Der pakistanische Kricket-Spieler Mohammad Rizwan
AP/David Rowland
Kricket

Der Siegeszug des Twenty20

Kricket ist eine Sportart mit langer Tradition, die im späten 16. Jahrhundert im Südosten Englands ihren Ursprung hat und im 18. Jahrhundert zum Nationalsport des Landes wurde. Als das England and Wales Cricket Board (ECB) 2003 die Spielform Twenty20 einführte, erlebte Kricket einen globalen Siegeszug, den es zuvor in dieser Form nicht gegeben hatte. Dieser ließ manche Kritiker um die Zukunft der traditionelleren Spielarten bangen.

Die Grundregeln bei Twenty20 sind die gleichen wie bei den längeren Versionen. Aber jedes Team spielt nur ein Innings, das jeweils auf 20 Overs (Serie von sechs nacheinander absolvierten Würfen durch denselben Bowler) pro Seite begrenzt ist – mit maximal vier Overs für jeden Bowler (Werfer) und Einschränkungen bei der Platzierung der Feldspieler. Dadurch kann der gegnerische Batsman (Schlagmann) leichter hohe Punkte erzielen. Ein Innings bei Twenty20 dauert rund 90 Minuten, zwischen den Innings gibt es zehn Minuten Pause.

Damit ist ein Twenty20-Match nach rund drei Stunden beendet, was die Attraktivität für TV-Übertragungen enorm steigerte. Auch das Publikum im Stadion nahm das neue Format sofort an. Beim ersten offiziellen Spiel zwischen Middlesex und Surrey am 15. Juli 2004 in London kamen 27.509 Zuschauer in den Lord’s Cricket Ground – der wichtigsten und traditionsreichsten Adresse im Kricket. Eine derartige Besuchermasse bei einem nationalen Match hatte es dort zuletzt 1953 gegeben.

Twenty20 bringt Kricket ins 21. Jahrhundert

Auch in Indien wurde Twenty20 rasch die populärste und lukrativste Spielart im Kricket. Die 2008 gegründete Indian Premier League (IPL) gilt mittlerweile als die reichste nationale Liga weltweit, ihre Spiele locken regelmäßig ein Millionenpublikum vor die Fernsehbildschirme. Mit seinen Cheerleadern, lauter Musik und schneller Unterhaltung wird Twenty20 die Wiederbelebung des Krickets im 21. Jahrhundert zugeschrieben, das zuvor mit ausbleibenden Zuschauern und weniger Sponsoren zu kämpfen hatte.

Delhi Daredevils Spieler Corey Anderson bei einem Spiel gegen die Rising Pune Supergiants.
AP/Altaf Qadri
In Indien erlebt Twenty20 den weltweit größten Boom

Die Spieler hatten dem Format gegenüber zunächst Vorbehalte, konnten sich aber rasch auf die neuen Anforderungen an sie einstellen. Unabhängig von der Rolle des Einzelnen im Team wurde die Messlatte in Bezug auf das Fitnessniveau höher gelegt. Athletik und Kraft sowie Schnelligkeit und Reaktionszeit sind bei Twenty20 mehr gefragt als bei anderen Formen von Kricket.

Neues Format soll olympisch werden

Im Juni 2009 drängte der ehemalige australische Wicketkeeper Adam Gilchrist darauf, dass Twenty20 zu einer olympischen Sportart wird. Es sei schwierig, „eine bessere, schnellere oder billigere Möglichkeit zu finden, das Spiel auf der ganzen Welt zu verbreiten“, sagte Gilchrist. Bei den Sommerspielen 2028 in Los Angeles könnte das bereits der Fall sein, wie das Magazin „Forbes“ im August 2019 berichtete.

Doch nicht jeder war mit dem neuen Format glücklich. Der frühere australische Kapitän Ricky Ponting kritisierte Twenty20 etwa als schädlich für Test Cricket, das als die reinste und komplizierteste Form des Krickets angesehen wird. Sein Landsmann Greg Chappell befürchtete, dass junge Spieler durch Twenty20 ihre Fertigkeiten beim Schlagen nicht voll entfalten würden. Der ehemalige englische Teamspieler Alex Tudor befürchtete das auch für die Wurffähigkeiten der Spieler.

Drei unterschiedliche Spielweisen im Kricket

Kricket wird generell in nationales und internationales Kricket geteilt, bei denen heute drei unterschiedliche Spielweisen dominieren. Auf internationaler Ebene sind das Test Cricket (bis zu fünf Tage Dauer), One-Day International (ein Tag) und Twenty20 (ca. drei Stunden). Auf nationaler Ebene gibt es Ligen und Turniere in den drei Spielarten First-Class Cricket (drei bis vier Tage), List-A Cricket (ein Tag) und Twenty20 (ca. drei Stunden).

86 verschiedene Nationen spielten mittlerweile Ländermatches im Twenty20. Das Männer-Team des 1981 vom Australier Kerry Tattersall gegründeten Österreichischen Cricketverbands (ÖCV) gab sein Debüt in diesem Format am 29. August 2019, die ÖCV-Frauen bestritten ihr erstes Match bereits ein Monat früher am 31. Juli 2019.

