Bild zeigt einen Kameramann am Speilfeldrand während eines Fußball Spiels.
GEPA/Mario Buehner
Fußball

Europas Topligen bangen um TV-Millionen

Es sind astronomische Summen, die Saison für Saison in die größten Ligen Europas fließen. Über sieben Milliarden Euro sollten die Erstligisten aus England, Deutschland, Spanien, Frankreich und Italien in der laufenden Saison aus TV-Geldern lukrieren. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie drohen den einzelnen Ligen nun jeweils Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Nur in Weißrussland rollt die Kugel, und dafür fließen auch Gelder.

In England, Spanien und Italien kommt im Durchschnitt rund die Hälfte der Jahreseinnahmen der in der höchsten Liga spielenden Clubs von den übertragenden TV-Stationen. In Deutschland ist es prozentual etwas weniger, aber immer noch so viel, dass es beim einen oder anderen Club um die Existenz gehen könnte, sollten die TV-Gelder nicht im vollen Umfang ausbezahlt werden.

Diese Abhängigkeit vom Fernsehen sorgte in den letzten Wochen für irritierende Entscheidungen. In der italienischen Serie A wurde noch gespielt, als sich das Ausmaß der Krise längst abzeichnete. Und auch anderswo versuchte man noch so lange wie nur möglich, den Ball am Rollen zu halten. In der Premier League rang man sich erst zur Unterbrechung durch, nachdem die ersten Fälle innerhalb der Liga bekanntgeworden waren.

Die Clubs setzen alles daran, so bald wie möglich den Betrieb mit „Geisterspielen“ wieder aufzunehmen. Ein Abbruch der Saison zum jetzigen Zeitpunkt würde für die deutschen Bundesligisten eine Dreiviertelmilliarde weniger Einnahmen bedeuten, errechnete die Deutsche Fußball Liga (DFL).

Angst vor Entschädigungszahlungen

Dass die Ligen kaum mit grenzenloser Solidarität der ebenfalls gebeutelten TV-Sender rechnen können, zeigt sich in Frankreich, wo Canal+ die nächste fällige Auszahlung für Anfang April (110 Mio. Euro) zurückbehalten will. Gemäß „L’Equipe“ sind insgesamt noch 280 Millionen Euro fällig.

In Spanien und Italien dürfte es um einen ähnlichen Betrag gehen. In England müssten die Clubs laut „The Athletic“ 853 Millionen Euro an die übertragenden nationalen TV-Sender zurückzahlen, sollte die Saison nicht wieder aufgenommen werden. Längst prüfen Juristen rechtliche Schritte für den Ernstfall Meisterschaftsabbruch. Laut der US-Nachrichtenagentur Bloomberg könnten die übertragenden Sender in Summe mehr als eine Milliarde US-Dollar an Entschädigungen fordern.

Folgen noch nicht abschätzbar

Die Ligen und Clubs suchen Möglichkeiten, die unsichere Zeit ohne bleibenden Schaden zu überstehen. Mit Kurzarbeit und freiwilligen oder erzwungenen Lohnkürzungen sollen Kosten gespart werden. In Spanien wird über langfristige Darlehen für die Clubs diskutiert.

Momentan lassen sich aber nur Szenarien erarbeiten, über ökonomische Schäden lässt sich wie über die langfristigen Folgen nur spekulieren. Eine erste Antwort könnte es schon im Mai geben. Dann sollen in Deutschland die Rechte für die Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25 vergeben werden. In der Zeit vor der Coronavirus-Pandemie hatte die DFL mit einem signifikanten Anstieg der TV-Einnahmen für jene Periode gerechnet.

Neue TV-Verträge in Weißrussland

Weißrussland und der dortige Fußball tut unterdessen weiter so, als gäbe es kein Coronavirus. Das hat Folgen. Denn während im restlichen Europa der Ball ruht, hat die weißrussische Premier Liga seit ihrer Entscheidung, unverändert vor Zuschauern in den Stadien zu spielen, neue Verträge mit TV-Anstalten aus zehn Ländern, darunter Russland, Israel und Indien, an Land gezogen.

Der frühere Trainer der Nationalmannschaft, Anatoli Baidatschni, sagte lokalen Medien: „Die ganze Welt schaut auf die belarussische Meisterschaft. Das ist die beste Werbung für unsere Liga.“ Alexander Strok, ein Sprecher von Dinamo Minsk – neben BATE Borissow der erfolgreichste Club im Land – berichtete von steigenden Popularitätswerten der Vereine, vor allem in Sozialen Netzwerken. Geht es nach Strok, soll der internationale Fokus den Spielern Verantwortung einbläuen. Er hoffe, so Strok, dass sich die vermehrte Aufmerksamkeit qualitätssteigernd auf die Spiele auswirkt. Am Sonntag gingen die letzten Partien der zweite Meisterschaftsrunde über die Bühne.

Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko spielt die vom Coronavirus ausgehende Gefahr im 9,5 Millionen Einwohner zählenden früheren Sowjetstaat öffentlichkeitswirksam – etwa beim Eishockey – herunter. „Es ist besser, stehend als auf Knien zu sterben“, sagte er unlängst gegenüber einem lokalen TV-Sender. Bisher sind in Belarus 94 Fälle der Lungenkrankheit Covid-19 dokumentiert. Tendenz – wie fast überall – steigend.