Fußball auf Geldscheinen
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Fußball

Milliardengeschäft ohne Sicherheitsnetz

Innerhalb weniger Wochen hat die Coronavirus-Krise die gesamte Sportwelt auf den Kopf gestellt. Viele Athleten wissen nicht, wie es für sie weitergeht. Überraschend ins Taumeln gerieten auch viele Fußballclubs, die vor Kurzem noch von einem Umsatzrekord zum nächsten jagten. Offensichtlich wird nun, dass das Geschäft mit dem Fußball auf fragilen Beinen stand und viele Vereine auf ein Sicherheitsnetz verzichtet haben.

Während in Österreich laut Austria-Vorstand Markus Kraetschmer gleich mehrere Clubs wegen der Aussetzung des Spielbetriebs und der dadurch entfallenden Einnahmen vor einer „existenzbedrohenden Situation“ stehen, droht in Deutschland laut einem Bericht im Fachmagazin „Kicker“ 13 von 36 Clubs der ersten und zweiten Liga, darunter vier Bundesligisten, bis Ende Juni die Insolvenz, falls die mittlerweile unterbrochene Saison bis dahin nicht fortgesetzt wird.

Und das, obwohl die Deutsche Fußball Liga (DFL) vor zwei Monaten in ihrem „Wirtschaftsreport 2020“ zum 15. Mal hintereinander einen Umsatzrekord verkündet hatte. Zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Bundesliga erwirtschafteten die 18 Clubs in der Saison 2018/19 einen Gesamterlös von mehr als vier Milliarden Euro (4,02). „Es zahlt sich aus, dass die Clubs den Spagat zwischen sportlicher Ambition und gesundem Wirtschaften beherrschen“, stand in diesem am 18. Februar veröffentlichten Bericht.

Clubs müssen umdenken lernen

Doch spätestens die Coronavirus-Krise hat dieses Kartenhaus einstürzen lassen. Denn selbst wenn man die millionenschweren Einnahmeausfälle sowie das Ausmaß einer Pandemie berücksichtigt und selbst wenn die Clubs ihre wirtschaftlichen Sorgen möglicherweise ein wenig dramatisieren: Ein Umdenken der Vereine als Reaktion auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie scheint unausweichlich. Immerhin zeigt sich nun, dass die Clubs einen Großteil ihrer Einnahmen sofort wieder ausgeben, ohne in längeren Zeiträumen zu denken und sich gegen Risiken abzusichern.

Ein Hinweis auf dieses Finanzgebaren findet sich bereits im DFL-Wirtschaftsreport selbst. Denn danach zahlten die 18 deutschen Bundesligisten in der Saison 2018/19 mehr als 1,4 Milliarden Euro für die Gehälter ihrer Trainer und Spieler. Die Personalkosten sind der größte Ausgabenfaktor der Clubs. Dass der Faktor Vorsorge mitunter so vernachlässigt wurde, hat auch etwas damit zu tun, dass die Erlöse in dieser Branche über Jahre stiegen und stiegen. Grob gesagt konnte sich jeder Club bisher darauf verlassen, dass er morgen mehr Geld einnimmt als heute.

Clubs warten auf ausständige TV-Gelder

Wichtiger als ein schnelles Comeback auf dem Rasen dürfte zurzeit vor allem für die finanziell angeschlagenen deutschen Vereine die zeitnahe Auszahlung der millionenschweren TV-Rate sein. Nach einem Bericht des „kicker“ ist die für 10. April erwartete Summe von 304 Millionen Euro noch nicht eingegangen, als neuer Zahltag für Pay-TV-Sender Sky und Co. ist nun der 2. Mai im Gespräch. Für manche deutsche Bundesliga-Clubs dürfte diese Rate existenziell sein, um nicht schon im Mai oder Juni vor der Insolvenz zu stehen. So appellierte etwa Schalke an seine Dauerkartenbesitzer, von Rückforderungen für die verbleibenden Heimspiele abzusehen.

Dazu kommt im Spitzenfußball auch das Risiko, gesetzte Saisonziele zu verpassen. Ob man etwa die Champions League erreicht oder verfehlt, ob man in der Bundesliga bleibt oder absteigt: Das macht finanziell mittlerweile so große Unterschiede aus, dass der Sportökonom Christoph Breuer in der „Welt“ (Mittwoch-Ausgabe) von einem „Rattenrennen“ sprach, das den Hang zu kurzfristigem Denken befeuert. „Die Anzahl der Clubs, die investieren, um ein sportliches Ziel mit der Aussicht auf lukrative Einnahmen zu erreichen, ist wesentlich größer als die Zahl der Clubs, die dieses Ziel realistisch erreichen können“, sagte er.

Liga für „Geisterspiele“ bereit

Eine Entscheidung über den weiteren Fahrplan soll in einer Woche fallen. Die 36 DFL-Mitglieder tagen nun am 23. April statt wie geplant an diesem Freitag. Man sei für das Szenario mit „Geisterspielen“ bereit, sagte DFL-Boss Christian Seifert jüngst der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Wir haben es nicht in der Hand“, fügte er an. Seit Mittwoch herrscht auch Klarheit, dass es bis mindestens Ende August keine Großevents gibt, also definitiv keine Fußballspiele mit Publikum. Das beträfe nach aktuellem Spielplan auch den Bundesliga-Saisonstart 2020/21, sofern die Pandemie und das Nachholen anderer Wettbewerbe nicht diesen Zeitplan auch noch kräftig durcheinanderwirbeln.

Bleibt die Frage, welche Konsequenzen die Clubs mittel- und langfristig aus dem Schrecken der Coronavirus-Krise ziehen. Dass es ein Umdenken gibt, steht jedenfalls außer Frage. So schrieb Christian Seifert als Sprecher des DFL-Präsidiums im „Wirtschaftsreport 2020“ noch von „verantwortungsbewusstem und professionellem Wirtschaften“. Nun hofft er, dass man aus der Krise gelernt habe, dass wirtschaftliche Stabilität – mit Rücklagen und einem funktionierenden Geschäftsmodell – doch wichtiger sei als bisher angenommen.