In jeder Sportart gibt es sie, jene Diskussionen über jeweils den besten Athleten oder die beste Athletin aller Zeiten. Natürlich auch im Herren-Basketball, doch am Ende ist es hier immer wieder ein Name, der alle anderen verdienten Kandidaten aussticht: Denn Michael Jordan hat dieser Liga nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich den Stempel aufgedrückt und auch die lange erfolglosen Chicago Bulls zu einer Weltmarke etabliert. In den vergangenen Wochen wurde dies einmal mehr durch die von US-TV-Sender ESPN und Streamingportal Netflix koproduzierte Dokumentation „The Last Dance“ belegt.
Der detaillierte und mitunter intime Blick auf die nicht unumstrittene Ausnahmekarriere von „His Airness“ sorgte in Zeiten ohne Sportevents für viel Gesprächsstoff. Einig ist man sich in sportlicher Hinsicht: Denn Jordans sechs Titel mit den Bulls gelten als eine der herausragendsten Dynastien im Sport überhaupt. Der heute 57-Jährige zog als Shooting Guard mit seinem Stil die Massen in seinen Bann und kreierte so auch die Marke „Air Jordan“, die seinem Ausrüster „Nike“ zu Weltruhm verhalf. Nicht nur Millionen Fans verneigten sich vor dem Spieler, selbst Athleten, die sich als Legenden bezeichnen dürfen: Bostons Ikone Larry Bird bezeichnete ihn einst als „Gott, verkleidet als Michael Jordan“.
Jordan wurde am 17. Februar 1963 in Brooklyn, New York, geboren, wuchs allerdings im weitaus beschaulicheren Wilmington in North Carolina auf. Als 16-Jähriger durfte er zunächst nicht im High-School-Team mitspielen, denn seine 1,80 Meter waren dem Coach zu wenig.
Jordan, der 198 Zentimeter groß werden sollte, wandelte diese Enttäuschung in Ansporn um, und entwickelte sein Siegergen bereits an der University of North Carolina in Chapel Hill. Bereits im ersten Jahr gewann Jordan mit dem Basketball-Team „Tar Heels“ die National Championship. Im Superdome zu New Orleans, wo die Saints ihre Heimspiele in der National Football League (NFL) austragen, warf Jordan im Duell mit Georgetown und dem späteren Star der New York Knicks, Patrick Ewing, die entscheidenden Punkte zum 63:62-Sieg.
Nur Nummer drei im Draft
Nach drei Jahren meldete sich Jordan für den NBA-Draft an und wurde für viele heute überraschend nicht an Nummer eins gewählt. Auch weil die Houston Rockets und die Portland Trail Blazers, die beiden Teams waren im Draft zuerst dran, jeweils einen Center suchten. Im Gegensatz zu heute kam dieser Position damals noch eine gewichtigere Rolle in der NBA zu. Auch deswegen schafften es Hakeem Olajuwon bzw. Sam Bowie, vor Jordan dranzukommen – Letzterer sollte diese Bevorzugung nicht rechtfertigen. Die Rockets sicherten sich mit Olajuwon immerhin zweimal den NBA-Titel, am meisten profitierte aber eben Chicago.
Das Team aus der nach New York und Los Angeles drittgrößten US-Stadt wählte Jordan an dritter Stelle und traf die beste Entscheidung seiner Clubgeschichte. Bis dahin standen die Bulls in Chicago klar im Schatten der Baseball-Teams Cubs und White Sox sowie jenes der NFL, der Bears. Die Bulls hatten es bis zur Ära Jordan kein einziges Mal ins Finale geschafft, zwei Halbfinal-Teilnahmen waren das Höchste der Gefühle für den Club, der 1966 aus der Taufe gehoben worden war.
Doch auch mit Jordan brauchte es einige Jahre, bis sich jene Dynastie entwickeln sollte, von der heute noch die Sportwelt schwärmt. Jordan, auf den sich zunächst alles konzentrierte, erzielte bereits in seiner ersten Saison die meisten Punkte (2.313) und wurde mit einem Schnitt von 28,2 pro Partie drittbester Korbjäger sowie „Rookie of the Year“. Seine Sprungkraft sowie Athletik begeisterten Experten und Massen gleichermaßen. „Air Jordan“ bzw. „His Airness“ wurden zu geflügelten Begriffen, und obwohl sich in den ersten Jahren noch nicht der ganz große Erfolg einstellen sollte, war die damalige Heimarena Chicago Stadium zum Bersten voll – dank der spektakulären Spielweise Jordans.
