Jesse Owens in Ann Arbor 1935
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Leichtathletik

Vor 85 Jahren ging Owens’ Stern auf

Am Montag ist es genau 85 Jahre her, dass James Cleveland „Jesse“ Owens als 21-Jähriger in Ann Arbor westlich von Detroit innerhalb von 45 Minuten fünf Leichtathletikweltrekorde auf- und einen weiteren eingestellt hat.

Im Jahr darauf errang der US-Amerikaner bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin vier Goldmedaillen in fünf Tagen – über 100 und 200 m, im Weitsprung und mit der US-Sprintstaffel über 4 x 100 m. Owens, der 1980 verstarb, ist damit einer der größten Leichtathleten aller Zeiten.

Der Großteil der Weltrekorde von 1935 gelang ihm freilich auf Strecken, die im heutigen Sport keine Rolle mehr spielen. So die 100 Yards (Rekord eingestellt), die 220 Yards und 220 Yards Hürden. Letztere wurden aber auch als Weltrekorde über 200 m und 200 m Hürden gewertet. Herausragend war der Weitsprung des nach einer Rangelei von Rückenschmerzen geplagten Studenten der Ohio State Universität: Mit 8,13 m kam er auf eine Weite, die ein Vierteljahrhundert bis 1960 hielt, ehe sein Landsmann Ralph Boston 8,21 m sprang.

„Er schien über die Piste zu schweben“

Owens’ Trainer Larry Snyder war zu Recht begeistert, wie eine von ihm übermittelte Aussage erahnen ließ: „Jesse schien über die Piste zu schweben. Er streichelte sie geradezu. Von den Hüften an aufwärts bewegte er den Körper praktisch nicht. Er hätte eine volle Kaffeetasse auf dem Kopf balancieren können und nichts davon verschüttet.“ Die Performance in Ann Arbor wurde zwar medial wenig beachtet, war aber richtungsweisend für die Sommerspiele im darauffolgenden Jahr, die in Nazi-Deutschland stattfanden.

Jesse Owens in Ann Arbor 1935
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Owens stellte die Konkurrenz in Ann Arbor ebenso in den Schatten wie im Jahr darauf in Berlin

Ein farbiger Sportler dominierte die Spiele in Berlin, und das Publikum verehrte ihn. „Bei Olympia das Rennen über 100 m zu gewinnen, das war mein Traum, seit ich ein kleiner Bub von 13 Jahren war“, sagte Owens später. Dass – wie oft erzählt – Adolf Hitler ihm den Handschlag verweigerte, ist nicht bestätigt. Laut Owens-Autobiografie soll er ihm zugewinkt haben. Klar ist aber, dass er nach seiner Rückkehr in die Heimat nicht die gebotene Anerkennung erhielt. US-Präsident Franklin D. Roosevelt steckte mitten im Wahlkampf, gratulierte nicht und schickte auch keine Einladung zur Ehrung ins Weiße Haus.

Späte Auszeichnungen

Die Ehrungen gab es erst spät. 1973 erhielt Owens vom deutschen Generalkonsul in Los Angeles das Bundesverdienstkreuz. 1976 bekam er von US-Präsident Gerald Ford die Freiheitsmedaille überreicht. 1990 wurde ihm postum von Präsident George Bush die Goldene Ehrenmedaille des Kongresses verliehen – „für seine humanitären Verdienste um die menschliche Rasse“.

Damit hatte er die beiden höchsten zivilen Auszeichnungen der USA erhalten. Der Leichtathletikweltverband ehrte ihn 2005 mit der „IAAF Golden Order of Merit“.

Lebenslanger Kampf um Anerkennung

Owens wurde 1913 in Oakville in Alabama geboren, die Großeltern waren als Sklaven ins Land gekommen, der Vater war Farmpächter und Baumwollpflücker. Die Familie zog in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Ohio. Der Spitzname „Jesse“ ergab sich, weil die Lehrerin mit dem Akzent des Schülers Probleme hatte und das „J. C.“ als „Jesse“ im Klassenbuch notierte. Sportlich fiel er rasch auf, ein Stipendium gab es allerdings nicht.

Mit Gelegenheitsjobs als Liftboy finanzierte er sich den Weg zu den Olympischen Spielen in Berlin. „Ich hatte zwar vier Goldmedaillen, aber vier Goldmedaillen kann man nicht essen“, soll Owens danach einmal gesagt haben. Er war ein Held, aber einer, der nie in die Gesellschaft integriert wurde. Auftritte in Nachtclubs und im Zirkus, mehr war für ihn nicht zu holen. „Es war schlimm, überleben zu müssen in Schauläufen und dort sogar gegen Rennpferde anzutreten.“ Am 31. März 1980 starb der starke Raucher im Alter von 66 Jahren an Lungenkrebs.