit 2:0 schlug, planten die Trainer ohne die jungen Marko Arnautovic bzw. David Alaba. Letzteren kostete 2012 eine bittere Gelbsperre wegen eines Handspiels im Semifinale auch das „Finale dahoam“ gegen Chelsea, das die Bayern 3:4 im Elferschießen verloren.

2013 war es dann so weit: Alaba stand als erster Österreicher in einem CL-Endspiel. Bei einem Sieg würde für den damals 20-Jährigen, der mit seinen Bayern im Halbfinale Barcelona mit 7:0 eliminiert hatte, „ein Traum in Erfüllung gehen, so etwas kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen“. Der Traum erfüllte sich, die Münchner setzten sich in einem hochklassigen, ersten deutschen Endspiel mit 2:1 gegen Dortmund durch und holten letztlich sogar das Triple. „Ein Wahnsinn“, sagte Alaba nach dem Finalerfolg im Londoner Wembley-Stadion.

Glorreiche Endspiele

Für einen Österreicher und die Bayern war es ein historisches Endspiel, die Münchner waren aber auch an einem anderen der denkwürdigsten Momente der CL-Finalgeschichte beteiligt. Bayern sah 1999 nach einem frühen Führungstor von Mario Basler bis zur 90. Minute wie der Sieger gegen Manchester United aus. Die Nachspielzeit hatte es aber in sich: In Minute 91 glich der eingewechselte Teddy Sheringham für die „Red Devils“ aus, nur zwei Minuten später war „Joker“ Ole Gunnar Solskjaer, heute Trainer von United, mit dem Siegestreffer zur Stelle. Die Vorarbeit per Eckball hatte bei beiden Toren der 24-jährige David Beckham geleistet.

Als mindestens ebenso spektakulär entpuppte sich das Finale 2005, als Milan gegen Liverpool durch Treffer von Evergreen Paolo Maldini (1.) und einen Doppelpack von Hernan Crespo zur Pause schon mit 3:0 führte. Die „Reds“ steckten aber nicht auf, Kapitän Steven Gerrard, Vladimir Smicer und Xabi Alonso stellten in der zweiten Hälfte auf 3:3. Im Elferschießen krönten die Briten mit einem 3:2-Erfolg eines der erstaunlichsten Comebacks.

Zum Staunen brachte die Zuschauer auch das Finale 2018 zwischen Real Madrid und Liverpool. Diesmal war es aber keine Freude, sondern Entsetzen, das den Fans der „Reds“ aus dem Gesicht sprach – und das nicht nur, weil Sergio Ramos Torjäger Mohamed Salah durch ein Foul nach 30 Minuten aus dem Spiel genommen hatte. Die Madrilenen siegten durch denkwürdige Tore mit 3:1. Ein Fallrückzieher von Gareth Bale war unhaltbar, bei den anderen Treffern durch Karim Benzema und Bale patzte Liverpool-Goalie Loris Karius aber dermaßen, dass jeder Hobbytormann im Vergleich dazu wie ein Weltklassemann wirkt.

Auch das Finale 2011 zwischen Barcelona und Manchester United (3:1) war legendär, weniger durch seine Spannung oder Dramaturgie als durch die totale Dominanz, die Barcelona mit seinem Tiki-Taka-Fußball in Vollendung ausstrahlte. Die Treffer von Pedro, Lionel Messi und David Villa waren die logische Folge. „Ich muss sagen, dass ich wohl noch nie einer besseren Mannschaft gegenüberstand“, gestand die unterlegene Trainerlegende Alex Ferguson.

Die Zukunft des Konzerts der Großen

Für Barcelona war es der dritte CL-Titel, 2015 schraubten die Katalanen die Anzahl auf vier. Barca ist damit die zweiterfolgreichste Mannschaft, König der Königsklasse ist Real, das sieben Trophäen (14 inklusive des Pokals der Landesmeister) holte. Mit insgesamt elf Titeln führt Spanien auch die Liste der erfolgreichsten CL-Nationen vor England und Italien (je fünf) sowie Deutschland (vier) an. Dazu kommt noch Frankreich mit dem Überraschungssieger Olympique Marseille in der CL-Debütsaison hinzu.

Diese Bilanz beweist vor allem eines: Überraschungen sind in der CL weitgehend ausgeschlossen, die „Großen“ machen sich Finale und Titel unter sich aus. Den Spitzenvereinen ist das aber nicht genug, seit Langem wälzen sie Pläne einer neuen Elite- bzw. Super League. Immer neue Spekulationen tauchen dazu auf, abhängig von Tageszeit und Medium: Die Superliga besteht nur aus 16 Topclubs, diese könnten dann nicht mehr in ihren nationalen Ligen spielen; die Super League ist eine Konkurrenz zur CL; die nationalen Ligen bleiben bestehen, die CL wird reformiert und auf 36 Vereine (sechs Sechsergruppen) aufgestockt etc. Welche Ideen sich letztlich wirklich durchsetzen und umgesetzt werden können, ist völlig offen.

Vielleicht wird aber gerade durch die derzeitige Coronavirus-Krise und ihren Zwang zur Entschleunigung ein völlig neuer Weg eingeschlagen. „Weniger Turniere, dafür interessantere. Vielleicht weniger Teams, dafür größere Ausgeglichenheit. Weniger Spiele, um die Gesundheit der Spieler zu schützen, dafür umkämpftere Partien“, sagte Gianni Infantino in der „Gazzetta dello Sport“. Für den Präsidenten des Internationalen Fußballverbands (FIFA) würde das eine Kehrtwende darstellen, machte er sich bisher doch immer für größere Turnier (Stichwort XXL-WM) stark. Nun sagte Infantino: „Vielleicht können wir den Fußball reformieren, indem wir einen Schritt zurück machen.“