Twenty20-Weltrangliste seit 2011

Weltmeisterschaften werden im One-Day International und im Twenty20 gespielt. Das International Cricket Council (ICC) führt aber bei allen drei Spielformen Weltranglisten für Männer und bei zwei Spielweisen Rankings für Frauen. Österreich scheint nur in der Twenty20-Rangliste, die es seit November 2011 gibt, auf. Die ÖCV-Männer liegen aktuell auf dem 38. Platz, die ÖCV-Frauen auf Rang 50.

Die erste Twenty20-WM fand 2007 in Südafrika statt, Turniersieger war Indien, das Pakistan im Finale mit fünf Runs besiegte. Die sechste und bislang letzte Weltmeisterschaft in Indien gewannen die West Indies (Westindische Inseln), sie sind mit zwei Titeln auch Rekordweltmeister im Twenty20 (2012 und 2016). Das Gebiet der West Indies umfasst den überwiegenden Teil der englischsprachigen Karibik. Die weiteren Titelträger sind Pakistan (2009), England (2010) und Sri Lanka (2014).

Test Cricket wird seit 1877 gespielt

Die traditionellste und angesehenste Austragungsform ist Test Cricket, das erstmals 1877 zwischen England und Australien ausgetragen wurde. An diesen Länderspielen, die meist in eine Serie von zwei bis sechs Tests eingebettet sind, dürfen nur Nationen teilnehmen, die vom International Cricket Council (ICC) zugelassen sind. Voraussetzung dafür ist, dass Kricket in dem jeweiligen Land fest als Sportart etabliert ist und dort professionell auf hohem Niveau gespielt wird. Derzeit haben bei den Männern zwölf Nationen Teststatus, bei den Frauen sind es zehn Länder.

Kricketnationalteams mit Teststatus

Männer

Nation Erster offizieller Test
Australien 15. März 1877
England 15. März 1877
Südafrika * 12. März 1889
West Indies 23. Juni 1928
Neuseeland 10. Januar 1930
Indien 25. Juni 1932
Pakistan 16. Oktober 1952
Sri Lanka 17. Februar 1982
Simbabwe * 18. Oktober 1992
Bangladesch 10. November 2000
Irland 11. Mai 2018
Afghanistan 14. Juni 2018
* Staaten, die ihren Teststatus nicht durchgehend hatten

Frauen

Nation Erster offizieller Test
Australien 1934
England 1934
Neuseeland 1935
Südafrika 1960
Indien 1976
West Indies 1976
Pakistan 1998
Sri Lanka 1998
Irland 2000
Niederlande 2007

Die Entstehung der Ashes-Legende

Das Duell zwischen England und Australien, auch „The Ashes“ genannt, ist nicht nur der traditionsreichste Länderkampf im Kricket, er wird auch gemeinhin als wichtigster angesehen. Die Ashes-Legende geht auf das neunte Aufeinandertreffen im August 1882 im Londoner Oval Cricket Ground zurück. Es war die erste Heimniederlage Englands in einem schon gewonnen geglaubten Spiel und eines der am engsten umkämpften Test-Cricket-Matches aller Zeiten. Die „Sporting Times“ brachte danach einen „Nachruf“, in dem stand, dass das englische Kricket gestorben war, „die Leiche eingeäschert und die Asche nach Australien gebracht wird“.

Der Begriff „Asche“ wurde vom englischen Kapitän Ivo Bligh umgehend aufgenommen. Vor der im Winter 1882 beginnenden zehnten Test-Cricket-Serie der beiden Teams schwor Bligh, „diese Asche wiederzugewinnen“. Die englischen Medien nannten die Serie daher die Suche nach der Wiedererlangung der Asche. Von den bislang 71 Ashes-Austragungen gewann Australien 33-mal, England 32-mal, sechsmal endete die Serie mit einem Remis. Bei den Einzel-Matches (335 Spiele) führt Australien mit 136:108 Siegen, bei 90 Unentschieden.

Auch One-Day Cricket zunächst abgelehnt

Vor allem aufgrund der Bedürfnisse des Fernsehens wurde in den 1960er Jahren ein kürzeres und dramatischeres Format eingeführt, das One-Day Cricket (Ein-Tages-Kricket). Wie im 21. Jahrhundert das Twenty20, erfreute sich diese neue Art des Krickets damals schnell wachsender Popularität – und auch das Ein-Tages-Kricket war von Traditionalisten zunächst weitgehend abgelehnt worden.

Wie beim Test Cricket werden seit den 1970er Jahren Länderkämpfe – One-Day Internationals (ODI) – meist als Teil einer Serie (Tour) ausgetragen (drei bis sieben Spiele) oder finden in Form eines Dreinationenturniers statt. Alle vier Jahre wird im One-Day-Modus eine Weltmeisterschaft ausgetragen. Daran dürfen nur Nationen teilnehmen, die vom ICC einen ODI-Status bekommen haben.