Dallas Keuchel
AP/Charles Rex Arbogast
Baseball

Vorhang auf für beispiellose Saison

Ab Donnerstag heißt es in Nordamerika so spät wie noch nie zuvor „Take me out to the ballgame“. Mit fast viermonatiger Verspätung aufgrund der Coronavirus-Pandemie öffnet die Major League Baseball (MLB) ihre Pforten. Spieler und Fans müssen sich in einer dramatisch gekürzten Saison auf mehrere Neuerungen einstellen.

Mit den Partien zwischen Titelverteidiger Washington Nationals und Rekordmeister New York Yankees und dem kalifornischen Derby zwischen den Los Angeles Dodgers und den San Francisco Giants erfolgt in der US-Hauptstadt am Donnerstag der Auftakt des Grunddurchgangs, der ursprünglich am 26. März hätte erfolgen sollen. Statt 162 Partien werden im Grunddurchgang von den 30 Clubs nur 60 absolviert. Die Postseason soll wie geplant Ende September beginnen, spätestens am 28. Oktober soll der Gewinner der World Series feststehen.

Dass eine Saison in der ältesten US-Profiliga verkürzt werden muss, ist nicht neu. So waren etwa die Saisonen 1918 und 1919 vom Ersten Weltkrieg beeinträchtigt. 1981 und 1994 fielen Teile der Saison einem Streik der Spieler nach einem Gehaltsstreit mit der Liga zum Opfer. 1994 wurde sogar die World Series gestrichen, nachdem die Saison Mitte September abgebrochen worden war. Auch heuer war der Streit ums Geld lange Zeit ein Stolperstein auf dem Weg zum Start, sogar ein Ausfall der gesamten Spielzeit war befürchtet worden.

Nationals Park, Washington
AP/Alex Brandon
Im Nationals Park von Washington wird wie bei diesem Testspiel am Eröffnungstag gähnende Leere herrschen

Keine Spiele in Kanada

Die einschneidenste Änderung zum Normalbetrieb ist neben der Reduzierung des Spielplans so wie in allen anderen großen Sportligen der Welt der Ausschluss von Zuschauern. Aber anders als etwa in der National Basketball Association (NBA) und in der National Hockey League (NHL) wird die Baseball-Meisterschaft nicht an einem Ort (NBA) bzw. in nur zwei Städten (NHL) ausgetragen, sondern in den jeweiligen Heimstadien. Die Teams reisen somit quer durch die USA und bleiben wie auch sonst üblich für mehrere Tage in einer Stadt – allerdings in strenger Isolation.

Die große Ausnahme sind die Toronto Blue Jays. Der einzige kanadische Teilnehmer der MLB wird von den 60 Spielen keines im heimischen Rogers Center austragen. Grund ist die Bestimmung der kanadischen Regierung, dass Einreisende aus den USA für 14 Tage in Quarantäne müssen. Für die Baseballer gab es angesichts der prekären Lage südlich der Grenze keine Ausnahme. Die Blue Jays sind daher auf der Suche nach einer „Heimstätte“ in den USA. Laut US-Medien dürften Pittsburgh und die Heimstätte der Pirates als Ersatz für Toronto herhalten.

Pitcher müssen nicht mehr schlagen

Auch das Spiel selbst wurde aufgrund der geänderten Situation adaptiert – vor allem die Verlängerung. Um die Partien schneller zu einem Abschluss zu bringen, beginnt bei Gleichstand nach neun Innings das Extra-Inning mit einem Läufer auf der zweiten Base. Die Chance für einen Run erhöht sich dadurch signifikant. Durch die Maßnahme sollen auch die Pitcher geschont werden. Ab der K.-o.-Runde wird allerdings die neue Regelung mit einem Spieler in „scoring position“ nicht angewandt.

Apropos Schonung der Werfer: Anders als sonst üblich wird in der Saison 2020 die Position des „Designated Hitter“ nicht nur in der American League, sondern auch in der National League durchgehend angewandt. Dadurch müssen die Pitcher nicht mehr als Schlagmann ans Werk. Selbst die Regelung bei Schlechtwetter wurde geändert. Hat ein zurückliegendes Team zum Zeitpunkt eines Abbruchs wegen Regens noch keine fünf Innings absolviert, wird die Partie offiziell nur unterbrochen und etwa am nächsten Tag ab diesem Zeitpunkt fortgesetzt. Normalerweise wird eine Partie in diesem Fall komplett neu gestartet.

Experte Fauci als Ehrengast

Über allem stehen aber strenge Sicherheitsmaßnahmen, um das Coronavirus aus den Kabinen fernzuhalten. Auch der Körperkontakt während des Spiels wird auf ein Minimum reduziert. Die tradtionelle Jubeltraube, mit der ein Spieler nach einem entscheidenden Run empfangen wird, fällt heuer flach. „Wir müssen uns noch darüber klar werden, wie wir unseren Jubel gestalten. Wir wissen noch nicht, was wir tun sollen“, meinte etwa Cody Bellinger von den Los Angeles Dodgers, seines Zeichens wertvollster Spieler (MVP) der National League in der vergangenen Saison.

Trotz aller Vorkehrungen wird in der verkürzten Saison nicht jeder Star zu sehen sein. So kündigte etwa Bellingers Dodgers-Teamkollege Starpitcher David Price an, aus Sorge um seine Gesundheit nicht an der kommenden Spielzeit teilzunehmen. Der 34-jährige fünffache Allstar, der 2018 mit den Boston Red Sox den Titel feierte, verzichtet damit auch auf sein Gehalt von zwölf Mio. Dollar für die kommende Saison.

Das Coronavirus bestimmt übrigens auch den Auftakt am Donnerstag. Beim Eröffnungsspiel in Washington wird Anthony Fauci, der führende CoV-Experte in den USA, den zeremoniellen ersten Pitch durchführen. „Dr. Fauci war ein echter Champion für unser Land während der Covid-19-Pandemie. Also passt es gut, wenn wir ihn ehren, während wir in die Saison 2020 starten, um unseren Titel in der World Series zu verteidigen“, teilten die Nationals auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit. Dazu gab es ein Foto von Spielern mit Mundschutz. Bildunterschrif: „Champions gehen mit gutem Beispiel voran.“