Lewis Hamilton (Mercedes)
GEPA/XPB Images
Formel 1

Hamilton stellt Vermächtnis über Titel

Mit vier Monaten Verspätung startet Lewis Hamilton am Sonntag (15.10 Uhr, live in ORF1 und im Livestream) beim Grand Prix von Österreich in Spielberg den Anlauf auf seinen siebenten WM-Titel in der Formel 1. Dass der Brite mit Rekordhalter Michael Schumacher gleichziehen könnte, ist aber nur eine Nebensache. „Wir möchten gemeinsam ein Vermächtnis aufbauen, das über den Sport hinausgeht“, so der Titelverteidiger.

Der sechsfache Weltmeister widmet sich schon seit Jahren nicht nur sportlichen Themen. In der Coronavirus-Pause aber hat Hamilton sein Engagement gegen gesellschaftliche Probleme auf eine neue Stufe gehoben. Zuletzt ergriff er fast täglich das Wort im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, für mehr Diversität und Chancengleichheit. Bei mehr als 17 Millionen Abonnenten auf Instagram und 5,7 Millionen Followern auf Twitter hat Hamiltons Stimme speziell bei der Jugend enorme Reichweite.

Dieser Wucht der „Followerpower“ des Engländers konnte sich die Formel 1 nicht entziehen. Kurz nachdem Hamilton die Rennserie als einen „von Weißen dominierten Sport“ kritisiert und mangelnde Unterstützung aus ihrem Kreis festgestellt hatte, warfen die Verantwortlichen der Königsklasse die PR-Maschine an. Eine Taskforce und eine Stiftung sollen die Formel 1 speziell im Kampf gegen Rassismus nachhaltig verändern, so die Ankündigung.

Lewis Hamilton (Mercedes) im November des Vorjahres
Reuters/USA Today Sports/Jerome Miron
Hamilton, hier nach dem Gewinn seines sechsten WM-Titels, nutzt seine Popularität, um Missstände anzuprangern

Seine Herkunft und seine Lebensgeschichte als erster schwarzer Weltmeister der Formel 1 machen Hamilton zum perfekten Botschafter einer Bewegung, die seit Wochen weltweit an Kraft gewinnt. „Black Lives Matter“ (Schwarze Leben zählen) – diesem Grundsatz hat Hamilton sich verschrieben, dafür geht er auch mit Maske bei einer Demonstration im Londoner Hyde Park auf die Straße. „Wir haben viel zu tun, aber ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam helfen können, diesen Sport zu verändern“, schrieb Hamilton.

Saisonstart mit Kniefall?

Wenn Hamilton nun am Sonntag in Österreich seine Titelverteidigung beginnt, wird er in einem als Anti-Rassismus-Statement schwarz lackierten „Silberpfeil“ sitzen. „Es ist so wichtig, dass wir diesen Moment nutzen“, mahnte der 35-Jährige. Beim Fahrermeeting soll auch diskutiert werden, ob alle 20 Piloten vor dem Rennstart symbolisch auf ein Knie gehen, wie es einst Football-Quarterback Colin Kaepernick bei seinem Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus tat.

Der Druck von Hamilton hat das Bewusstsein der Formel 1 jedenfalls verändert. Der sechsfache Champion weiß um sein Gewicht und seine Bedeutung, entzieht sich schon länger den PR-Zwängen der global operierenden Vollgas-Branche. „Geld regiert die Welt“, sagte Hamilton im März auf die Frage, warum die Formel 1 trotz der um sich greifenden Coronavirus-Pandemie zum Saisonauftakt nach Australien gereist war. Kurz darauf wurde das Rennen in Melbourne wegen einer Infektion im McLaren-Team abgesagt.

Knapp vier Monate später wagt die Formel 1 den Neustart in der Steiermark. Hamilton geht wieder als großer Gejagter in die ungewöhnliche Saison. Hoffnungen der Konkurrenz, die Debatten und Projekte könnten dem Serienweltmeister den Fokus geraubt haben, erfüllten sich schon in der Vergangenheit nicht. Auch wenn sich der Mercedes-Pilot an einer eigenen Modelinie versuchte, für bessere Bildungschancen kämpfte, sich als Musiker austestete oder zu Roten Teppichen um die Welt jettete, blieb er doch das Maß der Dinge auf dem Asphalt.