Klopp und seine Mannschaft, die bereits am Mittwoch mit einem 4:0-Sieg über Crystal Palace ihren Teil zur vorzeitigen Titelparty beigetragen hatten, verfolgten am Donnerstag auf der Terrasse eines Hotels in Liverpool, wie Chelsea den entthronten Titelverteidiger Manchester City mit 2:1 besiegte und die „Reds“ damit zum Champion kürte. 30 Jahre hatte der einstige Rekordmeister auf seinen 19. Titel warten müssen.
Nach dem Gewinn der Meisterschaft wurde Klopp einmal mehr von seinen Gefühlen überwältigt. „Was soll ich sagen, es ist ein unglaublicher Moment“, sagte der Coach unter Tränen nach seinem historischen Triumph, „ich hätte nie gedacht, dass ich mich so fühlen würde.“ Klopp ist der erste deutsche Trainer, der einen englischen Club zum Titel führen konnte. Und das in beeindruckender Manier: Sieben Runden vor Schluss ist Liverpool mit 23 Punkten Vorsprung auf ManCity nicht mehr von der Spitze zu verdrängen.
Liverpool schreibt mit Titel Geschichte
Nach 30 Jahren geht der Titel in der engschlischen Premier League wieder an Liverpool. Durch das 1:2 von Manchester City bei Chelsea kann das Team von Jürgen Klopp nicht mehr von der Spitze verdrängt werden.
Klopp, der davor mit Borussia Dortmund zweimal die deutsche Bundesliga gewann, wurde nach Feststehen des Titels bei spontanen Siegesfeiern – unter Missachtung der geltenden Abstandsgebote wegen der Coronavirus-Pandemie – gefeiert. Klopp, der die Fans trotz aller Euphorie zum Daheimbleiben aufforderte, widmete den Titel auch den treuen Anhängern des Traditionsclubs, die in den vergangenen drei Jahrzehnten vor allem dem Erzrivalen Manchester United beim Titelsammeln zusehen mussten. „Das ist für euch da draußen, ich hoffe, ihr spürt das“, sagte der Deutsche.
Lob von allen Seiten
Ähnlich euphorisch wie die Stimmung bei Club und Fans an der Merseyside, waren nach dem Titelgewinn auch die Lobeshymnen von außen – vor allem für Klopp. „Unglaubliche Leistung einer fantastischen Mannschaft von Topspielern, angeführt von einem Weltklassetrainer“, richtete der langjährige Liverpool-Kapitän und aktuelle Rangers-Trainer in Glasgow Steven Gerrard aus. „Er ist einfach fantastisch“, meinte auch Klopps Vorgänger als „Reds“-Meistercoach Dalglish. Klopp habe ein „spezielles Team“ geformt, so Graeme Souness, eine weitere Clublegende.
Auch die englische Presse verneigte sich vor dem Deutschen. „On Klopp of the World“, titelte etwa der „Daily Star“. Für „The Athletic“ ist Klopp „das faustgeballte Genie“, das Liverpools Träume verwirklichte. Ex-Liverpool-Verteidiger Jamie Carragher, der 2017 in einer Kolumne noch die Fähigkeiten des Trainers, Titel zu gewinnen, infrage gestellt hatte, meinte nun: „Klopp hat damals gesagt, er möchte Zweifler in Gläubige verwandeln. Ich hatte damals die Hoffnung aufgegeben, aber jetzt kann ich mit Freude sagen, dass ich falsch lag.“
Das größte Lob gab es aber vom langjährigen Rivalen des Liverpool-Trainers, von Josep Guardiola, der sich schon als Bayern-Trainer mit Klopps Dortmundern heiße Gefechte geliefert hatte. „Glückwunsch an Liverpool, ihre Fans, den Trainer, die Spieler. Wohlverdient. Sie sind gute Champions“, sagte der Spanier. Klopp habe mit „unglaublichem Fokus“ spielen lassen, zeigte sich der ManCity-Coach beeindruckt – „so, als ob es ihre letzte Chance sei“.
Bittere Rückschläge
Der lang ersehnte Titel ist der vorläufige Höhepunkt einer laut Klopp „sehr aufregenden Reise“, die vor viereinhalb Jahren mit der Vorstellung des Deutschen begann. Als Gegenpol zu „Special One“ Jose Mourinho bezeichnete sich Klopp als „Normal One“ und eroberte schnell die Herzen der Fans. Im Nachhinein prophetisch seine Aussage: „Ich kann keine Titel versprechen. Aber wenn wir uns hier in vier Jahren wiedersehen sollten, dann haben wir wohl einen Titel gewonnen“, meinte der Trainer damals.
Bis der Bann im Vorjahr mit dem 2:0-Finalsieg in der Champions League gegen Tottenham gebrochen wurde und die Titeljagd heuer im ersten Meistertitel seit 1990 gipfelte, mussten die „Reds“ einige Rückschläge verkraften. So setzte es in Klopps erstem Jahr Finalniederlagen in Ligacup und Europa League. 2018 musste sich Liverpool im Endspiel der Champions League Real Madrid vor allem dank haarsträubender Schnitzer des damaligen Torhüters Loris Karius mit 1:3 geschlagen geben.
Doch Klopp genoss weiter das Vertrauen der in den USA residierenden Clubbosse und bescherte gemeinsam mit seinen Starspielern wie dem Ex-Salzburger Sadio Mane, Torjäger Mohamed Salah oder Verteidiger Virgil van Dijk den „Reds“ die erhofften Titel. Im Vorjahr musste Liverpool trotz nur einer Saisonniederlage in der Meisterschaft noch Manchester City um einen Punkt den Vortritt lassen. Die Citizens von Guardiola hatten Klopp und Co. auch die einzige Pleite zugefügt. Mit 97 Zählern stellte Liverpool aber einen Rekord für einen Vizemeister auf.
Saison der Rekorde
Heuer ließen die „Reds“ von Beginn an keinen Zweifel aufkommen, wer am Ende die Trophäe in die Luft stemmen wird. Aus den ersten 21 Saisonspielen holte der FC Liverpool 61 Punkte. Der 4:0-Sieg am Mittwoch gegen Crystal Palace war bereits der 23. Premier-League-Heimerfolg in Serie für die Klopp-Elf – einsamer Ligarekord. Dass ein Team sieben Spiele vor Schluss als Meister feststeht, gab es im englischen Fußball davor auch noch nie.
Einige Rekorde liegen zudem noch bereit: Liverpool kann die meisten Punkte in einer Spielzeit holen. ManCity knackte als erstes Team die 100-Punkte-Marke. Um das zu toppen, muss der neue Meister aus den verbleibenden sieben Spielen 15 von möglichen 21 Zählern holen. Die „Reds“ können auch die meisten Siege in einer Premier-League-Saison holen. ManCity hält den Rekord mit 32. Außerdem kann die Klopp-Elf alle 19 Premier-League-Heimspiele gewinnen. Auch der Abstand zwischen Platz eins und Platz zwei (bisherige Bestmarke: 19 Punkte) könnte so groß wie noch nie sein.