Rote Ampel beim Grand Prix von Australien
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Formel 1

Angst vor „Totalschaden“ nimmt zu

Der für 14. Juni angesetzte Grand Prix von Kanada war bereits das neunte Rennen der diesjährigen Saison, das aufgrund der Coronavirus-Pandemie verschoben oder abgesagt werden musste. Der Saisonstart ist weiter völlig offen. Aufgrund der Ungewissheit wächst die Angst vor einem „Totalschaden“ für die Formel 1.

Sparmaßnahmen und ein Notkalender sollen die Serie retten. Bisher wurden die Rennen in Bahrain, Vietnam, China, den Niederlanden, Spanien, Aserbaidschan und zuletzt Kanada verschoben. Die Grands Prix von Australien und Monte Carlo wurden für heuer überhaupt gestrichen. Damit steht derzeit vor dem Grand Prix von Österreich am 5. Juli in Spielberg nur noch jener am 24. Juni in Le Castellet in Frankreich im ursprünglichen Kalender.

Formel-1-Chef Chase Carey hofft noch, 15 bis 18 der eigentlich geplanten 22 WM-Läufe retten zu können. Der Kalender muss dafür stark umgebaut werden. Geprüft werden „Geisterrennen“ ohne Zuschauer, um zumindest die an den Rennbetrieb geknüpften Millionen von Fernsehen und Sponsoren einzufahren. Auch über verkürzte Auftritte und mehrere Grands Prix auf einer Strecke wird diskutiert. Doch das Datum für den Neubeginn ist völlig unklar. Mercedes-Teamchef Toto Wolff sprach zuletzt sogar von einem Start erst „im Herbst“.

Formel 1 Grand Prix in Kanada
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Die bekannte Haarnadelkurve in Montreal kann nicht wie geplant am 14. Juni befahren werden

Wie groß ist der wirtschaftliche Schaden?

Eigentümer Liberty Media meldete für das Vorjahr einen Umsatz von 2,02 Milliarden Dollar mit dem Vollgas-Zirkus. Doch ohne Rennen stehen die Zuwendungen der TV-Rechteinhaber und anderer Geldgeber auf dem Spiel. Auch die hohen Antrittsgebühren, die von den Streckenbetreibern gezahlt werden müssen, fließen nicht. Stillstand ist auch der Vermarktung des globalen Geschäftsmodells Formel 1 abträglich.

Wie bedrohlich wird es für die Rennserie?

McLaren-Geschäftsführer Zak Brown warnte, die Formel 1 sei derzeit in einem „sehr zerbrechlichen Zustand“. Wenn das Krisenmanagement jetzt versage, könnten „vier Teams verschwinden“, sagte der 48-Jährige der BBC. Vor allem die kleineren Privatrennställe wie Williams müssen wohl um ihr Überleben fürchten.

Aber auch die Konzernteams an der Spitze stehen mehr denn je unter Kostendruck. Auf der Spielwiese Formel 1 könnten auch Unternehmen wie Daimler wegen der Folgen der Pandemie den Rotstift ansetzen. Auch die Betreibergesellschaft der Formel 1 ist in Not. Sie muss die Preisgelder für 2019 auszahlen, hat derzeit aber spürbar geringere Einnahmen.

Welche Maßnahmen sollen helfen?

Neben dem Zwangsurlaub und einem Gehaltsverzicht bei einer Reihe von Piloten und Topmanagern sind bereits weitere Einschnitte beschlossen. Das neue Regelwerk, das mit etwas langsameren und vereinfachten Autos für mehr Wettbewerb sorgen sollte, ist um ein Jahr auf 2022 verschoben. Das soll vorerst Kosten für die Entwicklung sparen.

Formel-1-Wagen von McLaren
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McLaren ist eines jener Teams, das seine Mitarbeiter in Zwangsurlaub schickte

Zudem soll die für das nächste Jahr vereinbarte Ausgabengrenze noch tiefer als eigentlich geplant angesetzt worden. Statt 175 Millionen US-Dollar (161 Mio. Euro) könnte sie in mehreren Stufen auf 120 Millionen Dollar (110 Mio. Euro) sinken, berichtete das Fachmagazin „Auto, Motor und Sport“. Die nächste Krisenrunde der Formel-1-Spitze ist für Karfreitag geplant.

Wie ist die Lage bei den Teams?

Die zwangsweisen Werksferien sind auf fünf Wochen verlängert und müssen von jedem Team bis Ende Mai eingehalten werden. In dieser Zeit darf in den Rennfabriken nicht an den Autos gearbeitet werden. Die drei englischen Teams McLaren, Williams und Racing Point haben viele Angestellte in Zwangsurlaub auf Staatskosten geschickt, Haas wird wohl folgen. Zugleich helfen die sieben in England beheimateten Rennställe bei der Herstellung und Lieferung von Beatmungsgeräten. Ein von Mercedes-Ingenieuren mitentwickeltes Design für eine Atemhilfe stellt das Weltmeisterteam Herstellern kostenlos zur Verfügung.

Was machen die Fahrer jetzt?

Titelverteidiger Lewis Hamilton ließ wissen, er nutze die ungewollte Freizeit, um „körperlich und emotional“ an sich zu arbeiten. Sein Dauerrivale Sebastian Vettel grüßte in einem Ferrari-Video von der heimischen Couch, Red-Bull-Jungstar Max Verstappen hält sich im Homeoffice fit. Er trainiere viel am eigenen Simulator, sagte der Niederländer. Zum Zeitvertreib gehört bei Verstappen wie bei vielen seiner Kollegen virtuelles Rennfahren. Vettels Ferrari-Kollege Charles Leclerc gewann jüngst den Online-Grand-Prix von Australien.