Erstes Karriereende zwischen doppeltem „Threepeat“
Mit der Verpflichtung von Scottie Pippen, dem zumeist treuen Kompagnon im Schatten Jordans, im Jahr 1987 sowie der Beförderung von Phil Jackson zum Head-Coach 1989 holten die Bulls angeführt von ihrem Superstar in den Jahren 1991, 1992 und 1993 die ersten Titel. Als erster Spieler wurde Jordan dreimal hintereinander zum wertvollsten Spieler der Finalserie gewählt. Überhaupt sollte er bei allen sechs Titeln diese Auszeichnung erhalten sowie in seiner gesamten Karriere fünfmal als wertvollster Spieler (MVP) der Saison ausgezeichnet werden. Quasi im Vorbeigehen holte er mit dem legendären US-„Dream Team“ Gold bei den Olympischen Spielen in Barcelona 1992 und wiederholte damit seinen Olympiasieg von 1984 in Los Angeles.
Teil eins seiner Spielerkarriere endete am 6. Oktober 1993, als er überraschend seinen Rücktritt bekanntgab. Gerüchte ranken sich bis heute darum, ob dieser nicht auch mit Jordans Hang zum Glücksspiel, der ihm auch einiges Geld kostete, zu tun hatte. Jordan sollte später zumindest von „leichtsinnigen Entscheidungen“ sprechen. In jedem Fall bewog ihn die Ermordung seines Vaters James drei Monate zuvor dazu, den Basketball gegen einen Baseballschläger einzutauschen. Die Karriere bei den Birmingham Barons, einem Minor-League-Team der Chicago White Sox, war aber nicht von Erfolg gekrönt.
Ein Lock-out der Major League Baseball (MLB) 1994/95 half mit, dass Jordan wieder auf das richtige Pferd setzte. Mit den knappen Worten „I’m back“ („Ich bin zurück“) meldete sich der Superstar bei den Bulls zurück, und nach Beendigung der laufenden Saison ging es mit dem zweiten „Threepeat“ (1996, 1997, 1998, Anm.) weiter – auch dank „Enfant terrible“ und Rebound-Spezialist Dennis Rodman, der zuvor beim von Jordan verhassten Rivalen Detroit Pistons tätig war. Jordan, der seine Mitspieler immer wieder auch mit provokanten Mitteln zu Höchstleistungen anspornte, führte den zweiten „Threepeat“ der Bulls an, bis heute gelang keinem anderen Team diese Serie zweimal.
Unvergessen bleibt Jordans letzter Wurf für die Bulls am 14. Juni 1998, der im Finale gegen Utah Jazz den sechsten und bisher letzten Titel Chicagos bedeutete. Es war bis heute das meistgesehene NBA-Spiel in der TV-Geschichte. Jordan hatte die NBA in dieser Zeit, gemeinsam mit anderen Stars wie Earvin „Magic“ Johnson, salonfähig gemacht. Das schwappte vor allem auch nach Europa, wo etwa Fußballstar David Beckham wegen Jordan mit der Nummer 23 für Real Madrid spielte.
Milliardengeschäfte dank Jordan
Jordan trat Anfang 1999 zum zweiten Mal zurück und kehrte 2001 wieder auf das Parkett retour. Doch bei den Washington Wizards vermochte Jordan zum Ende seiner Karriere nicht mehr zu alter Leistungsstärke zurückzugelangen, wenngleich er als erster Spieler mit über 40 Jahren 40 Punkte in einem Spiel erzielte. Am 16. April 2003 verabschiedete sich Jordan dann endgültig, als Funktionär wurde er später gefeuert. Bei den Charlotte Hornets in seiner Heimat North Carolina ist Jordan bis zum heutigen Tag Mehrheitseigentümer.
Mit im Schnitt 30,1 Punkten pro Spiel ist Jordan der erfolgreichste Spieler, auch deswegen gilt der 14-fache All-Star als bester Basketballer aller Zeiten. Sein Ausrüster „Nike“ kassierte rund 2,3 Milliarden US-Dollar allein mit Merchandise-Produkten, die Bulls stiegen im Wert dank Jordan ums Zehnfache. Noch heute pilgern Touristen zum United Center, um Fotos von der Statue „The Spirit“ zu schießen. Erst kürzlich brachten gebrauchte Schuhe des Superstars bei einer Auktion 517.000 Euro ein. Jordan hat die NBA neu definiert – der fünffache Meister „Magic“ Johnson hielt über die Karriere seines früheren Rivalen fest: „Es gibt Michael Jordan, und dann ist da der Rest von uns.“