Don Larsen wirft den Ball in einem Spiel gegen die Brooklyn Dodgers in 1956
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Baseball

Der perfekte Tag eines Partylöwen

Die Coronavirus-Pandemie hat das Sportgeschehen in den Hintergrund gerückt. So kann auch die Major League Baseball (MLB) erst mit fast vier Monaten Verspätung beginnen. Am Ende soll aber trotzdem so wie fast jedes Jahr die World Series als krönender Abschluss stehen. Apropos World Series: Am 1. Jänner dieses Jahres starb im Alter von 90 Jahren MLB-Legende Don Larsen, ein Partylöwe, der in der 53. Finalserie einen perfekten Tag erwischte.

Die Finalserie zwischen dem Gewinner der National League (NL) und der American League (AL), aus denen sich die Major League Baseball zusammensetzt, ist ein Dauerbrenner im Sport. Selbst beide Weltkriege konnten der Baseball-Meisterschaft mehr oder weniger nichts anhaben. Nur 1904 und 1994 gab es keine World Series.

Nach der erste Ausgabe 1903 weigerte sich ein Jahr später der Besitzer der New York Giants, sein Team gegen den AL-Vertreter und Titelverteidiger Boston Americans (heute Red Sox) aufs Feld zu schicken. Die deutlich jüngere, als Konkurrenz zur National League gegründete American League galt den alteingesessenen Teambesitzern wie John T. Brush von den Giants als nicht ebenbürtig – auch wenn Boston die erste World Series gewonnen hatte. 90 Jahre später verhinderte ein Spielerstreik die Finalserie.

Larsens Sternstunde

New York stand auch bei der World Series 1956 im Fokus. Denn mit den Yankees und den Brooklyn Dodgers standen sich zum zweiten Mal in Folge die beiden Traditionsmarken aus dem „Big Apple“ im Kampf um den MLB-Titel gegenüber. Die Yankees gewannen die Serie nach sieben Spielen mit 4:3 und durften sich über ihren 17. von bis dato 27 Meistertiteln freuen. Doch nicht nur der spannende Verlauf – immerhin gab Brooklyn eine 2:0-Führung in der Serie aus der Hand – bescherte der 53. World Series einen Eintrag in die Geschichtsbücher.

New York Yankees’ Spieler Yogi Berra und Don Larsen umarmen sich
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Catcher Yogi Berra (Nr. 8) war nach nur zwei Stunden perfekter Pitching-Performance von Larsen dessen erster Gratulant

Denn am 8. Oktober sorgte Yankees-Pitcher Larsen im fünften Spiel im originalen Yankee Stadium für eine davor und danach nie mehr da gewesene Sternstunde. Dem damals 27-Jährigen gelang beim 2:0-Sieg ein „perfect game“ – das perfekte Spiel. Larsen ließ mit seinen Teamkollegen in neun Innings keinen Run, keinen Basehit und keinen Walk zu. Dazu schaffte es auch keiner der gegnerischen Schlagmänner aufgrund eines Fehlers (Errors) der Yankees-Feldspieler zur ersten Base. Larsen ist noch immer der einzige Spieler, dem in einer Finalserie bzw. der gesamten K.-o.-Runde ein „perfect game“ gelang.

Um die Leistung Larsens richtig einzuordnen: Seit 1876 (National League) wird in den USA professionell Baseball gespielt. In knapp 219.000 MLB-Spielen bisher gelang das Kunststück eines perfekten Spiels nur 23-mal. Der erste Pitcher, von dem ein „perfect game“ aufgezeichnet wurde, war Lee Richmond am 12. Juni 1880, der für die Worcester Worcesters den Gegner kaltstellte. Der aktuell letzte perfekte Pitcher war Felix Hernandez für die Seattle Mariners am 15. August 2012.

„Es passieren manchmal komische Dinge“

Während Hernandez zur damaligen Zeit einer der Topwerfer der Liga war und 2010 auch den Cy Young Award für den besten Pitcher der Saison abstaubte, fiel Larsen höchstens in die Kategorie Durchschnitt. Der in Michigan geborene und in San Diego in Kalifornien aufgewachsene Rechtshänder spielte in 15 Saisonen für insgesamt sieben Teams. Mit 81 Siegen bei 91 Niederlagen ist seine Bilanz klar negativ. Dazu erwarb sich der 1,93 Meter große Larsen schnell den Ruf eines Partylöwen. „Mit meiner Karrierebilanz bin ich nicht zufrieden. Die Partys haben sicher eine Rolle gespielt“, sagte der Pitcher einst, „aber ich habe immer Gesellschaft gebraucht.“

Hall of Fame New York Yankees im Yankee Stadium in New York
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Im clubeigenen Museum des neuen Yankee Stadiums wurde Larsens letzter Wurf zu Berra als lebensgroße Skulptur verewigt

Im fünften Spiel der World Series 1956 war Larsen aber für einen Tag der Allergrößte. Nur 97 Pitches benötigte der damals 27-Jährige, um das mit Legenden wie Jackie Robinson, dem ersten afroamerikanischen Profi, und Roy Campanella gespickte Dodgers-Team in Schach zu halten. Nur Pee Wee Rees stand nach drei Balls (Pitches von Larsen außerhalb der Strikezone, Anm.) kurz vor einem Walk zur ersten Base. Doch der Yankees-Pitcher behielt auch in dieser Situation die Nerven.

„Es passieren manchmal komische Dinge“, sagte Larsen später einmal in einem Interview mit „Sports Illustrated“. An diesem Tag habe er den Ball so wie davor und danach nie unter Kontrolle gehabt, so der Rechtshänder. Detail am Rande: Im zweiten Spiel der Serie war er noch nach nicht einmal zwei Innings ausgetauscht worden. Sinnbildlich war auch der Abschluss seines perfekten Arbeitstages. Larsen vollendete den 2:0-Sieg mit einem Strikeout gegen Dale Mitchell. Der 1987 verstorbene zweifache Allstar wurde in 29 Postseason-Spielen nur einmal als Schlagmann ausgeworfen, an eben jenem 8. Oktober vor fast 64 Jahren.

Spezielles Finale in vielerlei Hinsicht

Die World Series 1956 war nicht nur aufgrund von Larsens Sternstunde eine in vielerlei Hinsicht spezielle Serie. Erstens war es die letzte Finalbeteiligung der Brooklyn Dodgers vor ihrem Umzug 1958 nach Los Angeles. Der sportliche Stolz der 1898 in New York eingemeindeten Stadt hatte erst 1955 im elften Anlauf den ersten und einzigen Meistertitel nach Brooklyn geholt.

Derek Jeter #2 der New York Yankees redet mit ehemaligem Yankee Don Larsen in 2012
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Larsen (l.), der Held von 1956, hier im hohen Alter im Gespräch mit dem späteren Yankees-Superstar Derek Jeter

Zweitens war es auch das bis dato vorletzte rein New Yorker Finale. Erst 44 Jahre später absolvierten Yankees und Mets in der Saison 2000 wieder eine „Subway Series“. Im bisher letzten New Yorker Schlagabtausch vollendeten die Yankees mit 4:1 ihren Titelhattrick. Die World Series 1956 war auch die letzte, in der es zwischen den Spielen keine geplanten Ruhetage gab. Nur weil die zweite Partie aufgrund von Regen um einen Tag verschoben werden musste, hatten die Spieler einen Tag Pause.

Mit Statue verewigt

Auf ewig verbunden bleibt die Serie aber mit Larsens Coup. Der heuer im Alter von 90 Jahren verstorbene Pitcher, der seine Karriere im Sommer 1968 beendet hatte, wurde für seine Leistung auch zum „Most valuable player“ (Dt.: wertvollsten Spieler) des Finales gekürt. Als Erinnerung an seinen perfekten Tag legte sich Larsen die Nummerntafel „DL000“, bestehend aus seinen Initialen und dem Score 0 Runs, 0 Hits und 0 Errors, zu.

Im Vereinsmuseum der Yankees können Fans noch heute einen Nachbau von Larsens letztem Wurf an jenem Tag zu Catcher Yogi Berra und die Flugkurve des Balles bewundern. „Neben meiner Aufnahme in die Hall of Fame 1972 war das sicher der aufregendste Tag meiner Karriere“, sagte Berra, selbst eine Legende des Baseball-Sports. Larsen sah das Spiel als Zeichen dafür, dass man nie aufgeben darf: „Wenn man hart genug arbeitet, passiert einem etwas Gutes. Denn jeder hat das Recht auf ein paar gute Tage.“ Sein bester war der 8. August 1956.